Seit ein paar Tagen ist auf Netflix eine neue Crime-Dokuserie verfügbar: „Der König, der niemals einer war“. Die Charts dominieren allerdings aktuell andere Titel und nach der Veröffentlichung ging die italienische Produktion erst einmal unter. Ebenso wie heute der Inhalt der Serie und ihre Protagonisten selbst.

von Lena Wasserburger

Auf der Île de Cavallo, einer französischen Insel zwischen Korsika und Sardinien, ereignete sich im Sommer 1978 etwas, das einen jahrzehntelangen Rattenschwanz hinter sich herziehen sollte. 32 Jahre zuvor stimmte die italienische Bevölkerung für eine neue Staatsform und gegen die Monarchie. Die italienische Adelsfamilie, das Haus Savoyen, verbannte man ins Exil. Dem letzten italienischen Kronprinz, Viktor Emanuel von Savoyen, wurde es nicht gestattet, in seine Heimat Italien zurückzukehren, im Ausland lebte er mit seiner Familie allerdings dennoch im Luxus. Doch an einem Augusttag im Sommer 1978 nahm das Leben des Königs, der niemals einer war plötzlich eine unerwartete Wendung.

An diesem Tag unternimmt eine Gruppe junger Urlauber aus Italien einen Tagesausflug zu der Insel Cavallo und erregt den Unmut des Prinzen, der dort selbst mit seiner Familie seinen Urlaub verbringt. Viktor Emanuel fühlt sich zunächst nur gestört, doch die Situation eskaliert, als die Gruppe ein Schlauchboot des Adligen benutzt. Viktor Emanuel konfrontiert die Reisegruppe, es kommt zu einer Schießerei. Zweimal feuert Viktor Emanuel Schüsse aus seinem Gewehr ab. Eine Kugel trifft den jungen Studenten Dirk Hamer, der zunächst lebensgefährlich verletzt wird und vier Monate später seinen Verletzungen erliegt. Der italienische Ex-Kronprinz wird verhaftet, der Fall scheint zunächst abgeschlossen, doch dann pocht Viktor Emanuel plötzlich, nach bereits gestandener Tat, auf seine Unschuld, zieht sein Geständnis zurück, wird freigelassen, freigesprochen und wäscht seine Hände fortan in Unschuld. Für die Familie des Opfers, allen voran Birgit Hamer, die Schwester des Verstorbenen, ist die Angelegenheit alles andere als erledigt, sie will Gerechtigkeit für ihren Bruder, auch, wenn das bedeutet, dass sie es mit der gesamten Adelsfamilie und ihren einflussreichen Kontakten aufnehmen muss.

Die Serie besteht aus drei recht knackigen Episoden, die jeweils mit einem ansprechend gestalteten, dynamischen Intro eröffnet werden, das das Setting der 70er Jahre etabliert. Diese Dynamik kann die Serie allerdings nicht durchgehend halten. Es handelt sich bei der Serie natürlich um eine Nacherzählung der damaligen Geschehnisse, wie es in diesem Genre nun einmal üblich ist und dennoch wirkt es stellenweise fast, als würde man sich in diesem Fall nur hastig von Ereignis zu Ereignis hangeln, um möglichst alles knapp abzudecken. Aber natürlich: Ein Fall, der mehrere Jahrzehnte umspannt, birgt jede Menge Inhalt, Wendungen und Informationen, die es aufzubereiten gilt. Es fällt somit schwer, Dokuserien wie „Der König, der niemals einer war“ für ihre Erzählweise zu kritisieren, da es sich immerhin auch um reale Geschehnisse handelt. Der Fokus der Produzenten lag eindeutig darauf, die Protagonisten ihre persönlichen Geschichten in eigenen Worten erzählen zu lassen. Dies gilt sowohl für den nach wie vor seine Unschuld beteuernden Viktor Emanuel wie auch für Birgit Hamer, die wohl interessantesten Charaktere der Geschichte. Auf der einen Seite Topmodel und Schauspielerin Birgit Hamer, die alles daran setzt, den mutmaßlichen Täter zur Verantwortung zu ziehen und auf der anderen Seite der König, der niemals einer war und niemals einer sein wird, und das, obwohl er wohl gerne ein König gewesen wäre. Denn Viktor Emanuel scheint die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwird durchaus zu genießen. Dabei ist seine Unschuld, so sehr er auch auf sie schwört, heute kein Teil der Debatte mehr.

Ohne zu viel zu verraten, kann festgehalten werden, dass der Fall ein Ende gefunden hat, zumindest inoffiziell. Dennoch, auch am Ende der Dokumentation ist das Bild der Figur Viktor Emanuel von Savoyen weder schwarz noch weiß. Es bleibt das Gefühl, dass in der Serie fast ausschließlich nach dem „Wer?“ und kaum nach dem „Warum?“ gefragt wurde. Was sind die Beweggründe, was sind die Motivationen, die einen Mann wie Viktor Emanuel antreiben oder letztendlich dazu bewegt haben könnten, in einem Streit um ein gestohlenes Schlauchboot eine Waffe zu zücken? In dieser Sache bleibt die Dokumentation sehr vage, die Fakten werden scheinbar geklärt, die Hintergründe bleiben gefühlt ein wenig zu offen.

Fazit

Mit „Der König, der niemals war“ erweitert Netflix wieder den Katalog im True Crime-Bereich. Die Serie sticht qualitativ nicht hervor, ist jedoch durchaus interessant und spannend genug, um drei Stunden zu investieren und die drei Episoden in einem Rutsch anzusehen.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(60/100)

Bild: (c) Netflix