Mit “Black Panther: Wakanda Forever” kommt nach dem Kinostart nun der neueste der MCU-Filme zu Disney+ ins Streaming (bzw. ist auch als VOD verfügbar) und komplettiert damit die Reihe der Phasen I bis IV. “Black Panther: Wakanda Forever” ist der zweite Teil der “Black Panther”-Reihe und Regie führt einmal mehr “Creed”-Regisseur Ryan Coogler. Mit einer Länge von 162 Minuten ist der Film eine knappe halbe Stunde länger als sein Vorgänger und nach “Avengers: Endgame” der zweitlängste MCU-Film überhaupt.
von unserem neuen Autor Richard Potrykus
“Black Panther: Wakanda Forever” setzt einige Zeit nach den Ereignissen aus Teil Eins an und beginnt mit der Beisetzung König T’Challas. Man hatte sich dafür entschieden, die Rolle des verstorbenen Chadwick Boseman nicht kommentarlos neu zu besetzen und stattdessen diegetisch auf die Suche nach einem neuen Helden, einem neuen Black Panther zu gehen. Die politische Lage ist angespannt. Ramonda (Angela Bassett), die Königin Wakandas, verweigert auf einer UN-Konferenz in Wien die unbedingte Freigabe des seltenen Metalls Vibranium, was dazu führt, dass einzelne Nationen weltweit auf die Suche nach dem Element gehen und auch auf dem Meeresgrund danach schürfen. Hierdurch kommen sie dem verborgenen Unterwasserreich Atlantis zu nahe, dessen Bewohner*innen sich angegriffen fühlen, die Schuld bei Wakanda sehen und einen Konflikt mit dem afrofuturistischen Staat provozieren.
Aus dem Konflikt entbrennt ein Krieg, welcher natürlich ganz im Sinne der Marvel-Ästhetik in eine finale Schlacht mündet. Auf den ersten Blick ist dies ziemlich wenig Handlung für mehr als zweieinhalb Stunden Filmdauer. Selbst, wenn man den Side-Plot um Riri Williams (Dominique Thorne) ignoriert, bleibt immer noch viel Zeit übrig. Zeit, die gefüllt werden möchte, Zeit, die der Film aber nutzt, um sich selbst Raum zu geben und um sich von seinem mittelmäßigen Vorgänger abzuheben.
Während “Black Panther” einen sehr einfach strukturierten Actionfilm repräsentiert, in dem stur einzelne Stationen einer Drei-Akt-Struktur abgehandelt werden, in dem es kaum Überraschungen und Wendungen gibt und in dem die Figuren flacher sind als Pfützen am Straßenrand, greift sich “Black Panther: Wakanda Forever” zwei Aspekte heraus, die der Film ausgiebig verarbeitet: Trauer und Kultur.
Die Trauer ist Teil der Handlung um die Hauptfigur Shuri (Letitia Wright), die nach dem Tod ihres Bruders mit dem Verlust zu kämpfen hat. Sie ist tief in ihren Gefühlen gefangen und weiß nicht, wie sie mit ihr umgehen soll. Gleichzeitig wird sie in die Öffentlichkeit gezerrt, soll die Führung übernehmen, Entscheidungen treffen und wird widerwillig ins Zentrum des Konflikts gestoßen, als sie auf den Antagonisten Namor (Tenoch Huerta), Herrscher Talocan, der Hauptstadt Atlantis’, trifft. Dieser befindet sich ebenfalls in einem Zustand der Trauer, doch ist diese bereits hunderte von Jahren alt und hat sich in eine trostlose Bitterkeit verwandelt.
Das Zusammenspiel von Shuri und Namor bildet den eigentlichen Konflikt des Films und es ist spannend, beide Unglücke zu erforschen und die Figuren in ihrem Umgang damit zu beobachten. Vor allem aber verfolgen wir Shuri und erfahren, wie sie nach und nach ihre Trauer durchlebt und sich weigert, ihre eigentliche Rolle zu übernehmen. Zu groß scheint die Aufgabe, für die sie bestimmt zu sein scheint. Natürlich ist klar, auf welches Ziel Shuris Werdegang hinarbeitet, aber der Film zeigt uns dieses Ziel nicht platt kommodifiziert, sondern als Resultat eines organischen Prozesses.

Der Aspekt der Kultur ist Kernstück des Worldbuildings von “Black Panther: Wakanda Forever”. Natürlich sehen wir wieder in zahlreichen Einstellungen eine mehr oder weniger romantisiert ausstaffierte afrikanische Landschaft und eine Unmenge an bunten Gewändern, doch dieses Mal (im Gegensatz zum ersten Teil) haben wir hier mehr als nur Kostüme auf einer Leinwand. Die Kleidung wirkt lebendig und scheint organischer Bestandteil von Wakanda zu sein. Die Architektur wurde in die Landschaft integriert, es gibt Illustrationen an Häuserfassaden, die an Darstellungen Nelson Mandelas erinnern, und der Anteil an afrikanischen Sprachen ist eindeutig größer als in “Black Panther”. Wakanda wird zum Schmelztiegel und zur Repräsentationsfläche von Kulturen afrikanischen Ursprungs. Aus einer Anzahl loser Stämme, die auch die Basis für ein Computerspiel hätten sein können, wird eine facettenreiche Nation. Der Sprung hinüber in die Karibik wird gewagt. Haiti nimmt eine bedeutende Rolle ein und zeigt, dass Afrika nicht isoliert und auf einen Kontinent begrenzt ist.
Technisch kann “Black Panther: Wakanda Forever” hier seine Stärken ausspielen. Es gibt eine achtenswerte Liebe zum Detail. Namor und sein Atlantis haben ihren Ursprung in Mittelamerika und werden nicht weniger ansprechend inszeniert. Bemerkenswert ist auch hier der technische Aufwand. In einzelnen Szenen ist eindeutig zu erkennen, dass echte Unterwasseraufnahmen verwendet wurden, bei denen die Schauspieler*innen unter Wasser agierten, als wären sie in ihrer regulären Umgebung. So schafft die Gegenüberstellung beider Kulturen punktuell ein Erlebnis, in dem wir beinahe vergessen, dass wir “nur” einen Marvel-Film sehen.
Leider ist “Black Panther: Wakanda Forever” am Ende aber eben doch ein Marvel-Film und so kann eine Frage nicht endgültig beantwortet werden: Bildet die Handlung den MacGuffin, also ist die Handlung nur der Trigger, der Kultur Raum gibt, oder fungiert Kultur als Legitimation für die Superhelden-Action? Zu Gunsten dynamischer CGI-Battles wird das Worldbuilding dann doch immer wieder über Bord geworfen und schließlich wird auch das Gesetz der Serie einmal ausgespielt. Da alles immer weitergehen muss, bekommt die bereits erwähnte Riri Williams, die auf Biegen und Brechen in den Film hineingeschrieben wurde, ihren großen Auftritt und es bleibt auch über den Film hinaus ein Rätsel, weshalb dies geschehen ist. Zur Handlung trägt die Figur kaum etwas bei und als Deus ex machina (also als jener glückliche Zufall, der die Wendung ermöglicht) zeigt sie eindrücklich, wie man es nicht machen soll. Als jüngeres Substitut für einen verstorbenen Iron Man kann sie vielleicht noch dienen, wenn ein Cross-Over mit den Power Rangers in Erwägung gezogen wird und ja, natürlich ist sie eine Art Teaser für die nächste MCU-Miniserie, die voraussichtlich im Herbst 2023 auf Disney+ an den Start gehen wird. Trotzdem: Gebraucht hätte es die Figur nicht.
Fazit:
Wer den ersten Teil gemocht hat, wird auch mit “Black Panther: Wakanda Forever” eine Freude haben, und wer “Black Panther” nichts abgewinnen konnte, sollte Teil zwei dennoch eine Chance geben. Der Film bietet große Schauwerte und zeigt, dass es durchaus möglich ist, einen Superhelden-Film in ein MCU zu integrieren, abseits einer All-White-Monochromie, in dem schwarze Kultur einen Platz beanspruchen und für sich behaupten kann. Seit 1.2. auf Disney+ und bei diversen Anbietern als VOD verfügbar.
Bewertung:
(75/100)
Unser neuer Autor Richard Potrykus betreibt auch den Film-Blog Celluloid Papers.
Bilder: © 2022 MARVEL