Es gab Zeiten, da hatten Fans die geplanten Fortsetzungen des bis heute erfolgreichsten Films aller Zeiten abgeschrieben. Ursprünglich schon für 2015 angekündigt, änderte Regisseur James Cameron mehrfach seine Pläne, erweiterte die Trilogie irgendwann zu einer Pentalogie und erklärte, dass sich die Veröffentlichung des zweiten Teils aufgrund der zusammenhängenden Produktion weiter verzögern werde. Dann kam Corona, ihr kennt die Story. Nun, 2022 und allen Unkenrufen zum Trotz, flutet „Avatar: The way of water“ aber tatsächlich die Kinosäle und führt uns 13 Jahre später zurück nach Pandora.

von Cliff Lina

Und nicht nur die Filmreihe per se ist wieder da, auch die Himmelsmenschen versuchen sich ein weiteres Mal an der Ausbeutung der Ressourcen, da die Erde unbewohnbar geworden ist. Anders als im ersten Teil gibt es allerdings einen Clou: in weiser Voraussicht haben sich Bösewicht Miles Quaritch und Team vor der ersten Auseinandersetzung mit den Na’vi klonen lassen, jedoch in Form der Na’vi selbst – inklusive Gestalt und Fähigkeiten. Geplant ist die Rache an Jake Sully, der mittlerweile, dem neuronalen Netzwerk sei Dank, selbst dauerhaft auf Pandora lebt und eine Familie gegründet hat. Als er vom neuerlichen Angriff erfährt, beschließt er seine Familie zu schützen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Raus aus dem Wald, rein ins kalte Wasser. Im wahrsten Sinne.

Trotz üppiger Spielzeit hält sich Teil 2 gar nicht lange mit großer Exposition auf, alles Beschriebene geschieht bereits innerhalb der ersten Dreiviertelstunde, sodass „Avatar: The way of water“ auch genug Zeit hat seinem Titel gerecht zu werden. Und sind wir ehrlich: heilige Makrele, sieht das alles grandios aus! Schon in den anfänglichen Szenen im Wald fällt direkt ins Auge, dass Umgebung und Texturen deutlich organischer anmuten als noch im Vorgänger. Der technische Fortschritt wird imposant implementiert, und spätestens als Flora und Fauna wechseln, kippt die Kinnlade endgültig gen Kniescheibe. Das schier unendliche Farbspektrum, die fluoreszierenden Elemente, gestochen scharfe Bilder voller anmutiger Fabelwesen, untermalt von bekannten Klangwänden. Hier bewegt sich Cameron nahe an der Referenz und es würde nicht verwundern, wenn der Film zeitnah in Dauerschleife auf neuesten TV-Modellen vorgeführt wird um aufzuzeigen, was technisch mittlerweile möglich ist. Einziges Manko: die dynamische Bildrate, die angeblich nur in actionlastigen Szenen nach oben ausschlagen soll, allerdings schnell störend ins Auge fällt. Diese widerstrebt den Sehgewohnheiten doch arg und steht im Konflikt zu der mittlerweile realistischeren Optik. Fantasyfilm hin oder her.

Punkt Eins auf der Agenda wäre also abgehakt. Stimmungstechnisch kann Pandora auch heute noch überzeugen, doch hat Cameron es geschafft eine Story zu verbauen, die darüber hinaus Schauwerte bietet? Hier muss leider ein klares „Nein“ konstatiert werden. Dass bekannte Charaktere zurückkehren war klar und ist logisch, aber gehässig ausgedrückt bietet der Nachfolger die gleiche Story wie sein Vorgänger, mit wenigen Ausnahmen und veränderten Vorzeichen. Äußerlich haben sich die Figuren verändert und wurden, im Falle von Jake und Neytiri um eine ganze Rasselbande an Nachwuchs ergänzt, aber herunter gebrochen auf den Kern, denken und handeln die Protagonisten genauso wie vor 13 Jahren. Charakterentwicklung Fehlanzeige. Auch diesmal muss sich Jake wieder in einer neuen Welt zurechtfinden, Vertrauen gewinnen und sich anpassen. Wer das damals alles super fand, wird wohl auch mit der „neuen“ Geschichte zufrieden sein. Wer sich differenziert denkende Figuren mit Tiefgang gewünscht hat, wird den Kopf schnell ins Wasser stecken müssen. Und sprechen wir die Seekuh im Raum deutlich an: der Überraschungseffekt von einst ist verpufft und kann somit keine Schwächen mehr kaschieren. Über die generelle Sinnhaftigkeit des behandelten Krieges hüllen wir an dieser Stelle bewusst die Flosse des Schweigens.

Zusätzlich zu diesem Manko schafft es Cameron zu selten eine emotionale Ebene zu kreieren, was ärgerlich ist. Das liegt natürlich auch und vor allem an den einseitig geschriebenen Charakteren, aber auch daran, dass er sehr wohl weiß wie es geht und das sogar innerhalb des Films zeigt. Im Zusammenspiel der Na’vi mit den Tierwesen ergeben sich zahlreiche Beispiele dafür wie gefühlvoll die Welt sein kann. Mit sphärischen Klängen und ruhigen Bilder begeistern insbesondere die Szenen, die mit dem Krieg und der eigentlich erzählten Story wenig bis gar nichts zu tun haben. Der Abenteuer-Charakter zündet auch unter Wasser, der Wunsch Unbekanntes zu entdecken, respektive zu verstehen, ist der größte Reiz am Film, der die Handelnden gleichzeitig spielend mit der Zuschauerschaft auf einen Nenner bringt. Sobald das Drehbuch wieder versucht die Geschehnisse voranzutreiben, schleicht sich dezente Langeweile an, angetrieben von fürchterlich generischen Nebenhandlungen und Konstellationen. Ein Brüder-Konflikt, der Wunsch seinen Vater mit Stolz zu erfüllen, eine Außenseiterin mit Komplexen, eine affektierte Liebesgeschichte, Raufereien mit anderen Kulturen, durchsichtige und nicht nachvollziehbare Wendungen; um nur ein paar Dinge zu benennen. Am schlimmsten ist jedoch die Anbiederung an die heutige Popkultur. Wenn sich die Söhne von Jake Sully ständig mit „Bro“ anreden oder sich untereinander mit „Pimmelgesicht“ beleidigen, denkt man eher an deutsche Problemviertel als an eine kreativ gestaltete Fantasiewelt. „The way of water connects all things“, und so fühlt sich Teil 2 dann tatsächlich auch an, da er wenig wagt und demnach auch lediglich wie ein Verbindungsstück wirkt, das in zwei Stunden hätte erzählt werden können. Der Gang ins Kino lohnt jedoch, alleine aufgrund der überwältigenden Bilderflut, trotzdem.

Fazit

Auf Pandora herrscht Krieg, und auch die qualitative Beurteilung ist zweigeteilt: einerseits bietet „Avatar: The way of water“ technische Brillanz am Anschlag, lässt aber erzählerisch jegliche Raffinesse vermissen. Eindimensionale Charaktere springen und schwimmen durch abwechslungsreiche Computerkulissen ohne Tiefgang. Einzig die beinahe meditative Ebene weiß zu überraschen, der Rest der überlangen Laufzeit ist voller generischer Klischees, die sämtliche Emotion verwässert. Und davon jetzt noch drei Teile? Eywa hilf! 

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(63/100)

Bilder: ©20th Century Studios