Jeder braucht seine Nische. Die Russo Brothers haben ihre eindeutig für sich definiert. Agenten, Auftragskiller und Spione, das ist scheinbar ihr Lieblingsmetier. Mit „Citadel“ wird ihrer Filmographie ein neuer Eintrag hinzugefügt. Die ersten beiden Folgen der Serie erschienen bereits bei Amazon Prime Video.

von Lena Wasserburger

„Citadel“ handelt von einem gleichnamigen Netzwerk aus Spionen, die, unabhängig von Nationalität und Regierungen, durch ihre Arbeit die Welt vor Bedrohungen schützen wollen. Eine solche Bedrohung ist zum Beispiel die Antithese zu Citadel, Manticor, eine Vereinigung von mächtigen Menschen, die Citadel zu Fall bringen will, was in der Pilotfolge scheinbar auch gelingt. Protagonist der Serie ist Citadel-Spion Mason Kane, gespielt von Richard Madden, der, nachdem sein letzter Auftrag furchtbar schiefgegangen ist, jegliche Erinnerung an sein Leben als Agent verloren hat. Acht Jahre später hat sich Mason, jetzt unter dem Namen Kyle, ein neues, friedliches Leben aufgebaut – bis die Vergangenheit ihn wieder einholt und er erneut in das gefährliche Katz und Maus-Spiel zwischen Citadel und Manticor hineingezogen wird. Priyanka Chopra spielt indessen Masons Ex-Partnerin, auf privater wie auch professioneller Ebene, die auf dem schmalen Grat zwischen Verbündeter und Verräterin zu wandeln scheint, wenn man dem sehr gehaltvollen Trailer für die kommenden Folgen Glauben schenken darf.

„Citadel“ hatte angeblich ein Budget von über 300 Millionen US-Dollar und ist damit, ähnlich wie „The Gray Man“, die Netflixproduktion der Russos, eine der teuersten Serien, die Prime bisher produziert hat, wenn die Serie nicht sogar zu den teuersten Serien aller Zeiten zählt. Ein solches Budget müsste sich eigentlich auch in Sachen Qualität bemerkbar machen, möchte man annehmen. Falsch gedacht. Womöglich ist es ein Talent der Russo Brüder, gigantische Budgets zu verheizen, ohne im Zuge des Prozesses einen Film oder eine Serie hervorzubringen, die auch tatsächlich so aussieht, als hätte sie diese Unmengen an Geld verschlungen.

Wofür „Citadel“ die 300 Millionen Dollar gebraucht hat, ist rätselhaft. Denn die Serie sieht so aus, wie ein Pappkarton schmeckt. Es wäre nicht überraschend, wären Skript und Handlung mit AI generiert worden. Würde man eine künstliche Intelligenz mit sämtlichen Spionage-Filmen füttern, ausgespuckt werden würde wohl so etwas wie „Citadel“. Die Serie bedient sich bereits in den ersten zwei Folgen an allen möglichen Klischees des Genres. Sei es nun die Partnerschaft zwischen Chopras und Maddens Charakteren, Nadia und Mason – er im schneidigen Anzug und immer mit einem passenden Spruch auf den Lippen, sie im roten Kleid, verführerisch lächelnd – der Gedächtnisverlust, der in diesem Genre eine durchaus beliebte Trope ist, die böse, von den Eliten dieser Welt geleitete Organisation, die unseren Helden an den Kragen will. Kopieren kann auch funktionieren, all diese Klischees und Handlungsstränge machen eine Serie oder einen Film nicht zwingend zum Reinfall, doch wenn es an Originalität gänzlich mangelt und die Kopie ohne einzigartigen Charme auskommen muss, bleibt letztendlich nicht viel mehr übrig als eine blasse, uninspirierte Hülle, der selbst der Cast nicht zu mehr Substanz verhelfen kann.

Richard Madden gibt sich Mühe, auch wenn er die Rolle des stoischen, geplagten Agenten vielleicht langsam satt haben sollte. Stanley Tucci ist wie so oft ein Lichtblick, der allerdings mehr Screentime bräuchte und Priyanka Chopra ist leider, nachdem sie ja bereits einen Auftritt in einer Serie desselben Genres hinter sich hat („Quantico“), nicht überzeugend. Da hilft es natürlich auch nicht, dass die Darsteller es zuweilen mit Dialogen zu tun haben, die generischer nicht sein könnten. Öffnet eine Figur den Mund, fällt es nicht schwer, zu erraten, was sie wohl als nächstes sagen wird. Ein solches Level der Vorhersehbarkeit sollte eine Serie in einem Genre, das von Spannung lebt, eigentlich nicht erreichen. Die Effekte schwanken indessen zwischen optisch ansprechend und dem Budget entsprechend und dem Niveau einer CW-Show (siehe „Arrow“, „The Flash“). Eine Stärke von „Citadel“ ist vielleicht die Choreografie der Kampfszenen, allerdings nur dann, wenn auf allzu viele Schnitte verzichtet wird.

Es ist natürlich möglich, dass die Serie in den nächsten Folgen noch einmal eine 180 Grad Wendung hinlegt, doch der Trailer lässt etwas anderes vermuten. Ob es sich lohnt, ihr noch einmal eine Chance zu geben, wird sich zeigen.

Fazit

„Citadel“ ist eine geeignete Serie für diejenigen, die einfach gerne den Kopf abschalten und ein wenig generische Action genießen wollen. Wer sich von einem 300 Millionen Dollar Projekt allerdings doch mehr als das Mittelmaß verspricht, der wird vermutlich von den ersten beiden Episoden enttäuscht werden. Seit Ende April auf Amazon Prime Video.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

(39/100)

Bild: (c) Amazon Prime