Der Wohnpark Alterlaa in Wien entstand 1973 als innovatives Zukunftsprojekt, als Utopie, als Stadt in der Stadt mit eigener Infrastruktur. Die Idee des Architekten Harry Glück sollte eines ermöglichen: “Leben wie die Reichen” für alle – Pool auf der Dachterrasse inklusive. Der Versuch Alterlaa gelang und galt jahrzehntelang als Vorzeigebeispiel einer funktionierenden Satellitenstadt.
von Christian Klosz
Wie viele seiner Bewohnerinnen und Bewohner ist inzwischen auch der Wohnpark selbst in die Jahre gekommen: Die einen bezeichnen ihn als Paradies für “analoge Menschen”, die andere als größtes Altersheim Österreichs. Die Regisseurin Bianca Gleissinger, in den 80ern und 90ern selbst in Alterlaa aufgewachsen, besucht in “27 Storeys – Alterlaa Forever” ihr altes Zuhause und widmet ihm ein unterhaltsames Filmporträt.
Gleissinger montiert ihre Doku als Mosaik aus ihren persönlichen Erinnerungen und Fotos, Interviews mit heutigen Bewohnern Alterlaas und deren Erinnerungen an “früher” und Aufnahmen aus der Gegenwart. Technisch ist das durchaus interessant umgesetzt und sorgt in Kombination mit dem gelungenen Schnitt für ein angenehmes, flottes Erzähltempo und ein heterogenes Porträt aus mehreren Perspektiven, das trotzdem stimmig wirkt und dessen zeitweilige Skizzenhaftigkeit nicht negativ auffällt. Auch der eher unübliche Schritt, als Filmemacherin selbst im eigenen Werk als “Figur” aufzutreten, stört nicht und ist angesichts der Tatsache, dass “Alterlaa Forever” auch ein subjektiver Trip Gleissingers in ihre Vergangenheit ist, schlüssig.
Die Gespräche mit den inzwischen Großteils betagten Bewohnern und Bewohnerinnern zeigen, dass für viele von ihnen die “Utopie Alterlaa” weiter lebendig ist, sie sich dort, wo sie seit langem leben, wohl fühlen, viele Vorteile schätzen und nicht wegziehen wollen würden, wenn sie müssten. Anders geht es da so manch Jüngeren, die mit der Infrastruktur vor Ort (diverse Vereine, Clubs, Lokale, Treffpunkte…) wenig anfangen können oder wollen, für die – vielleicht weil sie eben nicht “von Anfang an dabei” waren – Alterlaa ein Wohnhaus wie alle anderen ist. “27 Storeys – Alterlaa Forever” ist damit auch ein verspätetes Porträt des Wiens der Babyboomer, des Aufschwungs der 70er und 80er, das mehr über die Vergangenheit erzählt als über die Gegenwart.
Daran lässt sich auch die einzige Kritik an Gleissigers Film knüpfen: Er hinterfragt individuelle und kollektive Vergangenheit, ignoriert aber weitgehend Gegenwart und Zukunft. Wie ließe sich die sterbende “Utopie Alterlaa” in eine krisengebeutelte Gegenwart und unklare Zukunft mit all ihren Fragen, Krisen und Herausforderungen übersetzen? Diese Frage stellt “Alterlaa Forever” leider nicht, weshalb hinter dem selbst gewählten Titel am Ende ein großes Fragezeichen aufscheint. Vielleicht war der Zweck aber auch von vornherein Nostalgie und Eskapismus in einer vergangene, “bessere Zeit” gewesen.
Fazit
“27 Storys – Alterlaa Forever” ist ein kurzweiliges, solide umgesetztes Porträt eines der interessantesten Wohnprojekte in unseren Breiten. Es verbinden sich individuell-persönliche, kollektiv-gesellschaftliche und historisch-soziologische Perspektiven zu einem spannenden Doku-Mosaik, das allerdings zu sehr nach hinten und zu wenig nach vorne schaut, um nachhaltig von Relevanz zu sein. Seit 2.6. in den österreichischen Kinos.
Bewertung
(70/100)
Bild: (c) Polyfilm