„Der Hochstapler – Roofman“ erzählt die unglaubliche und wahre Geschichte von Jeffrey Manchester, einem US-Veteranen, der McDonalds-Filialen durch Löcher im Dach ausraubte und sogar 6 Monate unentdeckt in einem einem Toys “R“ Us lebte. Gespielt wird Manchester von Channing Tatum, kürzlich feierte der Film beim Internationalen Filmfestival Mannheim Heidelberg (IFFMH) seine Deutschland-Premiere. Am 27.11.2025 läuft „Roofman“ regulär im Kino an.
Kritik von Pascal Ehrlich
Nach seiner Entlassung aus der Army kommt Jeffrey Manchester (Tatum) auf die schiefe Bahn: Er raubt McDonalds-Filialen aus, um seine Familie zu ernähren – und wird schließlich geschnappt. Kaum im Kittchen bastelt er an seinem Ausbruch: Der gelingt und Manchester findet sein Versteck in einem Toys „R“ Us. Er überlebt dort monatelang unentdeckt und plant seinen nächsten Coup. Als Jeffrey sich jedoch in die geschiedene Mutter Leigh (Kirsten Dunst) verliebt, droht sein Doppelleben aufzufliegen. Ein fesselndes Katz-und-Maus-Spiel beginnt, während Jeffreys Vergangenheit ihn einholt.
„Der Hochstapler – Roofman“: Zwischen sozialer Analyse und sentimentaler Versöhnung
Es gibt in Derek Cianfrances Filmen ein wiederkehrendes Motiv mit den sozialen und materiellen Bedingungen der ProtagonistInnen: Seine Figuren scheitern nicht nur an charakterlichen Defiziten, sondern an äußeren Zwängen – die unbezahlten Rechnungen in „Blue Valentine“, der Überfall aus finanzieller Not in „The Place Beyond the Pines“.
In „Der Hochstapler – Roofman“, seinem ersten Film nach acht Jahren, kehrt Cianfrance zu diesem Motiv zurück. Doch wo in seinen früheren Filmen die ökonomischen Determinismen unausweichlich scheinen, verliert sich „Roofman“ in einer merkwürdigen Unschärfe zwischen sozialer Analyse und sentimentaler Versöhnung.
Das Toys “R“ Us – eine Kathedrale des spätkapitalistischen Konsumismus – hätte zum perfekten „anderen Raum“ werden können. Ein Geschäft, das nachts zum Zuhause des Protagonisten wird, dessen kommerzielle Register durch die bloße Anwesenheit eines Eindringlings umcodiert werden: Hier liegt ein kinematisches Potenzial, das „Roofman“ jedoch in klischeehaften Montagesequenzen verpuffen lässt.

„Roofman“ verschenkt sein kinematisches Potenzial
Channing Tatum radelt durch die Gänge, schläft zwischen Plüschtieren, ernährt sich von Babynahrung – all das bleibt oberflächlich bebildert, ohne dass die räumliche sowie gesellschaftliche Transgression wirklich durchdacht würden. Man verliert jegliche Orientierung im Raum; die Topografie des Geschäfts, seine Zonen und Grenzen, bleiben nebulös. Cianfrance, der sonst präzise in der Inszenierung von Arbeitsplätzen und Wohnräumen ist, versagt hier an der fundamentalen Aufgabe, den Raum als dramaturgisches Element zu etablieren.
Diese räumliche Desorientierung korrespondiert paradoxerweise mit der ästhetischen Strategie von „Der Hochstapler“: Kameramann Andrij Parekh, der bereits bei „Blue Valentine“ mit Cianfrance kollaborierte, arbeitet konsequent mit der Handkamera und auf 35mm-Film. Die körnige Textur des analogen Materials und die unruhige, oft taumelnde Kameraführung suggerieren eine dokumentarische Unmittelbarkeit, die jedoch in eigenartigem Widerspruch zur thematischen Unentschiedenheit des Films steht.
Cianfrances charakteristische Ästhetik, eine Verknüpfung vom Stil Verité und melodramatischer Intensität, funktionierte in „Blue Valentine“ deshalb so eindrucksvoll, weil Form und Inhalt eine divergierende Einheit bildeten. In „Roofman“ jedoch wird diese dokumentarische Ästhetik zur bloßen Stilübung. Die Handkamera folgt Jeffrey durch die fluoreszierend beleuchteten Gänge des Spielwarengeschäfts, aber anstatt die Entfremdung dieses künstlichen Raums zu artikulieren, entsteht sogar eine gewisse Romantisierung seiner prekären Existenz.
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Widersprüche in der zentralen Aussage
„Der Hochstapler – Roofman“ kann man euch eine ideologische Unentschiedenheit attestieren, die besonders im dritten Akt problematisch wird: Jeffrey ist zunächst eindeutig als Produkt seiner materiellen Umstände gezeichnet: Der Veteran ohne Perspektive, der zum Kleinkriminellen wird, nicht aus moralischer Verkommenheit, sondern aus Not. Doch je mehr sich der Film seiner romantischen Subplot mit Kirsten Dunsts alleinerziehender Mutter zuwendet, desto stärker kippt diese Analyse in eine problematische Moralisierung.
Der Film scheint zu suggerieren, dass Jeffreys wahres Problem nicht die ökonomische Prekarität ist, sondern ein Mangel an authentischen zwischenmenschlichen Beziehungen. Nun kann beides zutreffen – doch „Roofman“ hatte zuvor eine andere Aussage getroffen. Die Lösung liegt dann plötzlich nicht mehr in materieller Sicherheit, sondern in der bürgerlichen Kleinfamilie als Erlösungsversprechen.
Diese Wendung ist umso irritierender, als der Film zuvor durchaus scharfsinnig die Perversität des amerikanischen Konsumkapitalismus ausgestellt hatte – Jeffrey, der zwischen tausenden unbezahlbaren Spielzeugen lebt, während draußen Familien sich für Weihnachtsgeschenke verschulden.
Fazit
Es ist vor Allem der ungelöste Widerspruch zwischen materialistischer Analyse und sentimentaler Auflösung, der „Der Hochstapler – Roofman“ zu einem frustrierenden Seherlebnis macht. Regisseur Cianfrance will offenbar beides: Den sozialkritischen Film über ökonomische Gewalt und die herzerwärmende Geschichte über einen Mann, der lernt, dass Geld nicht alles ist. Doch anstatt diese Spannung produktiv zu machen – etwa indem er zeigt, wie materielle Sicherheit die Voraussetzung für emotionale Bindungen sein kann –, lässt er beide Stränge nebeneinander herlaufen.
Bewertung
(62/100)
Der Film wurde im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Mannheim Heidelberg (IFFMH) gesehen (weitere Infos).
Am 27.11.2025 läuft „Der Hochstapler – Roofman“ regulär in den Kinos an.
Weitere Infos & Bewertungen: Roofman – IMDb | Roofman – Rotten Tomatoes
Bilder: Titelbild (c) LEONINE Studios
Textbilder: Paramount Pictures
