Auch wenn die Welt genügend andere Probleme hat, war es die letzten Tage das dominierende Thema, zumindest in der „Film-Bubble“ Österreichs und darüber hinaus: Ein im Kurier erschienenes Interview mit Clint Eastwood zu seinem 95. Geburtstag sorgte für Aufregung, als der Interviewte den Inhalt als „frei erfunden“ bezeichnete. Die Urheberin, Filmjournalistin Elisabeth Sereda, nahm dazu am 4.6.2025 erstmals selbst Stellung.

Kommentar von Christian Klosz

In „Guten Morgen Österreich“ im ORF wurde die Interviewerin selbst zur Interviewten: In einem rund 8-minütigen Gespräch konnte sie ihre Sicht der Dinge darlegen (das ganze Interview kann man hier sehen). Sie war aus ihrer Heimat in New Orleans zugeschaltet. Interessante war zunächst, dass Sereda darin angab, dass der Kurier, der ihr Interview veröffentlicht hatte, offenbar wusste, dass dieses Gespräch in der der Form nie stattfand, obwohl das Statement des Chefredakteurs von gestern 3.6.2025 etwas anderes vermittelte: Sereda monierte, dass sie sich mehr Loyalität seitens ihres langjährigen Arbeitgebers erwartet hätte.

Sereda-Statement im ORF: Kritik an der Kurier-Führung

Kurier-Chefredakteur Martin Gebhart, den sie laut eigener Aussage noch nie getroffen hat, hatte ihr gegenüber in einem Telefonat den Umgang mit der Causa damit erklärt, dass der Kurier derzeit ohnehin schon „von allen Seiten unter Beschuss“ stehe und man diesen Skandal nicht auch noch brauchen könne, so Sereda. Außerdem war klar gewesen, dass es sich dabei um kein aktuelles Interview handelte. Sollte das stimmen, die Redaktion also in die Arbeitsweise eingeweiht gewesen sein, muss sich der Kurier selbst weitere Fragen gefallen lassen. Dieser Darstellung widersprach übrigens bereits gestern Gebhart: Der Mailverkehr würde belegen, dass nie auch nur der Anschein erweckt worden war, dass es sich um kein aktuelles Interview handeln würde. Es steht Aussage gegen Aussage.

Das Zustandekommen des Interviews erklärte Sereda dann wie folgt: Sie war in ihrer Karriere an 14 „Round Tables“ mit Clint Eastwood zugegen gewesen (zuvor war noch die Rede von 18 gewesen), das letzte, persönliche Interview mit ihm fand aber vor der Pandemie, also vor 2020 statt. Sie stellte es im ORF so dar, als wäre es völlig normal, in einem als Interview gekennzeichneten Artikel unterschiedliche Passagen aus unterschiedlichen, alten Interviews zu verwenden und nach Lust und Laune zusammenzubasteln. Dazu muss klar gesagt werden: Nein, ist es nicht. Wenn es sich um ein „Best of“ verschiedener Gespräche handelt – wer auch immer auf die Idee kommt, so etwas zu machen – muss das klar gekennzeichnet werden. Auch sollten die Daten der jeweils verwendeten Gespräche angegeben werden.

Eastwood-Interview: Ein „Best Of“ alter Gespräche?

Dass die Journalistin das Problem in ihrer Aussage nicht zu verstehen scheint, ist verstörend. Interviews – egal ob mit lokalen Größen oder Hollywood-Stars – laufen in der Regel so ab: Es wird ein Termin mit dem Management vereinbart. Dann spricht man mit der Person, real oder via Zoom-Call, das Gespräch wird aufgezeichnet und danach transkribiert. Zwecks Leserlichkeit wird der Inhalt oft noch gekürzt und editiert. Und dann wird das Interview in der Form, in der es veröffentlicht werden soll, an das Management oder den/die Interviewten zur Kontrolle übergeben. Erst wenn es von dieser Seite das OK gibt, kann der Artikel erscheinen. All das gab es in diesem Fall ganz offensichtlich nicht.

Elisabeth Sereda verweist in ihrem Statement gleich mehrfach auf Round Table-Interviews, bei denen mehrere Journalisten anwesend sind. Gerade bei großen Stars gibt es das tatsächlich, internationale Journalisten diverser Medien werden eingeladen, dürfen Fragen stellen, am Ende gibt es eine allgemeine Abschrift, die von allen Anwesenden verwendet werden darf. Seredas Argumentation ist, dass sie ihr „Interview“ aus vergangenen Round Table-Gesprächen gebaut hätte. Wie bereits erwähnt verweist der Kurier-Artikel, der inzwischen offline genommen wurde, aber an keiner Stelle darauf. Es wird der Anschein erweckt, dass es sich um ein neues Interview handelt, das kürzlich geführt wurde. Eastwood selbst wird sich nicht aus Jux und Tollerei dazu bemüßigt gefühlt haben, das klarzustellen.

Schlampiger Journalismus, im besten Fall

Im besten Fall ist die Causa – und die wenig befriedende Rechtfertigung der Autorin – ein Beispiel für extrem schlampigen Journalismus. Im schlimmsten Fall ist Seredas Statement ein Versuch der Schadensbegrenzung, der auf weiteren Unwahrheiten gründet. Denn eine Frage bleibt bei der Argumentationslinie „Round Table“ ungeklärt: Im Kurier-Interview spricht der fiktive Interviewpartner Clint Eastwood davon, an einem neuen Film zu arbeiten, der nach „Juror #2“ erscheinen solle. Dieser war in den USA Ende 2024 erschienen, bei uns Anfang 2025. Wenn Sereda nun meint, ihr „Interview“ aus Versatzstücken alter Interviews gebaut zu haben, die – laut eigener Aussage – allesamt VOR 2020 stattfanden, woher hat sie dann die vermeintliche Info über einen neuen Eastwood-Film, der 2025 oder 2026 erscheinen soll? (Beitrag am 5.6. 10:30 upgedatet)

Wer ist die Eastwood-Interviewerin Elisabeth Sereda?

Eastwood-Interview im Kurier: Alles frei erfunden