Es gibt heutzutage beileibe prominentere Themen als das Pontifikat von Benedikt XVI., insbesondere dann, wenn man als Filmemacher das Publikum dazu bewegen will, ins Kino zu gehen (oder auf den „Play“-Button zu drücken). Fernando Meirelles, den brasilianischen Regisseur von „City of God“, schien das wenig gejuckt zu haben, denn in seinem neuesten Werk „Die zwei Päpste“ („The Two Popes“) widmet er sich ebendem. Anthony Hopkins und vor allem Jonathan Pryce brillieren als Papst Benedikt und (zukünftiger) Papst Franziskus in einem etwas zu langen und mit Information vollgepackten, aber nicht minder sehenswerten Film, der ab Ende dieser Woche in ausgewählten Kinos und ab 20.12. auf Netflix zu sehen ist.

von Christian Klosz

Meirelles beginnt seine Geschichte im Jahr 2005 mit der Wahl Josef Ratzingers zu Papst Benedikt, nachdem der Stuhl Petri durch den Tod seines Vorgängers leer geworden war. Weder die Wahl, noch die Wirkungszeit des neuen Papstes war unumstritten, galt er doch zwar weithin als kluger Kopf und brillanter Theologe, aber auch als erzkonservativ und zu dogmatisch, um die katholische Kirche in „neue Zeiten“ zu führen.

Im Jahr 2012, Benedikt ist bereits von gesundheitlichen Problemen gezeichnet, fliegen diverse interne Skandale auf, von korrupten Vorgängen in der Vatikan-Bank bis hin zu ungeklärten oder ohne Konsequenzen bleibenden Missbrauchsfällen: Der Papst ist amtsmüde, und lädt einen seiner schärfsten Kritiker, Kardinal Jorge Bergoglio aus Argentinien, nach Rom in die heilige Stadt. Er will sich seinen möglichen Nachfolger aus nächster Nähe betrachten. Der wiederrum hat ganz anderes im Sinn, er folgt dem Ruf nach Rom nur, um sich vom Papst endlich sein Rücktrittsgesuch als Kardinal unterzeichnen zu lassen, denn Bergoglio will ab nun auch kürzer treten und sich seinen Schäfchen fortan nur noch als einfacher Priester widmen.

Benedikt lässt seine wahre Intention lange im Dunklen, fordert stattdessen den aufgeweckten Argentinier zu intellektuellen und theologischen Diskussionen heraus, um ihn und dessen Motive besser kennen zu lernen. Als er Bergoglio schließlich eröffnet, dass er vorhat, als erster Papst seit über 700 Jahren zurükzutreten – gleichbedeutend mit der Wahrscheinlichkeit, dass Bergoglio zu seinem Nachfolger gewählt wird – ist dieser zuerst geschockt, beginnt aber dann langsam, sich auf seine möglche neue Rolle als Kirchenvater vorzubereiten.

Wer jetzt schon gelangweilt ist, sollte dennoch einen Blick auf „Die zwei Päpste“ werfen. Denn der trockene Stoff wurde durchaus flott und sehr humorvoll in Szene gesetzt. Das Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert ausgezeichnet: Während Anthony Hopkins seine rigide Strenge nur hier und da durch wohldosierte Ironie bricht, geht Jonathan Pryce in seiner Rolle als herzensguter und lebensfroher Jorge Bergoglio voll und ganz auf. Der Kardinal, der Pizza, Fußball und den Tango liebt ist das exakte Gegenteil des intellektuellen Gelehrten Papst Benedikt. Verblüffend ist auch die optische Ähnlichkeit der beiden Darsteller mit ihren realen Vorbildern: Vor allem in Fall von Jonathan Pryce hat man nicht selten das Gefühl, tatsächlich Papst Franziskus vor sich zu sehen.

Im Kern ist „Die zwei Päpste“ ein Kammerspiel auf hohem schauspielerischen Niveau, das von den beiden Hauptdarstellern getragen wird. Trotz einer akzeptablen Laufzeit von knapp über 2 Stunden hat man dennoch ab und an das Gefühl, dass die eine oder andere Szene entbehrlich gewesen wäre. Das hat vielleicht auch mit der hohen Dichte zu tun, und damit, dass Meirelles ab dem Mittelteil immer wieder auf lange Rückblenden zurückgreift, um den Background von Jorge Bergoglio genauer zu beleuchten. Das ist aus dramaturgischer Sicht zwar nachvollziehbar, diese Flashback sind teilweise aber einfach zu lang geworden, und unterbrechen eher den Fluss des Plots, als dass sie ihn unterstützen würden. Hier hätte man sicher auf das eine oder andere Detail verzichten können, da die Motive der beiden Protagonisten auch so hinlänglich klar sind.

Neben der gelungenen Charakterstudie zweier sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten bietet der Film aber auch interessante Einblicke in das Leben im Vatikan, das Leben als Papst, und rezente theologische Diskussionen: Der Reformer Bergoglio steht für einen Weg der Öffnung und der Toleranz, für eine auch gesellschaftspolitisch engagierte Kirche, die sich niemals von den Menschen abwenden darf, während Benedikt, der Purist, sich als „Bewahrer der reinen Lehre“ sieht, der die katholische Kirche gegen die Zumutungen der (Post-)Moderne verteidigen muss. Umso interessanter, dass diese beiden doch so unterschiedlichen Charaktere am Ende – und das legt zumindest der Film nahe – einen common ground finden, ein gegenseitiges Verständnis und eine tragfähige Übereinkunft.

Fazit

Neben einigen dramaturgischen Schwächen ein gelungenes, überraschend humorvolles Kammerspiel, das die beiden sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten Papst Benedikt und Jorge Bergoglio, der später Papst Franziskus werden sollte, gegenüberstellt. Großes Schauspielkino auf hohem Niveau, bei dem Jonathan Pryce knapp die Nase vorne hat, und sich für eine Oscar-Nominierung empfiehlt. Auch sehenswert für all jene, die mit der katholischen Kirche an sich nichts am Hut haben.

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: Netflix