Mit “The Flash” von Andy Muschietti startet nun der neueste DC-Film in die Kinos, der im Justice-League-Kosmos spielt, welcher bereits aus den Filmen Zack Snyders bekannt ist.

von Richard Potrykus

Barry Allen (Ezra Miller) aka The Flash ist Mitglied der Justice League, hat eine Fanbase, sieht sich mit Bruce Wayne (Ben Affleck) befreundet und ist schwer traumatisiert durch den Tod der Mutter (Maribel Verdú) und die daraus resultierende Verurteilung seines Vaters (Ron Livingston), des vermeintlichen Mörders. Trotz bedeutungsschwangerer Phrasen, nach denen Verluste zwar schlimm, aber auch ein Teil dessen sind, was einen Menschen zu dem machten, der er oder sie wäre, schafft es Barry nicht, dieses Erlebnis zu verarbeiten. Durch seine Superkraft, schnell wie ein Blitz zu sein, glaubt Barry, durch die Zeit reisen und die Ermordung verhindern zu können, ohne dabei einen Butterfly-Effect auszulösen.

Gesagt, getan. Wieder auf dem Weg zurück in die Gegenwart wird Barry von einem Unbekannten aus der Bahn geworfen, wodurch er in einer Zeit landet, die nicht seiner ursprünglichen Gegenwart entspricht. Hier trifft die Figur auf sich selbst und seine Eltern, beide lebendig und auf freiem Fuß. Es entsteht eine lustige und auch ein wenig absurde Farce zwischen den beiden Barrys, die jäh unterbrochen wird, als Zod (Michael Shannon) die Erde angreift. Da es in dieser Realität Superman nicht gibt, suchen sie Hilfe bei Batman. Dieser ist jedoch ein anderer Wayne als zu Beginn, wird gespielt von Michael Keaton, ist stark gealtert und schon lange nicht mehr als Superheld aktiv. Die beiden Barrys können den einstigen dunklen Ritter allerdings davon überzeugen, ihnen zur Seite zu stehen und gegen Zod ins Gefecht zu ziehen.

BILLIGES MULTIVERSE

Um es kurz zu machen, kann gesagt werden, dass jene, die auf einfach strukturierte Comicadaptionen stehen, Gefallen an diesem Film finden werden. Alle anderen werden mehr als ein Problem mit ihm haben.

“The Flash” versucht mit einer Interpretation des Flashpoint Paradox auf den Multiverse-Zug aufzuspringen und scheitert dabei mit Bausch und Bogen. Anstelle wirklich parallele Realitäten aufzumachen, verharrt der Film im Singular, also in einer einzigen parallelen Realität, die sich zudem in einem Minimum von der Ausgangslage unterscheidet. Es gibt nur wenige Punkte, in denen hier Veränderungen auszumachen sind, und alle können entweder auf die Handlung oder die Produktionskosten zurückgeführt werden. Einerseits werden auf die Art hohe Gagen gespart, weil diverse Held*innen kaum oder gar keine Screentime haben, andererseits werden lieblose Fanservices als multiversales Großereignis gefeiert. Was fehlt, ist echtes world building, also das Erschaffen einer echten, substantiellen filmischen Welt.

Hier und da bekannte Elemente auszutauschen macht noch keine neue Realität. Der Reiz von Multiversen und parallelen Welten liegt darin, Geschichten von einer anderen Seite aus zu betrachten und wahrhaftige “Was wäre wenn…”-Gedankenspiele zu präsentieren. Und so gibt es in den Comicvorlagen des Flashpoint Paradox einen Strang, in dem nicht die Eltern von Bruce Wayne sterben, sondern Bruce erschossen wird. In der Folge entwickelt sich Thomas Wayne zu Batman und Martha Wayne wird zum Joker. Als Resultat gibt es nicht nur eine alternative Geschichte, sondern auch eine besondere Verhandlung der Beziehung zwischen dem dunklen Ritter und dem Clown Prince of Crime. Dieser verhandelnden Ebene fehlt es “The Flash” komplett.

Wie bereits erwähnt und auch aus den Trailern seit langem bekann, ist Keatons Batman Teil dieses Films. Zu diesem Zwecke bemühen sich die Macher*innen um ein wenig Nostalgie. Man sieht das alte Kostüm, sieht das alte Batmobil (welches aber nicht zum Einsatz kommt) und hört das alte Batman-Theme von Danny Elfman. Keaton sagt auch einmal “I am Batman” und wiederholt seinen ikonischen Satz “Let’s get nuts” aus 1989. Mehr wird in diese Rolle nicht investiert. Es gibt keinerlei Gothic-Elemente und auch die einstige Starrheit, bedingt durch das ursprüngliche Kostüm, existiert nicht. Stattdessen ist dieser gealterte Batman agil wie kaum ein Batman zuvor und Teil der eindimensionalen Masse, die die Grundlage für „The Flash“ bietet. Keaton ist damit Teil des Films, Keatons Batman leider nicht.

STYLE OVER SUBSTANCE

Neben Keaton kommt auch Supergirl (Sasha Calle) vor. Sie soll anstelle von Superman mit in den Kampf ziehen. Doch ihre Rolle, die mit emotionaler Tiefe angelegt wird, erfährt ebenso keine Entfaltung wie jene von Batman und verkommt zu Beiwerk.

Optisch hat die „Flash“-Adaption zwar etwas zu bieten, doch wird der Einsatz von CGI-Elementen überstrapaziert. Zudem zeigen sich in den Momenten, da Flash so schnell ist, dass die Zeit verlangsamt wird, dass man nach gegenwärtigem Stand der Dinge zwar einen sprechenden Waschbären auf höchstem Niveau animieren kann, es aber bei menschlichen Figuren noch viel Luft nach oben gibt.

Geschwindigkeit und Stillstand sind zudem zwei Elemente, die diese Adaption nicht recht zu vereinen weiss. Während die Welt um Flash in Super-Zeitlupe präsentiert wird, setzen nachfolgende Sequenzen anscheinend nicht unmittelbar dort an, sondern später, also zeitversetzt, wodurch der Film inkonsistent und brüchig wirkt. Im großen Finale kommt es zudem nicht nur zum CGI-Overkill, sondern auch zu einer Animation von zusammenbrechenden (parallelen) Welten, einfallslos visualisiert durch digitale (Welt-)Kugeln im kunterbunten Raum.

“The Flash” hätte viel besser (oder überhaupt) funktionieren können, hätten die Macher*innen Bodenständigkeit und Fantasie bewiesen. Eine Handlung rund um eine einzige parallel laufende Version der eigenen Welt hätte vollkommen gereicht. Stattdessen wird die Handlung auf einfachste Muster reduziert, ein Fanservice-Element nach dem anderen in den Film gestopft und das ganze Projekt, welches mit 144 Minuten ohnehin viel zu lang ist, künstlich, weil digital am Leben gehalten.

Seit “Everything, Everywhere, all at once” ist bekannt, wie ein gutes Multiversum verhandelt werden kann, und auch Marvel/Sony zeigen in genug Beispielen, von “Doctor Strange” bis “Spider-Man: Across The Spider-Verse”, wo das Potential verstanden und genutzt wird und wo das Publikum nach einiger Zeit genervt oder gelangweilt die Lust am Film verliert.

Fazit

Alles in Allem ist “The Flash” kein schlechter Film. Ezra Miller liefert eine gute schauspielerische Leistung ab und wechselt immer wieder zwischen überdrehter Comedy und der Verzweiflung, hervorgerufen durch die Unfähigkeit, Geschehenes rückgängig machen zu können. Auch Keaton und Calle präsentieren sich auf hohem Niveau, kommen aber nicht zur Geltung, weil der Film Style weit über Substance setzt. Am Ende ist “The Flash” daher ein unwichtiger Film, den man sehen kann – oder auch nicht. Seit 15.6. im Kino.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(58/100)

Richard Potrykus betreibt auch den Film-Blog Celluloid Papers.

Bild: (c)  2023 Warner Bros. Entertainment Inc