Ein Mann auf der Mission frisches Blut ins Genre zu bringen. So abgedroschen diese Phrase klingen mag, aber Brandon Cronenberg ist dieses Bestreben bei seiner Arbeit tatsächlich anzumerken. Auch wenn der Name möglicherweise direkt ein paar Türen öffnet, ist Cronenberg jr. nicht nur darauf bedacht die Werke seines Vaters zu ehren, sondern vor allem darauf eine eigene Handschrift zu entwickeln. Das hat bei „Antiviral“ noch semi-gut funktioniert, mündete aber schon in „Possessor“ in einem ausgeklügelten Genremix, der auf Festivals für Furore sorgte.

von Cliff Lina

Sein neuester Film hört auf den vielsagenden Titel „Infinity Pool“, doch anstelle eines Horror-Schockers samt unerschöpflichem Schimmbecken an Kunstblut, versteht sich Film Nummer Drei beinahe als bittere Sozialsatire, die aber mitnichten an roter Farbe und/oder belastenden Szenen spart. Dabei beginnt alles so unschuldig: auf der Suche nach Inspiration verbringt James mit seiner Ehefrau einen entspannten Urlaub in einem fiktiven Urlaubsresort. Eine zwanglose Bekanntschaft mit einem anderen Pärchen führt jedoch schnell in eine Abwärtsspirale, bei dem ein tödlicher Unfall erst den Anfang vom Ende darstellt. In der Folge entwickelt sich ein abstruses Treiben, das eine entscheidende Wendung nimmt und die Selbstwahrnehmung aller Beteiligten unwiderruflich verändert.

„Infinity Pool“ spielt dabei verzückt mit seinem Titel und seiner Zuschauerschaft. Immer wenn man denkt, dass sich die Handlung entfaltet hat und man in etwa weiß, worauf es hinausläuft, stößt sich der Film vom Beckenrand ab und macht eine Kehrtwende. Das funktioniert insbesondere in der ersten Stunde extrem gut, in der der Film beinahe geradlinig verläuft. Doch dann kommen sie wieder, die Szenen, in den Cronenberg den Farbregler bis zum Anschlag aufdreht, menschliche Gesichter bis zur Unkenntlichkeit verfremdet und mit schaurigem Soundtrack Erinnerungen an „Under the skin“ weckt. So provokativ und auffallend die Einschübe sein mögen, sie fügen sich nahtlos in das Konstrukt und wecken die Neugier. Doch kann der Film diese befriedigen?

Klare Antwort: Ja. Anders als andere Filmemacher opfert Cronenberg seine Story nicht seinen Effekten oder seiner kryptischen Ausrichtung. Alles bleibt, sofern dies bei den Genres überhaupt möglich oder gar notwendig ist, irgendwo nachvollziehbar und in sich logisch. Das sorgt einerseits für Spannung, im letzten Drittel aber leider auch für eine gewisse Ahnungslosigkeit. Nicht bei der Zuschauerschaft, vielmehr ist es das Drehbuch selbst, das nicht so recht zu wissen scheint, wie man hier einen passenden Ausweg findet. Irgendwann wiederholen sich plötzlich die Passagen, die Dialoge und die Erklärungen, sodass „Infinity Pool“ den ganz großen Paukenschlag zum Finale schuldig bleibt. Stattdessen resümiert der Film sich selbst, lässt auch die letzte Maske fallen und endet verhältnismäßig unterwältigend.

Im Großen und Ganzen ist das aber der einzige Punkt, den man Cronenberg vorwerfen könnte. Bei der Inszenierung seiner Figuren hat er nicht ganz zufällig vom Besten gelernt, technische Spielereien liegen dem Kanadier sowieso und wie schon bei „Possessor“ beweist er bei der Auswahl seines Casts ein goldenes Händchen. Die omnipräsente Mia Goth darf sich nach überzeugenden Auftritten in „X“ oder „Pearl“ nun endgültig zur Scream Queen krönen, wobei das mit dem Schreien wörtlich zu nehmen ist. Und auch ihr männliches Pendant, der Schwede Alexander Skarsgard, ruft offenbar mühelos die verschiedensten Gefühlsregungen ab. Ob als dominantes Alphatier oder als handzahmer Schoßhund, Skarsgard hat Mimik und Körpersprache stets vollumfänglich an der Leine und lässt die Grenzen spielerisch verschwimmen. So grausam die Geschichte phasenweise sein mag, dem Talent der beiden zuzuschauen, bereitet diebische Freude.

Fazit

Unter dem Deckmantel religiöser Tradition bebildert „Infinity Pool“ allerhand abscheuliche Abstrusitäten. Cronenberg untermischt der malerischen Kulisse vom Start weg schauerliche Töne, die immer dominanter werden und in einem blutigen Meta-Kommentar auf schier unantastbare Eliten münden. Ein vorrangig psychologischer und weniger physischer Schlag ins Gesicht, und nicht zuletzt ein spannender Film über persönliche Transformation, dem lediglich etwas mehr Abwechslung gut getan hätte. Ab dem 20. April im Kino!

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Bilder: @Universal Pictures