Amazon hat sich selbst neue Regeln gegeben, nach denen zukünftig Filme der Amazon Studios besetzt werden: Neue Inklusions-Richtlinien sollen bestimmen, welche Rollen wie und von wem gespielt werden dürfen. Es geht dem zum Filmproduzenten gewordenen Versandhaus laut Eigenaussage um “Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit der Erzeugnisse und Inhalte”. So wird nicht nur die Besetzung künftiger Filme vor und hinter der Kamera nach genauen Geschlechter- und Herkunftsquoten festgelegt, sondern auch das Verhältnis zwischen den Schauspielern und ihren Rollen. “Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.”
Wie das in der Praxis aussehen soll, darüber hat man sich offenbar wenig Gedanken gemacht, denn solche rigiden Regelungen implizieren dreierlei: Zum einen delegitimiert man damit so gut wie die gesamte Filmgeschichte und ihre Erzeugnisse bis vor wenigen Jahren. Filme wie “Brokeback Mountain”, “Schindlers Liste”, “Forrest Gump”, “Rainman”, “Der Pate” oder “Dallas Buyers Club” wären nicht mehr möglich, um nur einige Beispiele zu nennen. Dass die Kunstform “Schau-SPIEL” heißt, wurde offenbar nicht bedacht.
Frage 2, die sich stellt: Wie will man nach den neuen Richtlinien dunkle Aspekte menschlicher Existenz oder Geschichte darstellen? Wer etwa soll in Zukunft “arische” Nazis in Weltkriegsdramen darstellen? Oder: Dürfen in Hinkunft nur mehr offen pädophile Darsteller pädophile Figuren spielen?
Drittens widerspricht Amazon mit der wohl gut gemeinten, aber schlecht bis gar nicht duchdachten neuen Politik einem Zugang namens “colorblind casting”, der im Grunde das genaue Gegenteil von den neuen Richtlinien will: Nämlich Casting-Entscheidungen völlig unabhängig von Hautfarbe, Herkunft etc. der Darsteller. Ob es klug ist, in Historiendramen etwa mitteleuropäische Adelige von schwarzen Darstellern spielen zu lassen, ist eine andere Frage – das aber jedenfalls würde es bei Amazon in Zukunft nicht mehr geben können.
Wie man sich die Umsetzung der neuen Richtlinien in der Praxis vorstellt, bleibt also eine Geheimnis. Ebenso, welche Regisseure und Regisseurinnen sich auf Dauer in dieses enge Korsett pressen lassen wollen, das ihnen große Teile ihrer künstlerischen Freiheit und Autonomie nimmt. Und offen bleibt auch, ob und wie Schauspieler und Schauspielerinnen darauf reagieren werden. Ihre Kunst besteht schließlich darin, in die “Haut von anderen” zu schlüpfen und diese fiktiven Figuren kreativ mit Leben zu füllen. (ck)
Weiterlesen: Das Problem mit den “woken” Filmen – Kommentar zur aktuellen Debatte (PREMIUM)
Folgende 2 externe Artikel erörtern die Diskussion auch ausführlicher – Artikel in der Zeit, Artikel im Blog Nachdenkseiten
Bald kann man nur noch ältere Filme und Dokus sehen. Selbst in Naturdokus wird in letzter Zeit problematisiert und erzogen. Auf Dauer wird man sich vom Hobby “Film” wohl verabschieden müssen.
Ich mache mir derzeit zugegeben ähnliche Gedanken, wobei es bei mir persönlich nicht “nur” Hobby, sondern auch Beruf ist. Ich habe kürzlich entschieden, vornehmlich “ältere” Filme (bis ca. 2015) zu schauen und das aktuelle (US)-Filmgeschehen nur mehr am Rande mitzuverfolgen. Mir geht es sehr gut damit, hab einige kleine, tolle Filme entdeckt, die ich davor noch nicht kannte. Besteht Interesse von der Leserschaft, dass wir/ich auch darüber schreibe(n)? Auch wenn es im Moment düster aussieht, es gibt immer wieder und viel “Altes” zu entdecken, der Filmfundus ist beinahe unerschöpflich. /ck
“Ich habe kürzlich entschieden, vornehmlich „ältere“ Filme (bis ca. 2015) zu schauen und das aktuelle (US)-Filmgeschehen nur mehr am Rande mitzuverfolgen.”
So ist es bei mir inzwischen auch. Ich verstehe ja die Problematik, dass es weniger schwarze Rollen gibt, z. B. durch Geschichtsfilme. Aber es gab auch spannende euro-afikanische Menschen wie Joseph Bologne (Der schwarze Mozart) deren Geschichte man erzählen kann. Und dann gibt es Filme wie Tenet, bei denen es einfach egal ist.
Eine schwarze Anne Boleyn oder schwarzer, viktorianischer Adel wie in Bridgerton oder The Hollow Crown (Frühe Neuzeit) kann jedenfalls nichts des Rätsels Lösung sein und verschreckt mich als Zuschauerin.
Ich ziehe mich auch immer mehr aus der Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien wegen des Genders zurück. Heute erst brach ich deswegen den Corona-Virus-Podcast des NDR nach drei Minuten deswegen ab. Offenkundig ist man in der Medien-/Kulturszene der Ansicht, man könne nach Belieben die Konsumenten verprellen.
Wobei ich davon ausgehe, dass es in 10-20 Jahren ohnehin außerhalb von Theatern kaum noch Schauspieler geben wird, da alles am Computer gemacht. DIe Problematik, nach Quoten (Ein Latino, ein Homosexueller, eine Frau) “besetzen zu müssen” bliebe natürlich. Filme wie “Mädchen in Uniform” sind dann nicht mehr möglich.
Korrektur: The Hollow Crown spielt im Mittelalter.
Gott, was ist das denn für ein Schwachsinn? Da geht der Film, die Serie innerhalb von 5 Jahren komplett unter.
Na dann, ihr Nazis, Pädophile, Vergewaltiger und sonstige… besorgt euch schon mal Setcards. *grrrr
Bei Sachen wie Gump oder Rain Man wird es dann keine Oscars mehr geben. Denn wer sich selbst spielt, braucht für seine Darstellung keinen Oscar oder irgendeinen anderen Preis.
Immerhin haben Vergewaltiger, Mörder und Kidnapper eine neue Karriereoption nach dem Gefängnis und müssen nicht mehr straffällig werden.
Sehr makaber aber so wird es dann wohl werden…
“Sehr makaber aber so wird es dann wohl werden…”
Ja, aber denke mal an die vergewaltigeten Frauen, wenn sie das noch mal nachspielen müssen… . Und wie läuft das erst mit Ermordeten?
Jetzt kommt der Schwarze Humor 🙂
Ich führe Amazons Gedanken lediglich weiter.
Passt so 🙂
Das wird fürchterlich, wenn die das wirklich durchziehen wollen.
Es wird zur Zeit alles zerstört, Sport, Unterhaltung und Nachrichten. Beim Sport hat das große Rätselraten, warum niemand mehr zuschauen möchte ja schon eingesetzt.
Ja, da gebe ich dir Recht.
“Es wird zur Zeit alles zerstört, Sport, Unterhaltung und Nachrichten.” Bei Unterhaltung stimme ich großteils zu, bei “Nachrichten” bzw Medien teileise, beim Sport gar nicht. Ich hab die EM sehr gern geschaut, das war endlich wieder mal “Unterhaltung” und Wettkampf “alter Schule”, kam auch beim Publikum meinem Gefühl nach – v.a. nach Corona – sehr gut an. Und auch Olympia dzt. finde ich nicht schlecht. Sport beruht auf Messung und Fakten, der Beste gewinnt, Punkt. Da können sich irgendwelche fiktiven Spinnereien nie durchsetzen.
“Sport beruht auf Messung und Fakten, der Beste gewinnt, Punkt. Da können sich irgendwelche fiktiven Spinnereien nie durchsetzen.”
Als Mann kann man das so sehen, als Frau weniger. In dem Moment, in welchem Transfrauen die Konkurrenz ausstechen, weil sie biologische Vorteile haben, ist der Frauensport tot. https://www.stern.de/sport/olympia/olympia-2021/transfrau-laurel-hubbard-startet-als-gold-favoritin-im-gewichtheben-30639750.html
Dazu kommt die Politisierung des Sports durch angestrahlte Stadien, auch wenn der Münchner OB sich nicht durchsetzen konnte, haben das andere für ihn gemacht; Demos von Greenpeace und Kniefälle, als wenn dies irgendjemanden mit Migrationhintergund helfen würde. Und dieser überbordene Nationalismus bei der EM hat mir ohnehin Angst gemacht.
“bei „Nachrichten“ bzw Medien teileise”
Medien kann man ja noch konsumieren. Ich habe mich heute nach langer Zeit mal wieder an dem Zeit-Wissen-Podcast versucht, aber ich will das ganze Binnen-Innen nicht hören, weswegen ich schon Nano und Kulturzeit rausgekickt habe. Ich ziehe mich immer mehr zurück, früher war für mich der Zeitraum Nano-Kulturzeit-Nachrichten immer geblockt. Inzwischen sehe ich so absurde Sender wie Welt TV und Bild TV auf Youtube, weil ich da verschönt bleibe (und die wenigstens noch kritisch sind.)
Ich schrieb es schon einmal, selbst in Naturdokus, wo man eigentlich nur ein paar schöne Bilder sehen möchte, meinen die Journalisten mit Umweltproblemen ankommen zu müssen.
@Sport/Olympia: Ja, dieses Thema gibt es, aber es ist absolute Randerscheinung. Es sind zigtausende Sportler bei Olympia, hunderte Wettkämpfe, und diese Diskussion betrifft eine Person in einer Sportart. Ich bin mir sicher, dass das ganze Thema im Sport niemals die Relevanz kriegen kann oder wird, weil das von dir erwähnte Phänomen ein absolutes Randphänomen ist (Transsexualität). Es betrifft einen winzigen Bruchteil der Bevölkerung und kann im Sport, der einen Querschnitt der Bevölkerung darstellt, niemals die Bedeutung haben, wie in der Kunst- oder Unterhaltungswelt. Auch das Thema “Gleichberechtigung” nicht: Es gibt seit langem getrennte Wettkämpfe für Männer und Frauen, allein das widerspricht dem Credo, dass “Geschlecht” ja nur fiktiv wäre und nichts mit Biologie zu tun hätte. Dann soll man doch alle Wettkämpfe für alle öffnen, und die biologischen Fakten werden sich recht schnell manifestieren, nämlich dass Männer Frauen körperlich überlegen sind. Ob das dann ins Konzept der Gender-Fetischisten passt, ist eine andere Frage.
@Medien: Ich stimme dir teilweise zu. Ich finde das Gendern, v.a. in Nachrichtensendungen, auch affig. Aber die machen das ja v.a. aus Angst vor dem “Twitter-Mob”, und weil viele von den Journos dort auch aktiv sind, und Angst vor dem Vorwurf “sexistisch, reaktionär, rückständig” haben. Ist halt Bubble-Denken, dem Großteil der Bevölkerung und Zuschauer geht das auf die Nerven. Nur ohne Publikum kann auf Dauer keine Sendung, kein Medium, keine Branche überleben, und das wird sich halt irgendwann rächen. Für Verantwortliche im Medienbereich ist es auch eine schwierige Frage, wie man das handhabt, sehe ich ja selbst. Meine Meinung dazu ist relativ klar, ich hab den Luxus, das so machen zu können, wie ich will. Einige Kollegen sehen das etwas anders, ich kann ihnen schwer vorschreiben “du darfst nicht gendern”, wenn sie das für wichtig halten und die Arbeit inhaltlich OK ist. Wir machen das mit Kompromissen, dass es jeder so handhabt, wie er oder sie mag, unter einigen Einschränkungen, weil es immer noch meine Seite ist. Mittelweg, Toleranz, Vielfalt. Man muss es versuchen, mehr kann man nicht tun.
Böse, aber nicht unkorrekt. Ich frage mich manchmal echt, wie die US-Entscheidungsträger derart dumm, kurzsichtig und ignorant sein können…. /ck
Zum Abschluss: Es gibt in vielen Bereichen des Lebens limitierende Faktoren. Eine Fußballerin wird nie so viel verdienen wie ein Fußballer, weil dem Frauenfußball die Atlethik fehlt. Ich könnte nie Investmentbankerin werden, da ich nicht jeden Tag 16, 17 Stunden arbeiten kann, zur Juristin fehlt mir der Intellekt, Paketbotin werde ich nicht werden, weil ich kein 25 kg tragen kann und für Aldi und Lidl bin ich nicht flink genug. Da kann ich auch nicht wie ein trotziges Kind mit den Füßen aufstampfen und brüllen:”Strukturelle Ungerechtigkeit, ich will aber! Ich bin an diesen Limitierungen nicht schuld!”
Wenn ich als Schwarze möchte, dann muss ich meine Chancen darin abwägen und erkennen, dass es (in Europa) wenige schwarze Rollen gibt. Natürlich ist das ungerecht, aber das sind andere Limitierungen auch.
als Schwarze Schauspielerin werden möchte
Geistig Behinderte in der Filmproduktion, na das wird ein Spaß für die Filmcrew… . Erinnert sich noch jemand an den Schauspieler Bobby mit dem Down-Syndrom? Er hat auch nur ein paar Filme durchgehalten, dann wurde es laut Betreuern zu viel für ihn.
Das würde auf Dauer nie funktionieren.
Ja, schöne Beispiele, die das Ganze ab absurdum führen. Ich möchte ja gar nicht die Frage nach der Zukunft z.B. des MCU stellen, oder sind Downey Jr., Hemsworth, oder Ruffolo auch im wahren Leben Superhelden? Kann Henry Cavill fliegen? Schließlich muss auch nicht jeder VW-Mitarbeiter ein Getriebe auswechseln können…
Es ist eine der Geiseln unserer Zeit. Aus der Postmoderne entwickelte sich in den 90ern ein pseudowissenschaftliches Machtspiel an Universitäten: Der Umbau der Gesellschaft nach ausschließlich deren Regeln. Wer nicht mitmacht, ist Rassist, Sexist oder beides.
Diese linksidentitäre woke-Bewegung wird die Gesellschaft zerschlagen, samt Freiheit der Kunst, des Wortes, der Meinung. Amazon hat sich auf die falsche Seite gestellt. Experten vermuten, dieser Spuk wird in den nächsten fünf Jahren wieder verschwinden. Ich werde dann nachschauen, was noch existiert, um wieder eine lebendige, vielfältige Kultur mit aufzubauen – oder ob die Neorassisten alles verbrannt haben…
Düstere Prognose, allerdings wohl nicht völlig fern der Realität. Ich gehe auch davon aus, dass sich das überlebt. Zumindest in Europa gibt es immer mehr kritische Stimmen, auch aus dem liberalen Kunst/Kreativen-Umfeld. Da rächt es sich eben, dass die Amis eine sehr, sehr dünne intellektuelle Tradition haben und sich immer nur für sich selbst interessieren, andererseits wäre doch sehr leicht absehbar, dass diese Entwicklung inzwischen in die falsche Richtung geht, historische Vorbilder gibt es genug.
Wenn es die USA in 5 Jahren als Gesellschaft in der Form noch gibt, kommt der extreme Backlash – siehe Trump. Der war ja auch nichts anderes als die “Rache” der weißen, ländlichen Bevölkerung gegen “linke Eliten”, die ihnen seit Jahren sagen wollten, wie sie zu leben hätten. Nun nimmt das noch einmal ganz andere Dimensionen an, also wird der Backlash noch heftiger ausfallen. Wir können uns nur zurücklehnen und zuschauen, wie sich eine ehemalige Weltmacht selbst zugrunde richtet.
Global wird die “woke-Bewegung” also entweder verschwinden, oder auch hier einen Backlash auslösen, ob man das will, ist eine andere Frage. Darf ich dich fragen, welche “Experten” du damit meinst, also hast du konkrete Namen, Autoren etc. oder war das einfach eine allgemeine Aussage?
Was die USA betrifft, sehe ich auch dunkelschwarz, weil es dort eine sehr stark differierende Bevölkerungsstruktur gibt. Weil wenige Spinner (die ich als linksliberaler Mensch ungern, aber historisch notgedrungen dem linken Lager zurechnen muss) über das (an sich gute) Ziel hinausschießen, wird die intellektuell einfacher gestrickte Mehrheit – aufgestachelt durch neue Trumpeltiere – einen rechten Hetzer wählen.
Ich habe die ersten Ausläufer dieser Bewegung schon in den 90ern in den USA erlebt, als ich ein Autorencasting veranstaltete, um ein Drehbuch von mir zu bearbeiten. Da war eine sehr nette schwarze Autorin, die eine “weiß” angelegte Figur in eine “schwarze” verwandeln wollte, weil sie eine Art Sklave darstellte. Dabei war ja aus meiner Sicht der Pfiff, dass die Figur beeindruckender ist, wenn ein “Weißer” wie ein Sklave behandelt wird.
Das ist die USA. Aber auch in Europa ist die “woke-Bewegung” längst angekommen. Doch der Widerstand formiert sich bereits. In jüngster Zeit habe ich gute Bücher dazu gelesen: Z. B. Caroline Fourest “Generation beleidigt”, Judith Sevinc Basad “Schäm dich!”, Hamed Abdel-Samad “Schlacht der Identitäten” und Sahra Wagenknecht “Die Selbstgerechten”.
In diesen Bücher wird sehr klug die Lage analysiert und vor allem die Ursachen in einer Generation von “Wohlstandsverwahrlosten” (Judith Sevinc Basad) dargelegt. Aber auch Experten kommen zu Wort, die ein Ende dieser Entwicklung sehen, das wir durch entsprechende Gegenwehr beschleunigen können.
Am besten gelingt dies, wenn man ein vernünftiges Konzept zur Überwindung von Rassismus und Sexismus vorlegt. Mit wirklich wissenschaftlicher Grundlage. Denn der gesamte Bereich der selbsternannten “Social Justice Warriors” besteht aus einer Reihe von pseudowissenschaftlichen Kapiteln: “Gender Studies”, “Postcolonial Studies”, “Cultural Studies”, “Queer Studies”, “Fat Studies”, “Critical Race Theory”, “Critical Whiteness”, “White Privilege”, “White Fragility” und “Intersektionalität”.
Dabei sind die jeweils behandelten Probleme durchaus vorhanden und müssen gesellschaftlich aufgearbeitet werden. Aber diese angeblichen “Studies” sind eben keine im wissenschaftlichen Sinn, sondern ideologische Manifeste, die an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen und dadurch mehr Schäden als Gutes bewirken.
Vor allem eine zunehmende, tiefgreifende Spaltung der Gesellschaft. Regelrechte Hexenjagden werden veranstaltet, weil jemand in einem unbedachten Moment was Falsches sagte. Das erinnert mich systemisch an finsterste Zeiten in Deutschland. Das ist ein weites Feld, mit dem wir uns alle intensiv beschäftigen müssen, um das Schlimmste abzuwenden.
Leider wird gerade in Medien viel kritiklos übernommen, weil man in irgendeiner “Study” gelesen hat, dass das gut sei. Ich arbeite schon sehr lange in diesem Bereich und überblicke so einige Jahrzehnte der Entwicklung. Mich graust es vor dem, was gerade geschieht. Andere in meiner Umgebung resignieren regelrecht. Doch ich atme noch und kämpfe für freien Atem…
Für die USA sehe ich auch schwarz, in Europa sehe ich (noch) Hoffnung, da eben auch in linken/liberalen Milieus das Bewusstsein wächst, dass das so nicht weitergehen kann. Andere fügen sich dem woken Zeitgeist wiederum völlig unreflektiert, mitunter auch alte, ehrwürdige Institutionen hierzulande (in Ö), was mich teilweise wirklich erschreckt. Resignation merke ich auch, weil es eine Art Ohnmacht zu sein scheint, die sich breit macht, weil die Wokisten, politisch Korrekten usw. ja an sich aus der “richtigen” Ecke kommen, das “Gute” wollen – oder diese Absicht immerhin vor sich hertragen – und wer sich dagegen stellt, wenn auch differenziert, ist der “Böse”. Das ist ja gerade das Perfide an diesen Ideologien. Da knicken viele ein. Oder geben auf.
Ich beschäftige mich auch intensiv damit, wie ich oder wir als Medium damit umgehen sollen. Für mich persönlich hab ich die Entscheidung getroffen, den aktuelle US-Film nur mehr am Rande zu zu verfolgen und mich hauptsächlich älteren Filmen zu widmen, die nicht identitätspolitisch verseucht sind. Prinzip Renaissance quasi. Rückbesinnung auf eine Zeit, wo das alles irgendwie besser geklappt hat. Oder eben europäisches Kino.
Mit Konzepten, wie man Rassismus usw überwinden möchte, will ich mich nicht befassen, weil ich nicht sehe, dass das die Aufgabe der (Film)Kunst wäre, oder jener, die darüber schreiben oder sie vermitteln. Mmn. ist der “politische Film” eine mögliche, legitime Spielart, aber eine von vielen. Und für mich persönlich die, die mich am allerwenigsten interessiert. Indem man Film nur mehr und hauptsächlich auf die politische Dimension reduziert, leiden darunter logischerweise ästhetische, stilistische, dramaturgische oder inszenatorische Aspekte – wie im rezenten US-Kino auch an allen Ecken und Enden zu sehen ist. Alles wird gleichförmig, eindimensional, langweilig, die Kunst an sich und deren Qualität leidet. Und darum geht es mir als Filmkritiker in erster Linie: Um gute Kunst, die dazu in der Lage ist, zu berühren, erschüttern, bewegen, Gedanken anzuregen und durch seine künstlerische Kraft die Macht hat, Leben zu verändern. Aber auf individueller Ebene und durch Darstellung des “Wahren, Schönen”, und nicht durch eine Agenda, die mit Zwang vermittelt werden will.
Frage: Möchtest du – aus deiner Sicht und mit deiner (beruflichen) Erfahrung, auch in den USA – einen Gastbeitrag zu dem Thema für uns schreiben? Gerne können auch die oben formulierten Gedanken verwendet werden, müsste eben nur in eine etwas andere, passende Form gebracht werden. Ich finde sie sehr interessant und wichtig. /ck
Dein Text hätte 1 : 1 von mir sein können. Ich sehe das ganz genauso. Mein Filmarchiv beginnt ca. 1902 und endet mit wenigen Ausnahmen 2005.
Gesellschaftspolitik darf schon in Filme einfließen, aber unterschwellig, wie dies gerade bei großen Regisseuren immer geschieht. Filme zur politischen Agitation lehne ich auch ab, weil sie den Zweck des Mediums verfehlen. Das darf man gerne in Dokus machen.
Was mich betrifft: Zurzeit wird eine Dokumentation über mich fürs Kino und später Fernsehen produziert. Daher halte ich mich im Augenblick etwas bedeckt mit zu vielen Beiträgen von mir zu meinem Schaffen. Das wird ein Knaller, weil wir in die Abgründe steigen, die für einige Schieflagen der deutschen Medienlandschaft verantwortlich sind. Ich will hier nicht zu früh “auspacken”, weil sonst die Produktionsfirma (evtl.) sauer ist, die das aufwändig produziert.
Ich schätze, dass wir Ende des Jahres aus dem Gröbsten heraus sind, dann kann ich in Absprache etwas mehr aus dem Nähkästchen plaudern. Und das werde ich dann sehr gerne machen, auch gerne hier. Aber mehr verrate ich nicht, weil sonst alle vor Neugier platzen.
Doch unabhängig davon engagiere ich mich weiterhin für einen gesunden Umgang miteinander und für Aufklärung in Sachen “woke-Bewegung”. Ich sehe auch in den USA noch nicht alle Felle wegschwimmen, es wird aber leider noch einmal ein Rechtsruck geben, der bei den knappen Mehrheitsverhältnissen wieder einen Trump aus der Toilette nach oben spült. Aber da müssen die durch oder sie ändern ihr Wahlsystem.
Was mich als Mensch der Sprache wirklich umtreibt, ist die sogenannte “geschlechtersensible” (in Wahrheit sexistische) Sprache. Elke Heidenreich hat das kürzlich mal treffend als “Sprachverhunzung” bezeichnet. Dabei ist das akustische Desaster nicht mein Hauptangriffspunkt. Viele der Konstruktionen sind schlicht falsch. Z. B. (ich fasse mich kurz) die Verwendung von Partizip I: Damit kann man aus einem reisenden Menschen einen Reisenden machen. Aber nur, solange er reist. Bei “Studierender” hört der Spaß auf, außer er studiert gerade aktiv. In seiner Freizeit ist er Student.
Nächster Punkt: Warum schreibe ich nicht Student oder Studentin? Weil das generische Maskulinum ein neutraler Grundbegriff ist. Fällt niemandem auf, dass es nur eine weibliche Endung gibt? Das Suffix “-in”. Ich nenne eine Reihe von neutralen Grundbegriffen, die gar keine einheitliche Endung haben, also weder eine weibliche, noch eine männliche: Arzt, Doktor, Archäologe, Chirurg, Dompteur, Polizist, Politiker, Koch, Anwalt, Astronaut, König, Chemikant, Therapeut, Bundeskanzler oder eben Student.
Alle diese Berufsbezeichnungen werden erst durch das sexistische Suffix “-in” zu einem “Frauenberuf” (was auch immer das in Zeiten der Gleichberechtigung ist). D. h. mit “-in” rücken wir die Form des Genitals in den Mittelpunkt der Bezeichnung eines Menschen, wo doch nach moderner Auffassung lediglich dessen berufliche Qualifikation dort stehen sollte. Wer also den rein sexuellen Unterschied sogar besonders betont (durch einen Gender-* oder andere Maßnahmen), ist im Sinne der Definition sexistisch (= geschlechterdiskriminierend und nicht inkludierend, wie behauptet).
Dies nur zwei Beispiele, ich ich gerne vermehren kann, wie eine falsche Ideologie zu falschen Sprachformen führt, sie sogar dem eigentlich guten Ziel (Inklusion) zuwiderlaufen. Ich verzichte heute im täglichen Sprachgebrauch völlig auf das sexistische -in und fahre – vor allem bei Frauen – gut damit. Ich schreibe gerade eine TV-Serie, bei der ich komplett auf das Suffix verzichte. Bei Testlesern kam das bisher gut an, manchen ist es nicht mal aufgefallen. Wobei man das -in gerne weiterhin verwenden darf, aber ich bin gegen dieses Herausstellen durch einen stimmlosen glottalen Plosiv.
Ehe das ausufert, breche ich hier ab. Das sind leider Themen, zu denen ich Vorträge halten könnte. Sprache ist einfach ein Themenfeld, das mich unmittelbar betrifft als Autor, ähnlich wie Elke Heidenreich. Aber auch im Kino werde ich aufpassen und Kinoverhunzer werden es mit mir zu tun kriegen. Freundlich, sachlich, aber auch konsequent…
Konnte leider nicht direkt auf deinen Beitrag antworten, also hier… Zur Sprache: Schwieriges Thema. So radikal anti wie du sehe ich das da nicht, wobei das Argument “Sprachverhunzung” schon etwas für sich hat. Mir persönlich ist relativ egal, wie das jemand handhabt mit dem Gendern, solange mir auch meine Freiheit gegeben wird, das so zu handhaben, wie ich möchte. Texte, die auf konsequente Gender-* setzen, lese ich nicht, weil ich das unlesbar finde, auch diese Freitheit habe ich, darum wird man bei uns auf der Seite auch keine * finden, weil ich als CR am Ende immer noch die Entscheidung habe, was wir machen und was nicht. Ich richte mich da in erster Linie nach “Bauchgefühl”, das zuletzt immer wieder durch Studien bestätigt wird, dass dem Großteil der Bevölkerung diese Diskussion bzw das “Gendern” an sich auf die Nerven geht, durchaus auch links/liberal tickenden Menschen. Wenn ich nun als Medium alle ansprechen will, was mein Zugang ist, und mich nicht auf ein “wokes, universitär gebildetes Kernpublikum” beschränken möchte, wäre es kontraproduktiv, eine Sprachform zu verwenden, die die Mehrheit ablehnt. Ganz pragmatische Überlegungen also. Trotzdem ist es einigen meiner Autoren und Autorinnen ein Anliegen, diese Möglichkeit zu haben, und deshalb haben wir intern die Regel, jede/r soll das so machen, wie er oder sie will. Außer * oder ähnliche Sprachverkrüppelungen.
Of-Topic, aber trotzdem: Grüße nach Dietzenbach, ich wohne in Neu-Isenburg.
Schöne Grüße zurück, wobei Dietzenbach nicht mehr aktuell ist…
“Experten vermuten, dieser Spuk wird in den nächsten fünf Jahren wieder verschwinden”
Und ich behaupte, es geht erst richtig los. Die Woken kommen ja jetzt erst von den Unis, und wie ich mehrfach aus unterschiedlichen Quellen gehört habe, hat man auch richtig Probleme, wenn man in Arbeiten kein BinnenInnen verwendet. So a`la “Tausende SoldatInnen verloren in Stalingrad ihr Leben.” und “Als Saladin mit seinen ReiterInnen angriff…”.
Es wird sicher noch heftiger die nächste Zeit. Aber noch wissen nicht alle, die sich darüber aufregen könnten, dass es das gibt, worüber sie sich aufregen werden. Bis zu einem gewissen Grad konnte das einem ja auch egal sein, bisher. Doch die Zeiten ändern sich. Es muss der Erste gegen ein amtliches Dokument in gegenderter Form klagen, dass er sich dabei nicht angesprochen fühlt und Recht bekommen. Oder er missachtet es und lässt sich deswegen verklagen und bekommt Recht.
Wie auch immer. Was deutlich werden muss ist das gesamte Paket und dass es letztlich nur gängelt und kein einziges Problem löst. Wenn ich Zigeunerschnitzel in meinem Restaurant esse, dann schädige ich damit nur das Tier, das sein Fleisch geben musste, aber keinen einzigen Menschen, der den ziganen Stämmen (Eigenbezeichnung in Rumänien) angehört – von denen es mehr gibt als nur Sinti und Rom.
Es geht um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Und wenn sich herumspricht, dass der ganze identitäre Blödsinn niemandem hilft und nur Ablehnung und Unfrieden produziert, wird es auch wieder zu Ende gehen. Dann dürfen wir das Blaulicht der Sprachpolizei in unseren Köpfen wieder ausschalten und uns darauf besinnen, dass eine gerechte, inkludierende Gesellschaft durch gelebte Gerechtigkeit und Inklusion entsteht und nicht durch Firlefanz und Cancel Culture. Dann kann man auch wieder SF-Filme mit Außerirdischen drehen, ohne wochenlang mit dem Schmetterlingsnetz vergeblich auf UFO-Jagd zu gehen…
@Nomadenseele: Der Druck an Unis ist da sicher groß, wobei ich in dem Kontext das Problem nicht so sehe, da geht es um Formalitäten, müsste ich nun eine Uni-Arbeit schreiben, die irgendeine Form von Gendern fordert, würde ich das wohl auch machen. Das Problem ist aus meiner Sicht eher, dass man versucht, das auf alle Bereiche des Lebens, der Sprache, der Sprachäußerung zu übertragen, in Form von “magischem Denken”, dass man damit irgendwelche Ungerechtigkeiten beseitigen würde oder dass, wenn man es nicht macht, “das Böse” fördert. Ist halt eine äußerst infantile, primitive Denkart, die dahintersteht.
“Magisches Denken”, das geht mir da auch immer durch den Kopf. Als ob Sprache Zaubersprüche produzieren würde. Dabei verliert man völlig den Inhalt und – noch wichtiger – die Grundhaltung aus den Augen. Daher wollen auch viele heute keinen Humor und schon gar keine Satire mehr verstehen. Alles wird zur Beleidigung erklärt, zur Mikroaggression, zum Rassismus oder Sexismus. Daher meine intensiver Beschäftigung damit, um zu ergründen, worin denn bei bestimmten Worten Beleidigungen bestehen könnten – ungeachtet des Gemeinten. Und da bleibt nur eine Angst bei den Verfechtern von Neusprech: Die Angst, es seien magische Sprüche, die den Aluhut auf ihrem Kopf sichtbar zaubern würden…
“da geht es um Formalitäten, müsste ich nun eine Uni-Arbeit schreiben, die irgendeine Form von Gendern fordert, würde ich das wohl auch machen. ”
Nein, da geht es nicht um “Formalitäten”. Da geht es um Freiheit der Wissenschaft (Im Grundgesetz verankert), Exaktheit und Ideologiefreiheit, also alles, worum es in der Wissenschaft überhaupt geht.
Wenn jemand von Saladins Reiterinnen oder deuschen Soldatinnen in Stalingrad schreibt, dann ist das historisch nicht korrekt.
Wissenschaft muss auch von Ideologie frei sein. Oder willst du junge Menschen vor die Wahl stellen, ob sie ideologieveseuchte Geisteswissenschaften studieren wollen oder Naturwissenschaften, wie Merkel das von sich sagte?
“Das Problem ist aus meiner Sicht eher, dass man versucht, das auf alle Bereiche des Lebens, der Sprache, der Sprachäußerung zu übertragen, ”
Das Hauptproblem ist, dass man aus der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung, für den man zwangsbezahlt, verdrängt wird. Kulturzeit und NANO sind für mich schon gestorben, das letzte Corona-Virus-Update musste ich nach drei Minuten abbrechen, weil es nicht zum Aushalten war.
Beim Podcast ZeitWissen geht man noch einen Schritt weiter und verwendet Worte wie “Gästin”.
Wie soll ich mich noch vernünftig informieren? Im Grunde geht das nur noch über BILD, Welt, NZZ und Tichys Einblick. Überhaupt nicht meine Welt und meine Ausrichtung, aber aus allem anderen werde ich verstoßen.
1. Damit hast du grundsätzlich Recht, allerdings gibt es beim wissenschaftlichen Arbeiten eine Menge anderer Regeln (man denke nur an die Zitationsregeln), die auch klar formal vorgegeben sind und eingehalten werden müssen. Wie gesagt, in dem Kontext würde ich persönlich es pragmatisch sehen. Die Frage ist ja auch “was ist Ideologie”. Ich befürchte, die meisten Geisteswissenschaftstudenten würden das Gendern nicht als “Ideologie” sehen, sondern als absolute Notwendigkeit, weil ihre ganze Bubble das so sieht. Das Problem sehe ich wie gesagt eher in dem allgemeinen, übergreifenden Anspruch, das auch auf den Alltag zu übertragen. Ist es im universitären Kontext bzw in wiss. Arbeiten, kann man es als “akademische Regel” definieren, von denen es viele gibt, und man kann auch davon ausgehen, dass die meisten Menschen in dem Bereich diese Sprache sprechen und verstehen. Natürlich exkludiert das auch wieder Menschen aus “bildungsfernen” Schichten, die eben nicht so sprechen, aber das tun Unis immer. Ist halt elitäre Sprache.
Aber ab dem Moment, wo man ALLE ansprechen möchte, muss man eine Form finden, mit der sich die meisten anfreunden können, und das geht nur über Kompromisse.
Bzgl. der historischen Exaktheit stimme ich dir allerdings zu. Die Ideologie sehe ich da aber eher im Kunstbereich, wenn etwa europäische Adelige von schwarzen Darstellern gespielt werden. Das muss man entweder ganz klar als “Stilmittel” ausweisen und auf die Fiktionalität hinweisen – oder sich den Vorwurf der vorsätzlichen Geschichtsverfälschung gefallen lassen.
2. Ich verstehe deine Bedenken aber wie gesagt, ich denke, da gibt es viele, denen es so geht, und wenn die Einschaltquoten von derartigen Sendungen immer weiter sinken, wird man irgendwann auch dort drauf kommen, dass man vl doch in einer Form berichten soll, die das Publikum will und nicht die man selbst für richtig hält. Es gibt immer noch einige ordentliche Medien, NZZ hast du erwähnt, in Ö Die Presse, FAZ ist auch OK, Die Zeit geht teilweise. Wobei mir eher die mangelhafte Qualität vieler Medien in letzter Zeit zu denken gibt. ORF.at war meine erste Anlaufstelle früher, seit 1, 2 Jahren lassen die extrem nach. Und Medien, die durchgehend auf “*” oder das neue “:” setzen, lese ich einfach nicht, weil ich das unleserlich finde. Bei allem anderen bin ich tolerant und pragmatisch.
“Natürlich exkludiert das auch wieder Menschen aus „bildungsfernen“ Schichten, die eben nicht so sprechen, aber das tun Unis immer. Ist halt elitäre Sprache.”
Ich kenne Leute, die haben Artikel im Spiegel veröffentlicht, die meisten meiner Bekannten haben studiert und kein einziger spricht so. Soviel zum Thema “bildungsfern”.
“Bzgl. der historischen Exaktheit stimme ich dir allerdings zu. Die Ideologie sehe ich da aber eher im Kunstbereich, wenn etwa europäische Adelige von schwarzen Darstellern gespielt werden. ”
Viele haben diese Ideologie so aufgesaugt, dass ihnen politische Korrektheit weniger wichtig ist als Ideologie. Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=M3sdYDPnGNY&list=PLPCrHNRlU1ed9uGsb-NT_Ihmxr6Qy1bGm&index=4&t=1s, wo man sich ernsthaft nicht scheut, von Soldatinnen und Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu sprechen (2:22.00). Bis auf Russland hatte kaum ein beteiligter Staat eine nennenswerte Anzahl an Soldatinnen.
Jetzt ist das Ferngespräch ohnehin eine Ansammlung von Narzisten, die sich superklug vorkommen und nicht ernstzunehmen sind.
Aber wenn ich in einer wissenschaftlichen Arbeit die Frauen in den Krieg ziehen lassen muss, obwohl sie nicht dort waren, dann ist das keine wissenschaftliche Arbeit mehr, sondern bewusster Unfug.
“Und Medien, die durchgehend auf „*“ oder das neue „:“ setzen, lese ich einfach nicht, weil ich das unleserlich finde”
Dagegen habe ich ein Addon. Aber das nützt bei Podcasts, die ich gerne und viel konsumiere, gar nichts, wenn das BinnenInnien gesprochen wird oder Die Zeit mit “Gästin” aufwartet. Es ist ein ständiger Spagat zwischen “Wie sehr bin ich bereit, mich von Information und Wissen abzuschneiden.” und “Wie sehr stört mich das empfindlich? Wie sehr wünsche ich mir für diese Medien sinkende Zahlen?”
Und die Frage ist, ob die Zahlen wirklich sinken, das Corona-Virus-Update dürfte inzwischen an die 20 Millionen Abrufe habe. Höre dir alleine mal die ersten fünf Minuten an, das ist echt Hardcore: https://www.ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html Ich kann sowas nicht anhören.
WP hat die Absätze geschluckt.
1. Darum “bildungsfern” unter Anführungszeichen. Ich behaupte nicht, dass “alle gebildeten Menschen” “so” sprechen. Sprechen vielleicht auch weniger, aber schreiben schon eher. Aber dass Menschen mit formal niedrigerer Bildung ganz sicher nicht so sprechen oder schreiben. Die wollen aber von Neo-Akademikern ja auch gar nicht angesprochen oder erreicht werden, weil die sowieso “deppert sind”, “Rechte”, “AFD/FPÖ”-Wähler und man mit denen gar nichts zu tun haben will. Nicht meine Gedanken oder Worte, sondern das, wie die neuen, urbanen, akademischen Eliten ticken. Dieses Neo-Sprech ist auch eine Distinktionsform, sich vom “Pöbel” abzuheben, der eh zu dumm wäre, die strukturellen und spachlichen Unterdrückungsmuster zu erkennen (darum spricht er ja nicht so).
Die Frage ist auf lange Sicht eher, ob es in den Mittelschichten (genug) Widerstand dagegen gibt, oder auch hier irgendwann eine Form von Kompromissfindung.
2. Den Neo-Akademikern fehlt oft das historisch tiefe Wissen oder grundlegende geisteswissenschaftliche Bildung. Sie haben einen BA, MA oder gar DR-Abschluss, formal sehr wertvoll, das sagt aber gerade unter dzt. Uni-Bedingungen nicht zwingend was über Substanz aus. Jeder Mensch mit minimalen Kenntnissen von Ideengschichte und politischer Geschichte erkennt, dass die Reduktion und Zurückweisung von Jahrhunderten geistiger, zivilisatorischer und kultureller Leistung mit Adjektiven wie “patriarchalisch”, “sexistisch”, “weiß” etc. dumm und dämlich ist, es erscheint aber vielen als einfache, soforte, “saubere” Lösung. Da spielen auch die aktuellen Dauerkrisen mit, die Menschen gaga machen und sie nach einfachen, schnellen Antworten sehnen lassen.
3. Ich schaue wenig fern und höre nie Podcasts, insofern kann ich dazu nix sagen. Nur zum Geschriebenen. Mmn. ist es immer Kompromissfindung und persönliche Wahl. Niemand zwingt dich, etwas zu konsumieren, das dir nicht gefällt und dich nicht anspricht. Gleichzeitig kann Informationsgehalt auch trotz “formaler Verunstaltung” hoch sein, dann ist die Frage, ob man das nicht einmal ertagen möchte, wenn es abeits dessen inhaltlich nichts auszusetzen gibt. Mein Problem ganz allgemein mit dem “Gender”-Zeug ist v.a., dass es extrem oberflächlich ist und sich am Ende niemand mehr über die Themen unterhält, um die es dabei (eigentlich, anscheinend) gehen soll. Ich behaupte, Gender-Fetischisten geht es inzwischen mehr um Selbstdarstellung, moralischer Erhöhung, Distinktion usw als um die Sache an sich. Und die infantile Vorstellung, durch magische Zaubersternchen oder Punkte könnte man alles gut machen und die Welt ist dann perfekt. Solche Reinheitsfantasien waren halt schon immer der Beginn großen Unheils und mir wird darüber noch viel zu wenig nachgedacht oder geredet.
“Mmn. ist es immer Kompromissfindung und persönliche Wahl. Niemand zwingt dich, etwas zu konsumieren, das dir nicht gefällt und dich nicht anspricht. ”
Wenn es alle machen, dann ist es nicht mehr meine persönliche Wahl.
Wenn in Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender gendert wird, in deren Podcasts, in deren Wissenschafts- und Kultursendungen, in Zeitungen wie ZeitOnline und deren Podcasts, wo habe ich da noch Wahlfreiheit zu sagen”Ich tue mir das nicht an?”
Seit 1-2 Wochen bin ich auf Bild TV und Welt TV ausgewichen, aber für tiefgehende Informationen ist das nun wirklich nichts, ich weiß auch nicht, ob dort bekannt ist, dass es sowas wie Wissenschaft und Kultur gibt.
Bei Filmen kann ich sagen “Seht euch eure schwarze Anne Boleyn selbst an, ich tue es nicht.”, aber wenn ich nicht komplett verdummen möchte, dann bleibt mir nichts anderes über, als das Spielchen mitzuspielen.
Ich frage mich nur, ob die Medienschaffenden wissen, was sie da tun. Wenn ich statt ZeitOnline, Tagensspiegel und TAZ zu Tichys Einblick und Boris Reitschuster lese, und wenn ich nicht mehr die Nachrichten sehe, sonden Bild TV und Welt TV, dann passieren zwei aus deren Sicht unerwünschte Dinge: Sie erreichen mich mit ihren Botschaften und Werten nicht mehr, aber extrem konservative bis offen rechte Medien tun dies. Was natürlich auch meine Wahlentscheidung beeinflussen wird. Im Grunde arbeiten sie also gegen sich.
Man kann auch anführen, dass der NDR den Corona-Virus-Update produziert, um die Bürger wissenschaftlich zu bilden, aber wenn ich nach drei Minuten entnervt abschalte, ist das gerade für die Katz.
Ich verstehe, dass du genervt bist, aber du wirst nicht um irgendeine Kompromissfindung herumkommen. Das Problem aktueller Debatten ist ja gerade, dass alles so extrem polarisiert ist. links-rechts, gut-böse, rassistisch-nicht rassistisch, sexistisch-aufgeklärt usw. Die Realität ist viel komplexer und wonach ich mich zB sehne sind Filme, Medien usw, die diese Komplexität, die Ambivalenzen irgendwie abbilden. Aus den USA ist da derzeit und in absehbarer Zeit nichts zu erwarten, weil die so gespalten sind, dass es nur noch 2 Seiten gibt und keinen Kontakt mehr zwischen beiden. Darum “radikalisiert” sich die linke, progressive Seite derart wie oben sichtbar, verliert jeglichen Kontakt zu den “normalen Menschen” und gibt jeglichen Pragmatismus und Verstand auf, um den eigenen, totalitären Hegemonieanspruch ultimativ durchzusetzen. Dasselbe, was Trump & die Seinen die letzten 4 Jahre von der anderen Seite aus versucht haben. Auf Dauer wird jede Gesellschaft unweigerlich zerfallen, die so agiert.
In Europa sehe ich noch Hoffnung, es ist zwar vieles polarisiert, aber man hat noch – wenn man sich traut – die Freiheit, auszuscheren. Ich mache das, du machst das auch. Ganz konkret sehe ich auch unser Medium als Möglichkeit, Kompromissfindung und “Mitte” zu ermöglichen, indem abgebildet wird, dass es nicht nur die eine und die andere Meinung gibt, sondern ganz vieles dazwischen. Was wäre konkret dein Wunsch an uns als Medium, oder deine Message an meine Kollegen und Kolleginnen, die etwa gewisse “woke” Anliegen grundsätzlich teilen oder Gendern für wichtig halten?
Ich denke, dass Zusammenleben, Toleranz und Vielfalt nur wechselseitig möglich ist. Das ist ja u.a. das Problem der politisch korrekten Woke-Bewegung, dass sie inhärent intolerant ist. Wenn ich “tolerant” bin, kann ich mir nicht aussuchen, was ich toleriere – ich muss alles tolerieren (mit gewissen Grenzen). Auch Aussagen, Ansichten, Meinungen, die meinen völlig widersprechen. Das tut diese Ideologie nicht, sondern bekämpft gegensätzliche Ansichten mit Feuer, weshalb ich sie, zumindest in ihrer aktuellen Praxis, nicht unterstützen kann. Akzeptieren muss ich sie – bis zu einer gewissen Grenze – aber trotzdem. Sprich: Ich muss von mir aus offen auf sie zugehen, dann kann ich erwarten, dass auch auf mich offen zugegangen wird. Wird dann meine Hand weggeschlagen, kann ich mit Recht sagen: OK, das wars, nun hast du auch meine Toleranz nicht mehr verdient. Wird meine Hand angenommen, sind wir alle einen Schritt weiter. Selbes gilt für die “Gegenseite”, die meist gar keine ist, sondern sich oft nur in einzelnen Fragen als Gegenseite darstellt, während sie in anderen Frage etwa wieder Verbündete sein könnte. Am Ende ist alles komplex. Ich weiß nicht, ob du weißt, was ich damit sagen will….ich kann deine Wut und dein Genervt-Sein nachvollziehen, aber wenn du dich komplett abwendest, radikalisierst du dich in gewisser Weise auch, in die andere Richtung, weißt du, wie ich meine?
Nur aus Interesse, und weil das thematisch nicht uninteressant ist und wir die ganze Zeit übers “Gendern” reden: Bist du eigentlich männlich oder weiblich? 😀
“Was wäre konkret dein Wunsch an uns als Medium, oder deine Message an meine Kollegen, die etwa gewisse „woke“ Anliegen grundsätzlich teilen oder Gendern für wichtig halten? ”
Wie ich schon schrieb: Ich habe ein Addon, welches das Gendern rausfiltert. Mir persönlich wäre es allerdings lieber, wenn man sich gleich an das Standarddeutsche halten würde.
Wenn ich als Journalist ernst genommen werden möchte, dann muss ich mich und meine Ansichten zurückhalten. Sonst habe ich die Situation wie auf ZeitOnline, wo jemand einen sinngemäß Artikel mit den Worten “Ganz viel Meinung und wenig Recherche, eigentlich ist es hier eher wie ein Blog.”
Wenn Historie verfälscht wird, wie die schwarze Anne Boleyn, dann sollte man dies kritisch begleiten, gerne mit Pro und Contra.
“….ich kann deine Wut und dein Genervt-Sein nachvollziehen, aber wenn du dich komplett abwendest, radikalisierst du dich in gewisser Weise auch, in die andere Richtung, weißt du, wie ich meine?”
Ja, mir gefällt es auch nicht. Aber was soll ich machen, wenn ich nur noch genervt bin. Ein Magenschwür kriegen vor lauter Wut?
” Bist du eigentlich männlich oder weiblich?”
Weiblich.
Es ist auch eine Journalisten-Krankheit zu glauben, man müsste die eigenen Werte nicht zu rausplärren, sondern auch noch als Standard setzten. Das hat nichts mehr mit Werten zu tun, sondern vielmehr mit einem überbordenden Narzissmus.
Wenn man sich außerhalb des Medienbetriebes so verhalten würde, bestünde man keine Woche Probezeit.
Ich denke, das stärkste Argument, das du hast ist, dass du dich als Frau vom Gendern nicht angesprochen oder genervt fühlst, dass du es für unwichtig erachtest oder es ablehnst. Das Argument ist ja immer, dass “Frauen das wollen”, dass es im “Sinne des Feminismus” wäre, “wer nicht gendert, ist Sexist” usw. Meine Erfahrung ist auch, dass es da ein ganz breites Feld gibt an Meinungen. Relevant wäre tatsächlich nur, was Frauen darüber denken, ab dem Moment, wo die Mehrheit der Frauen “gendern” ablehnt, hat sich das Anliegen und die Sache ohnehin in Luft aufgelöst, denn wie soll ich argumentieren, etwas “im Sinne von jemandem” zu tun, das diese Gruppe mehrheitlich ablehnt?
Also, ich würde an deiner Stelle das ganz klar so benennen, dass du die Absicht vl anerkennst, aber dich – als Frau – damit nicht erreicht fühlst und nicht so angesprochen werden willst. Dann gibt es 4 Möglichkeiten: Hast du es mit einer Frau zu tun, kann sie das als Meinungspluralismus akzeptieren, oder dir unterstellen, du schadest dem “feministischen Anliegen”, wärst reaktionär usw. Damit müsstest du dann eben leben. Hast du es mit einem Mann zu tun, akzeptiert und respektiert er dein Anliegen entweder ebenso, oder er versucht dir – als Frau – zu erklären, warum deine – weibliche – Sicht nicht in Ordnung wäre, wodurch er sich tatsächlich als Sexist offenbaren würde. In 3 der 4 Fälle hättest du also das Argument “gewonnen”.
Wie gesagt, in meinem persönlichen Umfeld gibt es da auch eine Vielfzahl von (weiblichen) Ansichten, die meisten Frauen sehen das nicht so eng, ihnen ist das Gendern egal, oder ihnen wäre viel wichtiger, es würden tatsächliche Ungerechtigkeiten abgeschafft werden, als das ganze auf rein symbolische Ebene verlagert. Darum tu ich mir relativ leicht, zu sagen: ich akzeptiere, wenn jemand Gendern will, ich mache es aber nicht (durchgehend) und muss deswegen kein schlechtes Gewissen haben oder mich als “Sexist” oder sonst irgendwas beschimpfen lassen, was kompletter Schwachsinn ist. Ich weiß aber auch, dass es inzwischen viele Männer gibt, die von der Dominanz des Feminismus so eingeschüchtert sind, dass sie keine eigene Meinung mehr haben, die von denen übernehmen, die am lautesten schreien, und sich gar nicht vorstellen können, dass es Frauen gibt, die das Ganze anders sehen.
Bezüglich “Meinungsäußerung” von Journalisten stimme ich dir zu. Ich bin auch der Meinung, Journalismus hat in erster Linie die Aufgabe, objektiv zu berichten und alles zu hinterfragen. Das hat in den letzten Jahren stark gelitten. Natürlich gibt es Grenzen und Einschränkungen, gerade wenn es wie im Kulturjournalismus auch um Werturteile geht. Da vertrete ich den radikal subjektivitischen Ansatz, dass jedes Urteil erlaubt ist, solange es argumentiert wird. Das würde ich derzeit zumindest einem Teil des Kulturjournalismus oder der Filmkritik absprechen, die “gut” und “schlecht” anhand der Kategorien “woke” und “unwoke” bewerten möchte. Wer das macht, ist unfähig und beherrscht seinen Job nicht, Punkt.
Zum “genervt sein”: Wie gesagt, ich versteh es schon, aber denkst du nicht auch, dass es anderen so geht, egal wie sie bestimmt Themen betrachten, und dass das viel mit 1.5. Jahren Corona und anderen Krisen zu tun hat und sich auch auf andere Themen überträgt? Diese Gereiztheit merkt man ja allenorts und bei fast allen Themen und ich würde unterstellen, dass sie dazu beiträgt, dass bei allen möglichen Themen derzeit (v.a. i d “sozialen” Medien) immer wieder die Wogen blitzschnell hochgehen.
Andere Frage zum Abschluss: Ich kann auch dir gerne, wie dem Kollegen oben, anbieten, einen Gastbeitrag für uns zu schreiben. Warum du dich durch Gendersprache nicht angesprochen fühlst, was dir an der momentanen Filmwelt Sorgen bereitet usw usw. Ich denke, wenn es um Themen geht, die etwa dich als Frau direkt bereffen wäre das schon interessant. Vielleicht gibt es dann auch eine Gegenmeinung dazu, die man auch publizieren könnte, das wird man sehen, aber wir sind gerne Plattform für verschiedene Ansichten. Wenn du Lust hast, sag Bescheid oder melde dich per Mail an filmpluskritik@hotmail.com 🙂 //ck
“Ich denke, das stärkste Argument, das du hast ist,”
dass es sich einfach schrecklich und künstlich anhört. Ich bin Sprachästhetin. Wenn jemand “Radfahrer und Radfahrerinnen” sagen und schreiben möchte, dann habe ich da kein Problem mit. Aber RadfahrerInnen hört sich einfach furchbar an.
Oder einmal in NANO:”Die ForscherInnen haben festgestellt…” und dann kam raus, dass es eine Forscherin und fünf Männer waren.
“Ich kann auch dir gerne, wie dem Kollegen oben, anbieten, einen Gastbeitrag für uns zu schreiben.”
Das willst du nicht, glaube mir einfach. Ich bräuchte schon für einen Einkaufszettel einen Ghostwiter, wenn es halbwegs ansprechend sein soll.
Ich habe mir das alles durchgelesen und finde es interessant. Worauf ich aber gerne “zurückschalte”, ist die Frage – abseits aller “Genre- oder Milieusprachen” -, was denn Sprache überhaupt ist. Warum ist sie kulturell evolviert, wozu dient sie?
Sprache ist Verständigung abseits rudimentärer Gesten oder sonstiger Lautäußerungen. Sie wurde immer differenzierter, um immer komplexere Sachverhalte zu vermitteln. Sie ist also ein Medium. Beim Film spricht man zurecht von “Filmsprache”, wobei dort zum gesprochenen noch das gezeigte und das montierte Wort dazukommen. Also eine sehr viel komplexere Sprache.
Dies alles funktioniert am Besten, wenn es eine soziale und/oder kulturelle Absprache zwischen Sender (Kodierer) und Empfänger (Dekodierer) des überMITTELTEN gibt. Über Literatur und Schule erfahren wir eine gewisse Normung unserer Sprache, sodass Übersetzungs- oder Dekodierfehler minimiert werden und ein präziseres Verständnis entsteht.
Gendersprache (und demnächst wohl auch Genderfilme) ignoriert dies jedoch. Hier wird Sprache oder Filmsprache als Unterlage für ideologische Experimente an der lebendigen Gesellschaft missbraucht. Als funktioniere Sprache zauberspruchartig und könne – die richtigen Worte eingesetzt – Diskriminierung beseitigen. Wenn wir keine Zigeunersoße kaufen und keine Negerküsse genießen, dann sind Minderheiten in unserem Land vor Anfeindung geschützt. Wenn wir Michael Ende, Astrid Lindgren und andere zensieren, dann geht es den Schwarzen gut. Wenn wir nur genügend Kultur canceln, dann haben wir Rassismus überwunden.
Doch da diese Ideologen sich mit Sprache nicht auskennen, wissen sie auch nichts von der euphemistischen Tretmühle. Wann immer ein tatsächlich oder vermeintlich beleidigendes Wort gecancelt wird, wird ein anderes Wort an dessen Stelle gerückt. Daher muss alle paar Jahre eine neues, vermeintlich antirassistisches Wort eingeführt werden, um wieder eine “saubere” Sprache zu haben.
Ich bleibt kurz bei Begriffen, die man dunkelhäutigen Afrikanern angetan hat: Biblisch (und hier finden wir die Wurzel des Rassismus) entstammen alle Sklaven und Schwarzen (was tatsächlich synonym war) Ham, dem missratenen Sohn Noachs. In Deutschland hatte man sie “Mohr” genannt, nach den Mauren. Im 17. Jh. formte die Wissenschaft mittels Latein viele der heutigen Fremdwörter, um sie deskriptiver zu machen, da Latein als ausgestorbenes Idiom keinen Bedeutungswandel mehr erfahren würde. So hat man auch die Menschen dunkler Hautfarbe deskriptiv “Schwarze” genannt, was über (lat.) niger zu “Neger” wurde. Es war also eine keineswegs wertende, gar rassistische oder beleidigende, sondern eine rein deskriptive Bezeichnung.
Das ging bis ca. die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts gut (auch wenn natürlich viele Menschen in der Kolonialzeit oder im Dritten Reich mit ihren Bezeichnungen [auch “Juden”] beschimpft und beleidigt wurden). Der Mohr war sogar äußerst positiv besetzt (z.B. der nette Sarottimohr, aber auch der leckere Mohrenkopf, die Mohrenapotheke, weil Schwarze als sehr kultiviert galten). Niemand dachte sich etwas Böses bei, wenn Michael Ende Jim Knopf einen Negerjungen nannte.
Doch dann begann die Postmoderne und die entstandenen Ideologien alles durcheinander zu würfeln. Ich habe gelernt, dass ich zu Negern jetzt “Farbige” sagen sollte. Dann wurde auch das verpönt und ich musste “Schwarzer” sagen, bis der “Maximalpigmentierte” im Behördenjargon kam und heute sollen es PoCs sein, auf keinen Fall Farbige, obwohl PoC “people of color” heißt, also “Farbige”. Was kommt morgen? Brownies?
Das Argument mit der Fremdbezeichnung – die sich die angesprochenen verbitten dürfen – greift hier nicht, da alle diese Begriffe deskriptiv sind. Ich kann in der Beschreibung eines mir unbekannten Menschen keinerlei Rassismus erkennen, außer ich will das.
Die euphemistische Tretmühle greift also da, wo ständig künstliche, neue Begriffe alte, vermeintlich rassistische Worte ablösen sollen. Man kann dies auch in anderen Bereichen nachweisen. Ich spare mir aber weitere Beispiele.
Würde man Sprache einfach bei dem belassen, was Menschen untereinander abgesprochen haben – auch die Moden unterliegende Jugendsprache, deren Begriffe kommen und gehen wie Kleiderformen -, dann könnte man sich mehr auf Inhalte des Gesprochenen konzentrieren. Dann würden Stolperfallen, wie der falsche Umgang mit dem Partizip I oder der lächerliche Genderkrieg um das richtige Zeichen (*, :, _ oder Binnen-I), entfallen. Wir könnten uns den echten Probleme der Zeit widmen und sie mit einer gemeinsamen Sprache lösen. Abgesehen von den akustischen Vergewaltigungen, die auch Elke Heidenreich und andere zurecht mokieren. Das klingt nicht gut, das liest sich nicht gut und es ist falsch. Warum soll ich derart unreflektierten Menschen zuhören?
Der BR will jetzt weg vom Gendern, weil man offenbar spürt, wie sehr dieser Unfug abgelehnt wird. Allein, dass ich in den letzten Wochen allerorts derart viele Kommentare zu dem Thema geschrieben habe, anstatt Sinnvolleres zu tun, nervt. Aber es einfach geschehen lassen, nach dem Motto, die Leute gewöhnen sich irgendwann dran, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird, kann ich nicht. Dafür ist mir Sprache zu wichtig…
@Nomadenseele: Damit hast du ja dein (legitimes) Argument, das ich persönlich auch gut nachvollziehen kann. Trotzdem bin ich der Meinung, dass mehr Pragmatismus weiterhelfen würde. Natürlich kannst am Ende nur du entscheiden , was dir wichtiger ist: Teilhabe an intellektuellen und gesellschaftlichen Diskursen trotz Bauchweh – oder völlige Abkehr und Rückzug. Ich würde mich für ersteres entscheiden, was wir alle hier machen ist auch genau das. Aber das ist, wie gesagt, deine Entscheidung.
Dass du einen Ghostwriter bräuchtest, nehm ich dir nicht ab. Immerhin hast auch du einen Blog. Und deine Statements hier sind wohl auch nicht von einem Ghostwriter verfasst, oder? Man müsste sie nur in passende Form bringen. Aber auch das ist deine Entscheidung.
“Immerhin hast auch du einen Blog. ”
Ja, aber was für welche (Es sind mehrere.) Ich habe dich mal auf das Filmblog eingeladen. Ich bin wirklich keine gute Schreiberin.
@Bernd Kammermaier: Mit dem Argument “Sprache als Zeichensystem” bzw Medium hast du natürlich Recht. Ich halte auch nichts davon, Sprache per se irgendwelche “Machtstrukturen” etc. unterzuschieben, wie das aktuell auch gern getan wird. Trotzdem könnte ein “Betroffener” bei deinen Ausführungen – oder einigen von dir erwähnten Begriffen – einwenden, dies wäre eben die Sicht eines weißen Mitteleuropäers, der etwa die (historische) Erfahrung von Kolonialisierten nicht kennt und sich daher leicht redet. Ich würde das Argument gelten lasse. Auch jenes, wenn mir jemand sagt, er oder sie möchte nicht mit diesem oder jenem Begriff angesprochen werden, weil er oder sie das als beleidigend empfindet. Dann wäre es mmn. “übergriffig” zu sagen, mir doch egal, ich benutze das N-Wort, weil das ist nur deskriptiv und wenn du dich dabei schlecht fühlst – nicht mein Problem. Damit wären wir wieder bei Sprache als geteiltes Zeichensystem und die Verständigung und Übereinkunft muss mmn. wechselseitig sein, und weder einseitig von dieser oder jener Seite diktiert.
Das Problem des Sprachdiktats habe ich aktuell im Fall kleiner, aber mächtiger Gruppen, die uns – vornehmlich auf Social Media – sagen wollen, wie sie oder andere Minderheiten bezeichnet werden sollen oder wollen. Das reicht von neuen Begriffen für “Frauen” bis zu Begriffen für ethnische Minderheiten, Hautfarben (PoC) usw. Nur, weil diese Forderungen von Minderheiten kommen und sie betreffen, entbindet es sie aber nicht vom demokratischen Prozess und der Rückkoppelung mit der gesamten (Mehrheits)Gesellschaft. Wenn einige Aktivisten meinen, man müsse Frauen nun als “TERF” oder wie das heißt bezeichnen, aber 98% der Bevölkerung das ablehnen, den Begriff gar nicht kennen und die ganz große Mehrheit aller Frauen sich damit nicht angesprochen fühlt, wäre es kompletter Schwachsinn, das zu benutzen der gut zu heißen. Weil es eben gegen den Anspruch von Sprache als geteiltes Zeichensystem verstößt.
Das Grundproblem beim Gendern ist das selbe, dass neue Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung (ca. 2/3) das ablehnt. Wer es trotzdem macht, agiert also entweder bewusst gegen die Mehrheitsgesellschaft (was in manchen Fällen sicher auch das Ziel und Absicht ist) oder will nur bestimmte Gruppen erreichen und ansprechen und andere vom Diskurs exkludieren (undemokratisch, elitaristisch). Da es durchaus bedeutende, große Gruppen gibt, die das Anliegen wichtig finden und dieselben Werte teilen, hat sich das Gendern in bestimmten Milieus mittlerweile durchgesetzt und das ist mmn auch nicht so problematisch wie oben angeführte Beispiele, weil es relative Großgruppen betrifft, also relativ “viele” diese Sprache teilen. Trotzdem trägst es zur Neo-Tribalisierung und Spaltung der Gesellschaft bei und hat mmn in erster Linie distinktierende und exkludierende Funktion zur Abgrenzung von anderen Gruppen und Menschen, weshalb ich es nicht vollends gutheißen kann.
Schließlich wäre aber auch umgekehrt dein Argument einseitig (“N-Wort ist nur deskriptiv”), da es – wenn es so gemeint war – die andere Seite bzw “Betroffene” exkludiert und ihnen deren Mitwirkung am Sprachfindungsprozess abspricht. Ich bin mir sicher, dass 90- 95% aller Menschen mit dunkler Hautfarbe diesen Begriff als Bezeichnung für sie ablehnen (und dazu bestimmt 80-85% aller “Weißen”), warum es für mich völlig unverständlich wäre, da eine Diskussion zu beginnen, welche Begriffe nun OK sind und welche nicht. Hier besteht offenbar eine große, gesellschaftliche Übereinkunft, welches “Sprachzeichen” für etwas verwendet werden soll, und das ist OK. Idealerweise haben auch an solchen Entscheidungen alle davon Betroffenen Teil, und das Verfahren sollte demokratisch, pragmatisch und empathisch sein.
Das Problem gibt sich übrigens auch bei Diskussionen um “non-binäre” Geschlechterordnungen etc. Da wird dann gesagt, die “normale Bevölkerung” wäre nicht davon betroffen sondern nur jene, die sich dem entziehen und sich “anders” fühlen. Das stimmt insofern nicht, weil ich, wenn ich behaupte, “Mann” und “Frau” wären absolute Konstrukte, gäbe es nicht, es gibt mehr als 2 oder 3 “Geschlechter” usw ich wiederum der großen Mehrheit der Menscheit, die eben in den Kategorien “Mann” und “Frau” denkt, exkludiere, vor den Kopf stoße usw. und damit dem eigentlichen Ziel Toleranz schade. Toleranz gibt es ebenfalls nur wechselseitig, ich kann nicht einseitig Toleranz einfordern und sie dem anderen, der eben anders lebt wie ich, nicht entgegenbringen. Und es ist mmn überhaupt kein Widerspruch, etwa zu sagen, es gibt 2 Geschlechter, ich finde das gut und gehöre einem davon an und fühle mich vom anderen angezogen, aber akzeptiere und toleriere trotzdem, dass das bei manchen auch anders ist. Nur weil ich etwas nicht feiere oder es mich einfach null interessiert, weil es mit meiner Lebensrealität nichts zu tun hat, heißt das nicht, ich wäre diskriminierend.
“„TERF“ ist die Bezeichnung für radikale Feminstinnen, wobei es schon “radikal” ist, sich gegen Männer/Transfrauen bei Sportwettbewerben der Frauen auszusprechen.
Die korrekte Bezeichung ist “Person mit Vagina” – mehr macht eine Frau offenkundig nicht aus.
Zitat: “Trotzdem könnte ein „Betroffener“ bei deinen Ausführungen – oder einigen von dir erwähnten Begriffen – einwenden, dies wäre eben die Sicht eines weißen Mitteleuropäers, der etwa die (historische) Erfahrung von Kolonialisierten nicht kennt und sich daher leicht redet.”
Das ist ein Nichtargument. Warum? Zum einen nennen sich alle Völker oder “Hautfarben” untereinander immer mit deskriptiven Begriffen an, unabhängig von Kolonialismuserfahrungen. Wie oft wurde ich in den USA von Schwarzen als “Whitebread” bezeichnet? Oder man bezeichnet Deutsche als “Kartoffeln”. Beides ist nicht mal deskriptiv. Ich war nie Kolonialherr und auch meine Gegenüber kannten Kolonialismus maximal von ihren Großeltern. Also kann man da entspannt drüber lachen. Schwarze nennen sich in den USA sogar untereinander “++gg++” und finden das lustig.
Diese Nummer mit der Kolonialismuserfahrung ist ein typisches “Argument” der Linksidentitären, für das es nicht den geringsten Beleg gibt.
Zitat: “Auch jenes, wenn mir jemand sagt, er oder sie möchte nicht mit diesem oder jenem Begriff angesprochen werden, weil er oder sie das als beleidigend empfindet.”
Wenn ich jemanden anspreche, dann mit seinem Namen. Es geht aber um die Identität. Andrew Onuegbu, der Restaurantbesitzer aus Kiel, will als Mohr gesehen werden, weil er ein Mohr ist. Nur Neorassisten verwehren ihm dieses Recht. Ansprechen würde ich ihn trotzdem mit “Herr Onuegbu”. Ich bin auch nicht der Meinung, wir sollten jetzt alle alten Begriffe reaktivieren, aber ich wehre mich dagegen, wenn man “Neger” als ein rassistisches Schimpfwort bezeichnet. Das ist es objektiv nicht.
Wenn dieses Prinzip Gültigkeit hätte, dann möchte ich ab heute nicht mehr als Deutscher bezeichnet werden, auch nicht als Piefke, da “deutsch” auf einer römisch-kolonialistischen Fremdzuschreibung basiert, die nicht mal deskriptiv ist. Ich bin auch kein Germane und kein Alemanne. Denkt euch also was aus.
Du siehst also, wohin das führt. Ich könnte da die ganze Welt durchdeklinieren und würde überall auf fremdzugeschriebene, kolonialistische Begriffe stoßen. Wir müssten praktisch alle Sprachen der Welt in die Tonne kloppen und neu erfinden.
Interessant ist doch, dass man sich immer nur über Begriffe für vermeintlich unterdrückte Menschen aufregt. Als ob niemand sonst das Recht hätte, in Neusprech angesprochen zu werden.
Neulich habe ich eine Sendung gesehen, da meinte eine Linksidentitäre allen Ernstes, man könnte Fremdherrschaftserfahrungen nicht auf weiße Länder übertragen, da (wörtlich) “z. B. Österreich nie von Deutschen beherrscht wurde”.
Zitat: “Das Problem des Sprachdiktats habe ich aktuell im Fall kleiner, aber mächtiger Gruppen, die uns – vornehmlich auf Social Media – sagen wollen, wie sie oder andere Minderheiten bezeichnet werden sollen oder wollen. Das reicht von neuen Begriffen für „Frauen“ bis zu Begriffen für ethnische Minderheiten, Hautfarben (PoC) usw. Nur, weil diese Forderungen von Minderheiten kommen und sie betreffen, entbindet es sie aber nicht vom demokratischen Prozess und der Rückkoppelung mit der gesamten (Mehrheits)Gesellschaft.”
Das ist aber nur die andere Seite der gleichen Medaille. Niemand hat Neger diskriminiert, weil sie Neger genannt wurde, noch weil man Negerküsse gegessen hat. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver, um von der eigentlichen Agenda abzulenken.
Zitat: “Das Grundproblem beim Gendern ist das selbe, […] Da es durchaus bedeutende, große Gruppen gibt, die das Anliegen wichtig finden und dieselben Werte teilen, hat sich das Gendern in bestimmten Milieus mittlerweile durchgesetzt und das ist mmn auch nicht so problematisch wie oben angeführte Beispiele, weil es relative Großgruppen betrifft, also relativ „viele“ diese Sprache teilen.”
Das Anliegen finde ich in allen Fällen gut, nur ist die Methodik unwissenschaftlich und verheerend destruktiv für die Gesellschaft. Diese verfällt zusehends in unversöhnliche Lager.
Zitat: “Schließlich wäre aber auch umgekehrt dein Argument einseitig („N-Wort ist nur deskriptiv“), da es – wenn es so gemeint war – die andere Seite bzw „Betroffene“ exkludiert und ihnen deren Mitwirkung am Sprachfindungsprozess abspricht.”
Wie gesagt, ich nenne Menschen bei ihrem Namen. Trotzdem muss ich jeder Sprache das Recht einräumen, für alles, was im Weltraum gefunden wird, Namen zu erfinden, um sie zu beschreiben. Wir dürfen hoffentlich weiterhin “schwarze Löcher” sagen (was gerade bekämpft wird, weil man nicht mal mehr “schwarz” sagen darf). Es geht schon längst über den Neger hinaus.
Als die Indianer bezeichnet wurden, dachte man, es seien Inder (indians), weil Columbus sich in Indien wähnte. Das war ein Irrtum und keine Beleidigung. Und wenn dann – wie neulich im TV – im O-Ton beim Interview ein kanadischer Indianer deutlich hörbar das Wort “indian” sprach und dies mit “Indigener” übersetzt wird, dann frage ich mich, wer hier willkürlich Fremdzuschreibungen vornimmt. Im Ausland hat man mit diesen “Problemen” nämlich wesentlich weniger Probleme.
Zitat: “… warum es für mich völlig unverständlich wäre, da eine Diskussion zu beginnen, welche Begriffe nun OK sind und welche nicht.”
Doch, die Diskussion ist wichtig, da bereits Michael Ende und Astrid Lindgren zensiert wurden. Die Mohrenstraße in Berlin soll umbenannt werden, Mohrenapotheken, ein Ort der “Neger” heißt etc. Dieses Wortverbot führt in eine massive cancel culture, wobei auch Theaterstücke und Filme betroffen sind. Vorgestern lief “Stirb langsam”. Dort fällt das Wort “Kameltreiber”. Das muss auf den Index. In der TV-Serie “Pippi Langstrumpf” fällt ca. 30 mal (ich musste nachzählen) das Wort “Neger”. Canceln! Was ist, wenn sich weiße Kinder an Fasching schwarz schminken oder als Indianer verkleiden, sich Dreadlocks machen lassen? Wenn weiße Menschen Yoga machen oder exotische Gewürze verwenden? Alles verboten, gecancelt, ausgemerzt.
Was ist, wenn der schwule, schwarze amerikanische Schauspieler nicht von einem schwarzen, schwulen Synchronsprecher gesprochen wird? Haben wir die Debatte schon oder kommt die noch?
Es ist immer das gleiche Argument: Man darf sich fremden Kulturen nicht annähern (aneignen nennt man das), sie nicht benennen, man muss sich von ihnen in einem “Safe space” distanzieren. Das ist das Problem, das sich in vielen Facetten zeigt.
Zitat: “Toleranz gibt es ebenfalls nur wechselseitig, ich kann nicht einseitig Toleranz einfordern und sie dem anderen, der eben anders lebt wie ich, nicht entgegenbringen.”
Genau so! Mir ist völlig egal, wie sich jemand sexuell zugehörig fühlt. Es gibt XX- und XY-Menschen. Alles weitere sind Mischungen, die u. U. in der Mischung von zweieiigen Zwillingen liegen. Ich bin dafür, jeder soll ohne chirurgische Manipulation seine eigene Identität finden und leben. Egal, wie das aussieht. Ich bin auch gerne bereit, diese Menschen auf ihre Art anzusprechen. Aber deswegen die ganze Sprache umzumodeln, halte ich für respektlos der Sprache gegenüber.
Das Problem ist auch, dass gerade diese Differenzierung die Inklusion erschwert. Sie wirkt wie die späte Rache der bisher Vernachlässigten. Soll nun eine Diktatur der Minderheiten folgen? Nein, ich bin für Abschaffung der Diktatur der Mehrheiten…
Ehrlich gesagt ist es mir unverständlich, wie man der Auffassung sein kann, das N-Wort wäre nicht rassistisch.
Ganz davon abgesehen: Es ist auch eine Frage des Respekts, jemand nicht so zu nennen, wie er nicht genannt werden möchte; das gilt für ein Individuum genauso wie für Gruppen.
Da kommt aber jetzt vieles zusammen. Ich bin bei all diesen Debatten für Besonnenheit und Pragmatismus. Wenn ich sage, ich werde das N-Wort nicht verwenden und finde es eigentlich auch nicht OK, wenn jemand das heute noch verwendet, bin ich noch kein “Cancel Culturist”. Es geht einerseits um Kontext, dass es etwa absurd ist, wenn jemand den Begriff zitiert, um auf etwas aufmerksam zu machen, er oder sie als Rassist bezeichnet wird, weil er etwas “reproduziere”, wobei es um das exakte Gegenteil ging. Auch historisch gesehen oder in Filmen, Büchern usw geht es um Kontext und gesunden Menschenverstand. Wenn das N-Wort in 100 Jahre alten Werken verwendet wird, sehe ich darin keinen zwingenden Rassismus udn schon gar keinen Grund, das Werk zu verbannen oder es als “böse” zu labeln, trotzdem sollte man den Begriff etwa in Neuübersetzungen austauschen, weil wir als Gesellschaft uns geeinigt haben, ihn nicht mehr zu verwenden. Das ist kein Canceln. Canceln wäre, zu sagen: Dieses Buch, dieser Film etc darf nicht mehr gezeigt werden, weil er ist “rassistisch” und böse blablabla. Passiert oft genug, davor graut mir auch, aber darum geht es mir in keinster Weise. Wenn wir nur noch in Extremen denken, 2 Seiten sehen und alle Äußerung dieser oder jener zuordnen, kommen wir keinen Schritt weiter.
Und ich finde es auch etwas stur oder ignorant, auf Begriffen herumzureiten, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr verwendet werden (sollen). Und bin trotzdem der Meinung, es ist übergriffig, darauf zu beharren, eine Gruppe so oder so zu bezeichnen, wie man eben will, obwohl diese Gruppe sich selbst nicht so bezeichnet und nicht so bezeichnet werden will. Dann ist es nämlich eine einseitige Fremdzuschreibung mit dem selben Problem, nämlich dass es spaltend wirkt. Dann geht es um Zwang und Macht und nicht um einen demokratischen Prozess. Und ich persönlich wüsste nicht, was ich davon hätte, darauf zu beharren, dass ich jede Gruppe so benennen will, wie ich möchte, unabhängig davon, wie sie sich selbst bezeichnet. Ich würde meine Ansicht ultimativ über die andere stellen und ihr Alleingültigkeit zusprechen. Same wie das der Socila Media-Mob praktiziert.
Damit wären wir auch wieder bei Sprache als Medium und geteiltes Zeichensystem. Ab dem Moment, wo ich Zeichen einseitig setze und mir die Übereinstimmung zwischen Sender und Empfänger egal ist, mache ich doch nichts anderes, als die Neo-Sprechfetischisten, nur aus der anderen Richtung. Mir erschließt sich auch der praktische Zweck der sprachlichen Analysen nicht, auch wenn sie linguistisch korrekt sein mögen. Sie blenden auch die historischen und gesellschaftlichen Begleitumstände aus, die immer mit der Verwendung von Begriffen verknüpft sind, und Tatsache ist, dass jahrhundertelang Rassentheorien Geltung hatten, die etwa Menschen mit schwarzer Hautfarbe als minderwertig ansahen und damit deren Beherrschung legitimieren wollten. Wenn nun ein direkter oder indirekter Nachfahre dieser Menschen sagt, er will nicht mehr mit dem selben Begriff bezeichnet werden wie seine Vorfahren, die versklavt, eingesperrt, verschleppt oder getötet wurden, dann ist das gut und richtig so. Und ich wäre ignorant und unempathisch, würde ich dem keine Rechnung tragen. Das heißt im übrigen nicht, dass ich behaupte, es hätte Machtgefälle, Ausbeutung, Sklaverei usw nur in eine Richtung, von “weiß” nach “schwarz” gegeben, da das nachweislich Schwachsinn ist. Völker haben sich seit jeher untereinander bekriegt, ausgebeutet, bekämpft, beherrscht, lange Zeit auch von Europa aus (Kololonialismus), aber eben nicht nur. Das macht es aber nicht besser.
Ich möchte abschließend aus meiner Sicht noch sagen, dass ich glaube, dass einander zuhören, Offenheit und Toleranz uns allen gut täte, und auch das funktioniert nur wechselseitig. Er dann, wenn wir das wieder schaffen, wird diese Spaltung, die gereizte Stimmung usw. abnehmen. Klingt vl pathetisch, ich bin aber dennoch davon überzeugt. Ich finde viele deiner Aussagen richtig und nachvollziehbar und teile sie, andere – wie gerade jene zum Schluss und da Herumreiten auf dem “N-Wort” – finde ich nicht in Ordnung oder fragwürdig. Trotzdem behaupte ich nun nicht, “du bist ein Rassist weil du das N-Wort sagst!”, das wäre zu einfach und banal. Gleichzeitig hoffe ich, du willst mir, weil ich das eben anders als du sehe, nun nicht unterstellen, ich wäre ja eigentlich auch ein woker Cancelist. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, niemand ist nur dies oder das. Und wenn ich will, dass sich das gesellschaftliche Klima wieder bessert, muss ich auch der Gegenseite zuhören und mit Offenheit begegnen – auch wenn ich deren Sichtweise völlig ablehne. Und wenn das auch noch so schwer erscheint. /ck
@nomadenseele
Zitat: “Ehrlich gesagt ist es mir unverständlich, wie man der Auffassung sein kann, das N-Wort wäre nicht rassistisch.”
Wird das Wort “Schwarzer” (was ja nach aktueller Auffassung NICHT rassistisch ist) durch die lateinische Übersetzung in ein eingedeutschtes Fremdwort in der Welt der Wissenschaft des 17. Jh. plötzlich rassistisch? Dann kann ehrlich gesagt jedes Wort rassistisch sein/werden. Es wurde ursprünglich weder rassistisch konnotiert, noch hat es einen seltsamen Beigeschmack durch ungewöhnliche Wörterkombination. Es sagt einfach “Schwarzer”.
Der rassistische Gebrauch eines Wortes macht es jedoch nicht automatisch rassistisch. Die Nazis sagten hasserfüllt und in völkisch-rassistischer Absicht “Du Jude!” Das Wort hat dadurch nicht gelitten, doch die Juden selbst. Heute dürfen wir sie – sogar als Deutsche – wieder Juden nennen, ohne schlechtes Gewissen. Hier ist auch unerheblich, ob dies Wunsch der Juden ist. Wäre das Wort zum “J-Wort” geworden (was es nach dem Krieg war!), weil es rassistisch gebraucht wurde, dann dürften wir es heute nicht mehr sagen. Denn das ist ja die Verbots-Logik hinter dem sogenannten “N-Wort”. Wie willkürlich aktuelle Ge- und Verbotsregeln in diesem Zusammenhang sind, sieht man daran, dass man heute nicht mehr “Farbige” sagen darf, dafür aber “PoC” (= people of color = Farbige). Wer da nicht erkennt, wie gaga das alles ist, dem ist nicht zu helfen.
Zitat: “Ganz davon abgesehen: Es ist auch eine Frage des Respekts, jemand nicht so zu nennen, wie er nicht genannt werden möchte; das gilt für ein Individuum genauso wie für Gruppen.”
Mir geht es nicht um das aktuelle Benennen. Ich habe – außer bei Negerküssen – in den letzten über 40 Jahren nicht mehr Neger gesagt (“N-Wort” meint übrigens das gleiche, doch Worten wohnt keine geheime Zauberkraft inne, dass sie beim Aussprechen Unheil anrichten), zuletzt zu einem guten Freund in meiner frühen Jugend, einem schwarzen Franzosen, der bei meinen Großeltern zur Untermiete wohnte. Der wollte so genannt werden, um das Wort nicht den Nazis zu überlassen.
Mit geht es um den Umgang damit dort, wo es vorkommt. In der TV-Serie Pippi Langstrumpf, die noch immer von ZDF-tivi ausgestrahlt wird und als DVD erhältlich ist, kommt das Wort “Neger” gefühlte 30 Mal vor. Auch bei Micheal Ende etc.
Soll das alles gecancelt werden? Worin liegt da der tiefere Sinn? Worte sind unschuldig, bis sie in einen bestimmten Kontext gestellt werden. Ich kann den Satz “Dir werd’ ich’s zeigen” auf zwei völlig gegensätzliche Arten verstehen. Einmal als Gewaltandrohung, das andere Mal als die persönliche Offenbarung eines tollen Geheimnisses. Welches Wort sollen wir also verbieten, um die Gewaltandrohung zu verunmöglichen?
Weil ein bestimmtes Wort und eine bestimmte Abfolge von Wörtern einmal, irgendwann mal oder öfters zum Negativen gebraucht wurden oder werden, diskreditiert sie doch nicht. Mittels der euphemistischen Tretmühle kann sowieso jedes Wort zum Schimpfwort werden. Da sind Menschen sehr erfinderisch.
Wer bei Negerkuss, Mohrenkopf, Zigeunersoße, Indianerehrenwort (wie neulich Habeck bei Sandra Maischberger) oder Eskimorolle rassistische Gedanken bekommt oder hat, der ist einfach Rassist. Wer kein Rassist ist, kann mit diesen Begriffen – die weder konkrete Menschen noch Gruppen betreffen – umgehen ohne schlechtes Gewissen. Zumal keine einzige dieser Verwendungen der “bösen” Wörter irgendeinen rassistischen Hintergrund hat. Im Gegenteil. Es ist oft genug ein Zeichen tiefer Wertschätzung.
Wenn aber das historisch Gewachsene wegen ein paar rechten Krakeelern keine Bedeutung mehr hat, dann liefern wir gerade der AfD Munition. Und die nutzen die sehr geschickt. Ja, mein Negerfreund in der Jugend hatte völlig Recht: Wir dürfen Nazis keine Wörter überlassen…
Wir drehen uns im Kreis, und ich sehe wenig Sinn darin.
Ich bleibe dabei: Wenn jemand oder eine Gruppe eine Bezeichung für sich ablehnt, dann hat man dies zu unterlassen. Ob es korrekt ist oder nicht, ist vollkommen egal.
Du möchstet sicherlich nicht von Farbigen “Weißbrot” und entsprechend haben sie es genauso zu unterlassen wie du diskriminierende Bezeichnungen. Wie man es in der Kunst halten soll, die ja auch authentisch wirken soll, weiß ich auch nicht so recht.
Dass dabei eine Menge Unsinn geblubbert, wie “Sinti und Roma” für alle Stämme stimmt genauso wie dass es kein “jüdisch-christliches Abendland” gegeben hat, die Impulse der Juden waren bis zur Neuzeit eher bescheiden. Genauer gesagt, wurden sie immer verfolgt oder zumindest verachtet. Ganz davon abgesehen, dass die Rangfolge impliziert, dass das Judentum dominanter war als das Christentum. Ich für meinen Teil sage es entsprechend auch nicht.
” Die Nazis sagten hasserfüllt und in völkisch-rassistischer Absicht „Du Jude!“ Das Wort hat dadurch nicht gelitten,”
Gerade bei Jugendlichen bestimmter Herkunft ist “Jude” durchaus ein Schimpfwort.
Of-Topic, aber trotzdem: Grüße nach Dietzenbach, ich wohne in Neu-Isenburg.
@ filmpluskritik
Ich kann deine Position gut nachvollziehen. In der Praxis sind wir da nicht weit auseinander. Ich habe vielleicht nur ein wenig mehr Respekt vor der Arbeit unserer Vorfahren, die sich bei der Verwendung von Wörtern etwas dachten. Ich lass das jetzt mal so stehen.
Doch ich denke ja weiter. Was hältst du davon: Ich will nicht mehr Deutscher genannt werden, ich gehöre dem germanischen Stamm der Hessen an. Kommt der Einwand: “Das sagt man heute nicht mehr. Heute bist du ein Deutscher, von mir aus ein Hesse, aber kein Angehöriger des germanischen Stamms der Hessen.” Was soll ich tun? Mich einfach anreden lassen, wie es dem anderen passt oder auf meiner persönlichen Sicht beharren?
Ich habe eine Liste mit ca. 350 germanischen Stämmen. Weltweit gibt es weit über zehntausend unterschiedliche Stämme. Eskimos sollen seit neustem Inuit heißen, wobei jeder Inuit ein Eskimo ist, aber nicht jeder Eskimo ein Inuit. Auch Sinti und Rom repräsentieren nur einen Teil der Menschen, die sich in Rumänien selbst “Tzigane” nennen, also Zigeuner als Sammelbegriff. Es gibt nämlich noch mehr Zigeunerstämme. Etc. pp.
Und er kurz zu machen: Sammelbegriffe von Stämmen und Ethnien sind immer Fremdzuschreibungen, nicht immer kolonialistisch oder imperialistisch gedacht, auch einfache Beschreibungen von Forschungsreisenden, aber immer von “außen aufgedrückt”. Das ist ja auch logisch. Stämme haben eine Eigenschaft: Sie sind untereinander oft genug verfeindet. Warum sollten die sich einen gemeinsamen Namen ausdenken? Welche Mühe haben heute manche, sich als Europäer zu fühlen?
So wurden die einen zu Deutschen, andere zu Eskimos, wieder andere zu Indianern, Zigeunern, Sachsen oder sonst was. Das dient aber der Vereinfachung. Nicht alles, was heute dafür gehalten wird, ist rassistisch (sowieso ein inflationär gebrauchtes Wort, das dadurch abgeschliffen und unbrauchbar wird), sondern dient wissenschaftlicher Klassifikation.
Heute wissen wir, dass es nur eine Menschenrasse gibt (alle anderen sind ausgestorben), aber zu jedem Menschen “Mensch” zu sagen, hilft nicht wirklich bei der Identifizierung. Da kann man von Europäern, Amerikanern, Asiaten, Australiern oder Afrikanern sprechen. Aber – der “N-Wort-Logik” folgend – müsste ich diese Begriffe verbieten, denn es sind Fremdzuschreibungen. Amerika wurde nach jemandem benannt, der nicht mal Amerikaner war. Wie peinlich ist das denn? Das waren Eroberer, Imperialisten. Wenn man zu Indianern (auch eine falsche Zuschreibung) “native Americans” sagt, dann bleibt das trotzdem ein rassistisches Wort (die N-Wort-Logik angewandt), da eben “American” eine Fremdzuschreibung ist. Selbst “First Nation” ist falsch, weil die Indianer nie eine Nation entwickelten, sondern auf der Stammesebene verharrten. Selbst “Indigene” ist Unsinn, weil es einfach nur Ureinwohner meint, also Menschen, die überall auf der Welt leben können. Ich wurde auch in Deutschland geboren, bin also ein Indigener.
Ich könnte das unendlich durchdeklinieren und es wäre immer das gleiche: Wir haben historisch gewachsene Begriff, die nicht immer glücklich gewählt wurden oder sogar falsch sind (wie “indians”), die uns aber das Leben und Lernen erleichtern. Alle paar Monate neue Modebegriffe zu erfinden, die doch wieder linguistisch angreifbar sind, hilft uns nicht weiter. Wir müssen lernen, Menschen respektvoll zu behandeln, egal wie sie genannt werden oder sich selbst nennen. Denn das sehen Menschen keineswegs uni sono. Andrew Onegbu in Kiel will Mohr genannt werden, andere nicht. Woher weiß ich, wer jetzt gerade wie genannt werden will? Kann man nicht auch Respekt von jemandem erwarten, den ich in freundlicher Art angesprochen habe und dabei ein Wort verwendet habe, dass er nun gerade nicht hören will?
Oder sollte jeder einen Button tragen “Nenne mich bitte so und so. Danke!”. In der Praxis war dies bisher noch nie nötig und ich habe in vielen Ländern der Erde gearbeitet.
Aber linksidentitäre machen daraus ein Problem. Deshalb bin ich da so wachsam. Das sind Neorassisten, bei denen wir aufpassen müssen. In deren Agenda gehören all die Dinge, die die Postmoderne noch unschuldig philosophisch durchdachte, die aber zunehmend in eine ideologische Dogmatik gegossen werden. Der Verbot des Negerkusses war nur ein Anfang. Bei vielen Weiterung sind wir uns ja einig, ich bitte nur um Sensibilisierung bzgl. der Sprache an sich…