Selbst dem weniger kunstaffinen Publikum dürfte der Name Salvador Dalí ein Begriff sein, sei es nun wegen seines charakteristischen Schnurrbartes, dem sogenannten Dalí-Bart mit seinen gezwirbelten Enden oder den surrealistischen, bizarren Bildern, durch die er zu einem der bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts beziehungsweise aller Zeiten wurde. In „Dalíland“ erzählt Mary Harron ein Kapitel aus der Spätphase des Künstlers.

von Lena Wasserburger

„Dalíland“ katapultiert das Publikum zurück in die 70er Jahre, eine Zeit, in der Salvador Dalí (Ben Kingsley) vor allem durch seine überlebensgroße Persönlichkeit, sein dekadentes Privatleben und seine Partys auf sich aufmerksam machte und seine Kunst weniger Anklang fand als noch Jahre zuvor. Die Geschichte begleitet Dalí durch dieses Lebenskapitel und zwar durch die Augen von James (Chris Briney), einem ehemaligen Kunststudenten, der als Galerie-Assistent in New York zum ersten Mal auf „den Dalí“ trifft. Dieser wird auf den jungen Mann aufmerksam und engagiert ihn als seinen persönlichen Assistenten, wodurch James in eine schillernde, exzentrische, komplizierte Welt eintaucht oder wie der Film selbst betont: „Willkommen in Dalíland!“

Die sogenannte „Fish out of water“-Storyline ist eine Erzählmethode, bei der eine Figur in eine für ihn oder sie ungewohnte oder fremde Umgebung gesetzt wird, so, wie sich auch in diesem Fall James plötzlich in Dalíland wiederfindet. James mag zwar der Protagonist sein, doch letztendlich ist er vor allem die Augen, durch die die Zuschauer, die ihnen präsentierte Welt wahrnehmen. Es ist nicht seine Geschichte, um die es geht. Er ist die kahle Leinwand, die durch die Figur Salvador Dalí erst Farbe erhalten soll, was bedeutet, dass James als Charakter nicht viel zu bieten hat. Er ist weniger unbeschriebenes Blatt und mehr ungebuttertes Weißbrot. „Du bist nicht langweilig.“ – meint eine der Figuren, als sie James zum ersten Mal auf einer Party des Künstlers trifft. Doch hier liegt das Problem – James ist langweilig. Es war wohl eine bewusste Entscheidung auf Harrons Seite, uns möglichst wenig über James zu verraten, er soll immerhin der Junge von nebenan sein. Jeder könnte ein James sein. Er ist nichts Besonderes. Und doch: Wäre es verkehrt gewesen, ihm eine Persönlichkeit zu geben? Es fehlt die Verbindung zum Protagonisten, der Grund, ihm durch die Geschichte folgen zu wollen, sodass am Ende die Frage bleibt: Hätte es Dalí alleine nicht auch getan?

Denn hier kann der Film überzeugen oder vielmehr: Ben Kingsley kann überzeugen. Kingsley verkörpert Dalí mit dem gehörigen Maß an Narzissmus, Paranoia, Größenwahn und Exzentrik, das man sich von einer Darstellung des Künstlers wünscht. Besonders die Szenen zwischen Kingsley als Dalí und Barbara Sukowa als Dalís Ehefrau Gala entfalten eine Dynamik, die der Rest des Films vermissen lässt. Die Energie und das Tempo der Geschichte kommen alleine durch diese beiden Figuren zustande und nehmen mit jeder Minute, in der wir nur James oder einem anderen Charakter folgen deutlich ab. Das Ehedrama zwischen Dalí und seiner Gattin, voll von Eifersucht, Drama und Komplexität, hätte womöglich als Stoff für einen gesamten Film ausgereicht. Eine fiktive Figur (James) in das Geschehen einzuschleusen und Storylines, wie eine kurze, irrelevante Romanze zwischen James und Ginesta (Suki Waterhouse), einer der Musen des Künstlers, zu erzählen, wäre nicht notwendig gewesen. Letztendlich ist James ein Passagier, der von der Geschichte mitgetragen wird und genauso wie das Publikum selbst den Erzählungen anderer Figuren lauschen muss, um der Geschichte folgen zu können. An dieser Stelle offenbart sich ein weiteres Problem des Films: Er erzählt zu viel. Ob es nun die Monologe Dalís sind, die Futter für jede Menge Textinterpretationen im Schulunterricht liefern könnten oder die Dialoge, die jegliches visuelles Storytelling überflüssig machen – am Ende wird zu viel erzählt und zu wenig gezeigt. Selbst die Rückblenden in die jungen Jahre des Künstlers stehen nicht für sich, sondern werden aktiv beschrieben und erklärt, während sie sich abspielen. Es ist, als lausche man konstant den ungefilterten Gedanken der Charaktere, was zwar interessant sein kann, jedoch wenig Raum für das Ziehen eigener Schlüsse lässt.

Die Kulisse der 70er Jahre ist dagegen sehr authentisch und ansprechend inszeniert, der Soundtrack ebenso abwechslungsreich wie unzusammenhängend. Es bleibt das Gefühl, dass der Film sein Potenzial mehr ausreizen hätte können. Womöglich hätte die Geschichte aber auch besser als Theaterstück funktioniert. Auf einer Bühne hätte die Inszenierung übersichtlicher und vielleicht auch, dasselbe gilt für die Dialoge und Monologe, ein wenig fesselnder wirken können.

Fazit

Für eine Geschichte, die sich um einen der skurrileren Künstler des vergangenen Jahrhunderts dreht, bleibt der Film überraschend geradlinig. Es fehlen die großen Momente, die Ecken und Kanten, die in Erinnerung bleiben, auch, wenn der Film visuelle Highlights vorweisen kann und die 70er Jahre Atmosphäre überzeugend umsetzt. Ab 7.9. im Kino (nur D)

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

57/100

Bild: (c) SquareOne Entertainment