Totgesagte leben länger. Nach Berichten über das Ende des Kinos, genährt von Corona-Pandemie und Erstarkung des Streaming-Segments, haben glücklicherweise viele Ketten und Lichtspielhäuser das finanzielle Fiasko überstanden und erfreuen sich wieder stärkerem Zulauf. James Cameron pulverisiert mit “Avatar: The way of water” eigens aufgestellte Rekorde und ein brutaler Auftragskiller bricht nicht nur Knochen, sondern auch Bestmarken bei den Einspielergebnissen. Kino als Ort der Zusammenkunft, als Zuflucht, als Rückzugsort. Eine Idee, die immer noch funktioniert.
von Cliff Lina
Was zuletzt auffiel ist die Zurückbesinnung auf die Anfänge. Regisseure entzogen ihren Werken die Farbe, spielten mit veralteten Bildformaten oder widmeten sich den Anfängen der Filmbranche selbst. „Babylon“ bebilderte die hedonistischen Tage Hollywood, Steven Spielberg erschuf mit „Die Fabelmanns“ einen autobiografischen Rückblick und mit Sam Mendes schickt sich nun der dritte Filmemacher an das Thema Kino, respektive Film, in seinem Film zu verflechten. In „Empire of Light“ prallen Gegensätze aufeinander, finden Gemeinsamkeiten auf Zelluloid und erleben eine kurze, aber intensive Zeit im Schatten des Lichts.

Zentrale Figuren in Mendes Liebesdrama sind Hillary, der Oscarpreisträgerin Olivia Colman ihr Gesicht leiht, und Stephen, gespielt von Micheal Ward. Während Hillary als Serviceleitern im altehrwürdigen Empire Kino arbeitet und mit ihrer eigenen Vergangenheit zu kämpfen hat, liegen die Probleme von Stephen eher in der Gegenwart. Im Südengland der 80er Jahre erhält ein Rechtsruck Einzug in die Gesellschaft und erschwert das Leben des engagierten Farbigen, der eigentlich studieren will, vorübergehend jedoch erst einmal als Aushilfe im Kino anfangen muss. So sehr sich die Konflikte der beiden unterscheiden, so sehr stärken sie die Verbindung der beiden, die sich auf amouröser Basis näherkommen und das Licht in ihrem Leben suchen. Mendes, seines Zeichens zum ersten Mal alleinverantwortlicher Verfasser des Drehbuchs, fokussiert mit seiner Linse aber nicht die Liebe, sondern vielmehr das Drama.
Im Fortlauf der knapp zwei Stunden erfahren wir Bruchstücke bereits vergangener Ereignisse, die gerade bei Hillary noch Schatten in die Gegenwart werfen. Mittels Medikamenten und ärztlicher Hilfe unterdrückt die schüchterne und doch lebenslustige Frau ihre Ängste, wird jedoch immer wieder von ihnen eingeholt. „Empire of Light“ schneidet an dieser Stelle sehr viele Thematiken an, hat aber ungemeine Schwierigkeiten diese in erzählerischen Einklang zu bringen. Vieles wird lediglich angedeutet, das Thema Rassismus wird bis zum Schluss beinahe stiefmütterlich umschifft – soll aber gleichzeitig als emotionaler Angelpunkt dienen. Gerade im Mittelteil variiert Mendes immer wieder mit der Tonalität, was der Unberechenbarkeit des Lebens zwar akkurat Ausdruck verleiht, der Zuschauerschaft allerdings gleichzeitig den Zugang zu seinen komplexen Figuren erschwert. Zum Glück hat sich der Regisseur mit Olivia Colman eine der aktuell wohl stärksten Schauspielerinnen in sein Ensemble geholt. Mit ihrer Präsenz reicht manchmal eine Einstellung ihrer wabernden Unterlippe um zu fühlen, was sie fühlt. Das ist wie immer extrem stark, sodass sich ihr Pendant strecken muss um qualitativ mitzuhalten.
Insgesamt funktionieren Zusammenspiel und Chemie ordentlich, zumindest wenn man in der Lage ist der Sprunghaftigkeit bei gleichzeitiger Entschleunigung Folge zu leisten. Umrahmt wird die schwermütige Charakterstudie dabei von den Bildern des großartigen Roger Deakins, über den mittlerweile alles gesagt wurde, was es zu sagen gibt. Seine Inszenierung fällt dieses Mal allerdings deutlich „kleiner“ aus, angepasst an Film und Geschichte. Der Soundtrack fügt sich nahtlos ein, veredelt die Höhepunkte des Werkes mit schöner Dramatik und rundet die technische Komponente ab. Was das alles mit Kino und Film zu tun hat fragt ihr euch nun? Ja, genau da haben wir ein weiteres Problem gefunden. Mendes nutzt Kino zwar als Schauplatz und greift gegen Ende auch vermehrt darauf zurück, verpasst es aber die Bedeutung herauszuarbeiten. Wenn die Handlung nun in einer Fischerei gespielt hätte, es hätte nicht allzu viel geändert. Für einen Film, der das Licht des Lichtspielhauses so zentral besprechen möchte, ist das letztliche Erzeugnis auch in dieser Hinsicht zu vorsichtig, zu beliebig und zu unentschlossen.

Fazit
Sam Mendes bebildert in “Empire of Light” gekonnt tragische Einzelschicksale, tut sich aber weitestgehend schwer damit seine Kernthematik auf die Leinwand zu bringen. Ein Film mit wunderbar herzlichen Momenten, einer schönen Melancholie und einer abermals starken Olivia Colman, der jedoch oftmals einfach zu träge wirkt und in all seiner inhaltlichen Schwere nur wenige Glanzlichter setzen kann.
Bewertung
(57/100)
Bilder: ©Searchlight Pictures