In „Room without a View“ thematisiert Roser Corella die Ausbeutung junger Frauen, die im Libanon als „Maids“, also Haushaltshilfen, leben und arbeiten. Die Frauen kommen meist aus Bangladesch oder aus Ländern Afrikas und erhoffen sich im Libanon einen bezahlten Job, ein neues Leben. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Dokumentation war im Rahmen der Diagonale 2022 zu sehen.
von Lena Wasserburger
Der Film beginnt mit einem schwarzen Bild, es ist das Läuten eines Telefons zu hören. Auf Arabisch erkundigt sich eine Männerstimme nach den Preisen für Frauen verschiedener Herkunft. Einige kosten ein paar tausend US-Dollar, in manchen Fällen sind es nur 150 Dollar. Die Frau am Apparat rät, kein „Mädchen“ mit Erfahrung einzustellen. Denn die mit Erfahrung haben Anforderungen.
Es sind erschreckende Geschichten, die während des Films in Form von Voice Overs und Interviews erzählt werden. Frauen, ehemalige „Maids“, erzählen von menschenunwürdigen, ja grausamen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Libanon. Dass sie ihre Pässe gleich nach Ankunft abgeben mussten, die Häuser nie verlassen, nie Pausen einlegen durften. Einige von ihnen erzählen von emotionalem und körperlichem Missbrauch, von Kameradinnen, die sich das Leben genommen haben. Geschichten wie diese sind im Libanon nicht ungewöhnlich, das sogenannte „Kafala-System“, das dem Arbeitgeber die Macht über seine Arbeitskräfte zuspricht, wird zwar kritisiert, doch es besteht nach wie vor.
Das Publikum hört diese Geschichten, während es über weite Strecken dem Arbeitsalltag der „Maids“ folgt. Es wird geputzt, gewischt, gekocht oder Wäsche gewaschen. Die Bilder an sich offenbaren nicht, wie das Leben dieser Frauen tatsächlich aussieht. Ein Leben, das sich innerhalb einiger Quadratmeter abspielt. Es besteht ein Gegensatz zwischen Bild und Ton. Während die Bilder zunächst saubere Wohnungen, moderne Wohnhäuser, den oberflächlichen Schein zeigen, wird alleine über den Ton die traurige Realität enthüllt. So erzählt “Room without a view” eine Geschichte, die nach und nach düsterer wird. Dabei greift Roser Corella nicht auf schockierendes oder gar verstörendes Bildmaterial zurück. Vielmehr wird das Publikum selbst dazu aufgefordert, sich das Leben der „Maids“ vorzustellen. Unterbrochen werden die Bildsequenzen immer wieder von einem schwarzen Bild und Telefongesprächen, die jenem am Beginn des Films ähneln. Meist scheinen es Unterhaltungen zwischen Agenturen, die „Maids“ vermitteln und potentiellen „Kunden“ zu sein, doch die Stimmen bleiben gesichts- und namenlos. Und doch sind es gerade diese Szenen, die besonders bedeutungsschwer sind.
Fazit
„Room without a View“ ist eine Auseinandersetzung mit einer Form der Ausbeutung beziehungsweise des Menschenhandels, die aufzeigt, wie wichtig es ist, genau hinzuhören und hinter die Fassade zu blicken. So ist ein unglaublich vielschichtiger und dadurch auch sehr wichtiger Film entstanden, der aufklärend wie auch bestürzend wirkt.
Bewertung
(72/100)
Bild: (c) Roser Corella