Das Szenario im Kinodebüt “Der Pfau” von Regisseur Lutz Heineking Jr. klingt mehr als vielversprechend: Ein altes verwinkeltes Herrenhaus. Eine Leiche. Etliche Verdächtige und eine Köchin, die mit detektivischer Spitzfindigkeit den falschen Braten wittert. Eine deutsche Krimikomödie, angelehnt an Whodunits von Agatha Christie und im ähnlichen Stil wie „Knives Out“, könnte man auch im Angesicht des großen Staraufgebots vor der Kamera meinen. Aber anstatt als Zuschauer selbst mitspielen zu dürfen im Komplott ums titelgebende Federvieh, wird man zum passiven Teilnehmer, dem man herzlich wenig Kombinationsgabe zutraut. Das wäre nur halb so schlimm, wenn sich das potenziell kuriose Teammeeting nicht ohnehin schnell am cleveren und aberwitzigen Mördermystery vorbei zu einer wahnsinnig langatmigen und ermüdend zähen Partie Cluedo entwickeln würde. In der man dann auch noch mit offenen Karten spielt.
von Madeleine Eger
Kurz vor der Übernahme durch eine andere Bank muss für Chefin Linda Bachmann (Lavinia Wilson) und ihre Mitarbeiter auf einem weitläufigen schottischen Anwesen noch ein eigens organisiertes Teambuilding Event her. Aber weder Bernhard Toschner (Serkan Kaya), Andreas Voigt (Tom Schilling) noch David Wächter (David Kross) haben wirklich Lust auf den Ausflug ins ländliche Nirgendwo. Schließlich ist die Bilanz gerade schlecht und jeder von ihnen könnte als Nächster seinen Job verlieren. Nur Jim Wellmann (Jürgen Vogel) kann dem Teamseminar auch noch mit der drohenden Umstrukturierung des Unternehmens etwas abgewinnen. Die Stimmung ist also alles andere als gut, als Seminarleiterin Rebecca (Svenja Jung) mit fragwürdigen Aufgaben versucht, die Anzugträger wieder etwas näher zusammenzubringen. Und als wäre das nicht schon genug für ein unbequemes Wochenende, liegt plötzlich einer der geliebten Pfauen von Lord McIntosh (Philip Jackson) tot im Vorgarten. Ein Vogelmord, der das gegenseitige Misstrauen unter den Gästen nur noch weiter schürt …
Ein verrückt gewordener Pfau, der bei der Farbe Blau komplett Rot sieht und der mit seinen Hackattacken weder vor Koffern noch vor Mülltonnen oder dem nagelneuen Audi von Linda Bachmann Halt macht ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, die auf dem Bestsellerroman von Isabel Bogdan basiert. Der Vogel, der das Übernachtungsgeschäft der McIntoshs ruiniert, muss weg. Darin sind sich die Haus- und Landbesitzer schnell einig. Ein Umstand, aus dem das Drehbuch von “Der Pfau” gar kein Geheimnis macht und den Lord samt Flinte auf die (erfolgreiche) Jagd schickt. Eine Exposition, die Annette Frier als Erzählerin aus dem Off zusätzlich bis ins Detail erläutert und die damit den Film auch in Hinblick auf die Rätsel um den seltsamen Tod des Vogels und den möglichen Täter jeglicher Spannung beraubt. Da glaubt am Ende nämlich nur noch sie selbst, ihr Hund hätte den Pfau zwischen die Kiefer bekommen und sie müsse den vermeintlichen Unfall irgendwie vertuschen. Für eine Krimigeschichte, die für das Publikum längst auserzählt ist, hat das natürlich kaum mehr Relevanz. Indes wiederholen sich Szenen bruchstückartig, aber eben nicht, um neue Hinweise zu liefern, sondern lediglich um die spärliche Handlung am laufen zu halten und die Figuren fernab ihres angestammten Milieus agieren zu lassen.
Überraschend wenig setzt man dabei auf überspitzten Humor oder Situationskomik, die sich angesichts der seltsamen Teambuildingmaßnahmen und dem „Fish-out-of-water“ Prinzip theoretisch hätten entwickeln können. Wenn also die Bänker angehalten werden, ihre Vorstellung des Teams mit Wachsmalstiften abstrakt auf Papier zu bringen oder im Wald gemeinsam eine Hütte zu bauen, fällt den Drehbuchautoren nicht viel mehr als ein schnippischer Spruch ein, den sie ihren entnervten Büroakrobaten in den Mund legen können. Und dessen wenig pointierte Wirkung sich sogleich auch in Luft auflöst. Wenngleich jede der Figuren ihre eigenen kleinen Geheimnisse mitschleppt, Annette Friers Küchenfeeverschnitt eines Benoit Blanc hat die Gäste, die nun während des Wochenendes immer mal wieder mit Sorgen, Zweifeln und Misstrauen in ihrer Küche eintrudeln, selbstverständlich fix durchschaut und lässt uns an ihren Entdeckungen in ausführlichen Off-Monologen teilhaben.
Neben der verpassten Chance, mit einem großartigen Cast eine flotte Komödie auf die Beine zu stellen, ist das wohl die größte Enttäuschung, die dem Film innewohnt. Das konsequente Auserzählen jeglicher Handlungen und Gedanken entzieht der Story die Spannung, die vorgeblichen Überraschungsmomente und kleineren Offenbarungen. Obwohl „Der Pfau“ technisch sehr wertig erscheint, Stimmung und Atmosphäre mag in dem Film einfach zu keiner Zeit aufkommen. So bleibt schlussendlich nicht viel mehr als eine ermüdende Geschichte, bei der es am Ende gefühlt um nichts geht.
Fazit
„Der Pfau“ glänzt mit einem hübschen Erscheinungsbild und einem Setting, das das Zeug dazu gehabt hätte, den Whodunits der vergangenen Jahre Konkurrenz zu machen. Wäre da nicht das Drehbuch (und die gleichwohl zahme Buchvorlage), das entgegen der Erwartungen weder Komödie noch Krimi zulässt und das Publikum mit einem alles enthüllenden Monolog seiner Erzählerin füttert. Noch irritierender als der Umstand, dass man den vermeintlichen Mord schon in der Exposition aufdeckt, sind am Ende dann doch nur Jürgen Vogels falsche Zähne. Eine herbe Enttäuschung. Seit 16.3. im Kino.
Bewertung
(35/100)
Bild: (c) TOBIS Film Gmb