Bereits 2007 gab es die ersten Bemühungen, den „unsichtbaren Mann“ erneut für die Kinoleinwand aus dem Ruhestand zu holen. Das Projekt, welches sich David S. Goyer als Drehbuchautor sichern konnte, verlief aber 2011 schließlich zur Gänze im Sand. Das rief 2016 Universal auf den Plan, denn in deren Konzept eines „Dark Universe“ in dem sich die klassischen Monster der Filmgeschichte allesamt endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen sollten, durfte der Charakter natürlich nicht fehlen.

von Mara Hollenstein-Tirk

Leider sollte aus dem ambitionierten Vorhaben nichts werden, die zwei Auftaktfilme, „Dracula Untold“ und vor allem „Die Mumie“ mit Tom Cruise performten nämlich deutlich unter der Erwartungen. Was macht man als großes Studio also, wenn die Hoffnungen auf den großen Geldsegen plötzlich flöten gehen? Genau, man holt sich mit Blumhouse eine Produktionsfirma mit ins Boot, die in den letzten Jahren mit Filmen wie „Get Out“ einiges Ansehen unter den zahlreichen Horrorfans gewinnen konnte, und vermarktet das Ganze einfach als moderne Interpretation der gleichnamigen Geschichte von H.G. Wells im ambitionierten Gruselgewand. Und dass der viel kommentierte, immer größeren Unmut unter Filmenthusiasten hervorrufende Remake- und Rebootwahn von Zeit zu Zeit auch durchaus gelungene Filme hervorbringen kann, beweisen die Verantwortlichen hier auf eindrucksvolle Weise.

Dabei bewegt sich die Geschichte zwar innerhalb der bekannten Gewässer, die Prämisse des Wissenschaftlers, der es irgendwie schafft, sich unsichtbar zu machen, kann man dann halt doch nicht umgehen, allerdings wird die Ausgangslage um eine Prise „häusliche Gewalt“ und einen Schuss „mindfuck“ ergänzt. Da ist es dann schon beinahe nebensächlich, dass die Protagonistin aus Gründen der Dramaturgie nicht immer dem Klischee der Irrationalität entkommt, zum Beispiel wenn sie, ohne sich vorher zu bewaffnen, auf eigene Faust den Dachboden erkundet. Denn im Großen und Ganzen gelingt es dem Drehbuchautor tatsächlich hevorragend, auf das leider viel zu beliebte Stilmittel des „unfähigen Opfers“ zu verzichten.

Ein weiteres Stilmittel, auf das größtenteils verzichtet wurde, sind billig platzierte oder gar ins Nichts führende Jump Scares. Springt man als Zuschauer dennoch einmal vor Schreck aus seinem Kinositz, rührt das meistens von atmosphärisch dichten und gelungen aufgebauten Szenen. Wie bei solchen Mischungen aus Psychothriller und Horror mit starker Fokussierung auf eine einzige Person üblich, steht und fällt der Film natürlich mit seiner Hauptfigur. Zum Glück legt Elisabeth Moss, den meisten wahrscheinlich aus der Erfolgsserie „The Handmaid’s Tale“ bekannt, eine wirklich eindrucksvolle Performance hin, die einem noch lange Zeit im Gedächtnis bleibt, und nach deren Betrachtung man sich wieder einmal zu fragen beginnt, wieso eigentlich so selten Darsteller in Horrorfilmen für ihre Leistungen mit einer Oscarnominierung belohnt werden – immerhin wurde dieses Jahr bereits Florence Pugh für ihre Performance in „Midsommar“ und im Jahr davor Toni Collette für ihr Ausnahmedarbietung in „Hereditary“ vollkommen von der Academy übergangen.

Doch auch wenn Moss eindeutig diejenige ist, die den Film auf ihren Schultern trägt, überrascht es ein wenig, dass Oliver Jackson-Cohen als titelgebender Unsichtbarer, trotz der wenigen Momente, in denen er tatsächlich auf der Leinwand zu sehen ist, nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Das mag auch daran liegen, dass man als Zuschauer, dank raffiniert gewählter Kameraeinstellungen und -fahrten, die Präsenz des im Verborgenen lauernden Schurken stets zu spüren bekommt.

Fazit

Alles in allem bietet „Der Unsichtbare“ ein wahres Freudenfest für Liebhaber des gekonnt inszenierten Gruselns, denn auch wenn das Drehbuch größtenteils auf ausgetretenen Pfaden wandelt und sich altbewährter Techniken nicht wirklich verschließen kann, erwartet einen hier ein packendes Katz- und Mausspiel, das nicht auf billige Effekthascherei, sondern auf eine schaurige Atmosphäre und das Können seiner Darsteller setzt.   

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: UPI