Nächste Woche (von 10. bis 20.2.) soll die Berlinale, das Internationale Filmfestival in Berlin, stattfinden. Laut Plan als Präsenzveranstaltung ohne Online-Option und bei hohen Corona-Infektionszahlen. Die Befürworter dieser Idee halten dieses (Nicht-)Konzept für mutig und den Einsatz für das Kino als primären und singulären Ort des Films für vorbildhaft. Man muss davon ausgehen, dass das auch das Leitungsduo Chatrian-Rissenbeeck so sieht. Dabei ergeben sich mehrere Probleme.
von Christian Klosz
Erstens ist das Kino schon länger nicht mehr der primäre Ort für Filmkonsum, seit einer Weile teilt es sich den mit dem Zuhause und dessen Streaming-Optionen, eine Tendenz, die 2 Jahre Pandemie noch verstärkt haben. Natürlich ist das Filmerlebnis im Kino etwas anderes – aber ist es wirklich angenehmer, mit Maske und Abstand im Saal zu sitzen, sich davor stets um einen aktuellen Corona-Test kümmern zu müssen? Sind das wirklich die idealen Bedingungen, unter denen ein Film gesichtet werden soll, um ihn in seinem ganzen Umfang erfassen zu können, das, was den “Ort Kino” ausmacht, wobei gleichzeitig darum gebeten wird, “Gruppenbildungen” zu vermeiden, sich also nach dem Film möglichst nicht mit anderen über das eben Gesehene auszutauschen? Oder ist da die Qualität des Zu-Hause-Sehens nicht doch – wenn auch nur temporär – zumindest gleichwertig? Und warum muss die Festivalleitung, doch eher paternalistisch, diese Wahl für das Publikum vornehmen, das nicht selbst entscheiden kann, ob es den Film nun im Kino, oder doch lieber zu Hause sehen möchte?
Zweitens ist das Problem weniger die Abhaltung des Festivals, sondern die Weigerung, Alternativen anzubieten. Es gibt viele und nachvollziehbare Gründe, die Entscheidung, die Berlinale als Präsenzveranstaltung stattfinden zu lassen, zu kritisieren und zu hinterfragen oder sie für unvernünftig zu halten. Aber darum geht es gar nicht. Das Problem ist vielmehr die Tatsache, dass es kein Online-Angebot gibt für Journalisten und Besucher, die nicht vor Ort sein können oder wollen. Im einen Fall gibt es dafür viele praktische Gründe, im anderen auch persönliche. Wenn andere, große Festivals es schaffen, Hybridkonzepte zu erarbeiten und Hybridfestivals abzuhalten, mit Präsenzvorstellungen und Online-Screenings, warum kann das die Berlinale nicht auch? Oder will sie nicht, weil man um den Ruf als “Publikumsfestival” fürchtet und das Ding um jeden Preis durchziehen will? Nun, der Ruf ist schon jetzt ramponiert, wegen der starrköpfigen Weigerung, in mehrere Richtungen und in Alternativen zu denken und ein Angebot an ALLE Menschen zu machen, die sich für die Filme des Festivals interessieren.
Es mutet trotzig an und grenzt an leichte Realitätsverweigerung, 2 Jahre Pandemie weitestgehend ignorieren und ausblenden zu wollen. Niemand zweifelt das Kino per se an, und es wird wieder Zeiten geben, wo Kinos lebendige soziale Orte der kulturellen Auseinandersetzung sein werden. Aber diese Zeit ist nicht jetzt. 2 Pandemie-Jahre haben vieles, wenn nicht alles verändert und das Kino muss sich der Herausforderung stellen, seinen Platz in einer geänderten Umgebung und Wirklichkeit neu zu finden und zu definieren. Das wird primär dann geschehen, wenn die Pandemie grosse modo zu Ende ist und sich die Welt, ihre Gesellschaften und deren Institutionen neu sortieren werden.
Die Vorstellung, nun an einen Punkt von vor 2 Jahren zurückzukehren und nahtlos anschließen zu können an etwas, das nicht mehr existiert, ist eine Illusion – und ruft gerade deswegen so heftige Reaktionen hervor.
Bild: Andreas Teich (c) Berlinale 2015
Ganz meine Meinung! Filmfestivals besuche ich sehr gerne aber unter den derzeitigen Bedingungen ist die Ansteckungsgefahr viel zu hoch und die einzigartige Berlinale Atmosphäre wird komplett fehlen.
Meine Reise zur Berlinale habe ich kürzlich storniert…
https://wanderlustig2019.wordpress.com/2022/01/25/berlinale-blues-2022/
Aber wenigstens habe ich deinen Blog abonniert und freue mich auf spannende Berlinale Berichte 😊.
Dankeschön 🙂 Nun, ich persönlich werde heuer auch nicht hinfahren – aus oben erörterten Gründen – aber eine meiner Autorinnen wohnt in Berlin und wird von vor Ort berichten. Und ich bekommen vl. den einen oder anderen Sreening-Link für Reviews…Danke nochmal für dein positives Feedback. Und auch wenn’s nervig ist: Lass mich dich auch kurz darauf hinweisen, dass man uns nun auch via Steady unterstützen kann: https://steadyhq.com/de/filmpluskritik
Und noch 2 “Lesetipps” aus den letzten Jahren: Ein “Fazit” zur Ausgabe 2021: https://filmpluskritik.com/2021/06/09/cineastische-momente-ohne-kino-berlinale-2021-fazit-gewinner-2/ – und der (sehr ausführliche) Kritikerspiegel dazu: https://filmpluskritik.com/2021/03/01/berlinale-2021-kritikerspiegel/ Lg, ck
Danke für die interessanten Links. Gegen einel kleine Mitgliedschaft bei Steady hätte ich nichts, aber da ich unter einem Pseudonym blogge, wird es schwierig mit der Überweisung. Oder ?
Hmm. Also durch eine Steady-Mitgliedschaft werden deine Daten auf jeden Fall nicht öffentlich. Wir bzw. ich sehe deinen Namen, sonst nichts. Im Endeffekt musst du entscheiden, ob das OK ist….wir täten uns jedenfalls sehr über den Support freuen 🙂
Danke, würde euch gerne unterstützen. Wichtig ist mir, dass Name und Blog nicht verbunden werden, aber das wird durch die Mitgliedschaft wohl nicht passieren (?).
Nein, absolut nicht. Das Abo ist außerdem über Steady, das ist ein externer Anbieter, der mit WordPress nichts zu tun hat. Und die Daten von dort (nur der Name) werden natürlich nicht weitergegeben oder veröffentlicht.
Ganz meine Meinung. Filmfestivals besuche ich sehr gerne aber unter diesen Bedingungen ist die Ansteckungsgefahr sehr hoch und die einzigartige Berlinale Atmosphäre wird komplett fehlen.
Meine Reise zur Berlinale habe ich kürzlich storniert…
https://wanderlustig2019.wordpress.com/2022/01/25/berlinale-blues-2022/