Wie berichtet veröffentlicht Netflix am 16.10. das Gerichtsdrama “The trial of the Chicago 7” von Aaron Sorkin. Bereits am 2.10. bringt der Verleih Filmladen den Film limitiert auf Österreichs Kinoleinwände (Votivkino). Im folgenden erste Impressionen, eine Kurzkritik und was zu erwarten ist. Die ausführliche Kritik folgt zum Netflix-Start.
von Christian Klosz
Sorkin, seit jeher bekannt für seine inhaltlich dichten Filme, kehrt mit “Chicago 7” in den Gerichtssaal zurück, der Ort, der ihn als Drehbuchautor von “Eine Frage der Ehre” berühmt gemacht hatte. Grob geht es um ein detailliertes Zeitdokument, um eine filmische Rekonstruktion der Unruhen in den USA in Chicago anno 1968, als Protestierende gegen den Vietnam-Krieg mit der Polizei zusammenstießen. Sorkin, hier nach dem gelungenen Debüt “Molly’s Game” zum zweiten Mal selbst auch am Regiestuhl, macht daraus aber einen zeitgenössischen Kommentar zur politischen Lage der USA – und zur Zerplitterung der Liberalen/Linken, zur Meditation darüber, ob und unter welchen Umständen Gewalt eine Lösung ist, sein kann oder darf, auf herrschende Missstände aufmerksam zu machen: Gerade in Zeiten einer extremen Polarisierung in den Vereinigten Staaten und von Black Lives Matter-Protesten, Polizeigewalt und Plünderungen höchst relevant.
“Chicago 7” beginnt geradezu Sorkin-typisch mit einem Stakkato von Bildern, Schnitten und Aussagen und ist über die gesamte Laufzeit gewohnt Text-zentriert. Der Regisseur beleuchtet, seziert, forscht mit dem cineastischen Mikroskop, untersucht immer wieder den Funken, den Moment, in dem friedlicher Protest in Gewalt umkippt, in dem zivilisatorische Pflicht in Barbarei umschlägt – und zwar sowohl aufseiten der Demonstranten, als auch auf Seiten der Polizei. Er gibt keine klaren oder einfachen Antwort, zeigt, dass Motive vielfältig sind, nicht alles schwarz-weiß ist und erweist schon allein deshalb der Sache einen Dienst. Der finale Rückgriff auf ur-amerikanischen Pathos als einendes Element ist ebenfalls nicht neu für Sorkin, wirkt aber hier angesichts der aktuellen Lage in den USA, von der “The trial of the Chicago 7” trotz historischer Verortung vor allem handelt, deplatziert und utopistisch. Dennoch ein starker und unverzichtbarer Film, der trotz bemühtem Optimismus lange und schwer im Magen liegen bleibt.
Bewertung:
(89/100)
Bild: (c) Netflix