Schon seit einigen Monaten macht der Produktions-Gigant schlechte Schlagzeilen, sei es aufgrund von Filmflops oder gescheiterten Geschäftsideen. Nun geistern sogar Gerüchte über einen Verkauf der Firma an Apple durch die Medien. Doch hat das Geflüster tatsächlich Gehalt?

Von Natascha Jurácsik

Im Jahr 2023 schreibt Disney auf dem Aktienmarkt rote Zahlen – zwar brachte das vergangene Quartal mehr Einnahmen, doch aus dem Schneider ist der Konzern noch lange nicht. Gründe dafür gibt es viele: Nicht zuletzt das schwindende Interesse an Kabel-TV-Abos, das vor allem in den USA immer spürbarer ist. Streaming-Anbieter werden mehr und mehr bevorzugt, da sie häufig günstiger sind, eine recht große Auswahl an Film- und Serienangeboten haben und diese – bis jetzt zumindest – nicht durch lästige Werbepausen unterbrechen. Somit nehmen Abos für Disneys TV-Produkte wie National Geographic, ABC und FX stark ab. Besonders betroffen ist der Sender ESPN, der sich auf Sportinhalte spezialisiert und trotz eigenem Streaming-Angebot in Form von ESPN+ zum Problemkind für das House of Mouse wurde; um dem entgegenzuwirken, versucht sich der Sportsender nun als Wettplattform durch einen Deal mit dem Glücksspielkonzern Penn Entertainment, doch ob dies die Verluste ausgleichen wird, wird muss sich erst noch zeigen.

Fakt ist, dass die TV-Abos lange als finanzieller Puffer für Disney galten und Stabilität in die Zahlen brachten – fällt diese weg, könnte es am Aktienmarkt hässlich werden. Die Hoffnung, dass Disneys Streaming-Anbieter die Rolle des sicheren Geldbeutels übernehmen bleibt unerfüllt: Zwar stieg die Anzahl an neuen Abos kürzlich, doch verglichen mit den vergangen zwei Jahren kann man Disney+ und Co. 2023 wohl kaum als großen Erfolg bezeichnen.

Auch die bislang lukrativen Freizeitparks des Konzerns schafften es seit Beginn der Pandemie bislang noch nicht wieder zu alter Größe zurück und verlieren stetig an Einnahmen. Zwar nahm die Zahl an verkauften Tickets im vergangenen Quartal zu, doch der langsame Rückgang der Besuchszahlen und Hotelbuchungen lässt sich schon seit einer Weile beobachten. Hinzu kommt das gescheiterte Projekt des Galactic Starcruisers, ein Luxushotel im Star Wars Look, welches gerade mal ein knappes Jahr lief, bevor es als Misserfolg eingestuft und mit hohen Verlusten geschlossen wurde. Nur eine von vielen fehlgeleiteten Business-Ideen der Firma aus den letzten Jahren.

Quantität statt Qualität

Aber das Problem, welches auch von Kinobesuchern wohl am stärksten wahrgenommen wird, ist die mangelnde Qualität der Film- und Serienproduktionen aus dem Maushaus. Zwar wäre es übertrieben, neuere Beiträge wie „Arielle“, „Elemental“ und „Indiana Jones 5“ als kompletten Reinfall zu bezeichnen, doch die Zeit der einstigen Kassenschlager ist definitiv vorbei. Auch der ehemalige Goldesel Marvel nimmt seit „Avengers: Endgame“ stetig an Beliebtheit ab. Und das zu Recht: Disney legt schon länger einen Fokus auf die Menge neuer Filme, die produziert werden, statt in innovative, kreative Projekte zu investieren.

Seit den 2000ern kristallisiert sich die Strategie des Konzerns klar heraus und macht deutlich, dass die Akquise interessanter Konkurrenten eine weitaus höhere Priorität hat als die Produktion eigener Inhalte. Beispiele hierfür sind Pixar, Marvel und Lucasfilm – alles Marken, die sich mit ihren Produkten als ernstzunehmende Gegner entpuppten und kurzerhand aufgekauft wurden. Pixar drohte Disneys Zeichentrick-Streifen mit ihren neuartigen Animationsfilmen von der Leinwand zu stoßen, Marvel erwies sich mit dem ersten Teil von „Iron Man“ – damals unter dem Banner von Paramount Pictures – als wahre Entertainment-Schatztruhe und Lucasfilm ließ mit der Erfolgsfranchise Star Wars auf mehr Profit hoffen denn je.

Doch was wurde aus diesen scheinbar todsicheren Anschaffungen, nachdem die Maus das Ruder übernommen hatte? Allesamt stiegen sie erst zu neuen Höhen des finanziellen und kritischen Zuspruchs auf, bevor sie dann nach und nach an Magie verloren. Weder „Lightyear“ noch „Elemental“ brachten Pixar große Profite ein, die letzten paar Superhelden-Beiträge waren ebenfalls eine Pleite, Star Wars gilt spätestens seit „Der Aufstieg Skywalkers“ als verschwendetes Potenzial – mit Ausnahme einiger Hits wie „The Mandalorian“. Und der Haufen an lieblosen Live-Action-Remakes alter Favoriten, die schamlos auf den Nostalgiefaktor setzen, überzeugen schon länger nicht mehr.

Schuld daran ist unter anderem die Quantitätsstrategie, welche von Disney verfolgt wird und sich in den letzten Jahren eindeutig zuspitzte: Wo Comic-Fans jährlich mit einem, höchstens zwei Filmen rechnen konnten, werden seit dem Ende der beliebten Infinity-Saga sogar vier neue Beiträge binnen weniger Monate auf die Leinwände gezaubert – nebst zahlreichen Spin Offs auf Disney+. Dieses Schema lässt sich auf so ziemlich jeden Bestand des Produktionsgiganten übertragen und das Resultat sind immer mehr Projekte mit stetig sinkendem Niveau.

Sparmaßnahmen als Notlösung

Um so schnell wie möglich die Gewinne zu verbessern, setzt Disney-Chef Bob Iger auf diverse Tricks, um Geld zu sparen, wo es nur geht. So werden demnächst wieder die Abo-Preise für diverse Streaming-Plattformen der Firma teurer, wobei gleichzeitig mehrere Inhalte von Disney+ gestrichen werden, um die Lizenzkosten zu umgehen. Parks, Hotels und Kreuzfahrten unter dem Maus-Logo dürfte ein ähnliches Schicksal ereilen und wenn das alles nicht reicht, wird nun auch das Angebot an physischen Medien wie DVDs und Blu-Rays stark eingeschränkt. Inwiefern das Personal für die jetzige finanzielle Situation büßen muss, stellt sich vermutlich noch heraus, doch sollte man in nächster Zukunft gewiss mit einer Welle an Entlassungen und Lohnsenkungen rechnen.

Fazit

Dass Disney kurz vor dem Ruin steht, wäre wohl übertrieben, aber der momentane Stand des Konzerns ist alles andere als rosig. Ob die Gerüchte über einen möglichen Kauf durch Apple sich erfüllen werden, ist schwer zu sagen – möglich wäre es. Bob Iger und Steve Jobs waren bekanntlich gute Freunde und spielten schon früher mit dem Gedanken ihre Firmen zu kombinieren. Hierfür müsste Disney allerdings zunächst einige Anlagen loswerden, da sonst der Staat wegen Monopolisierungspotenzial eingreifen könnte. Doch nach heutigem Stand ist solch eine Verschmelzung beider Namen ohnehin nur Spekulation.

Allerdings könnten die Krisenzahlen Igers kritische Einstellung dem noch anhaltenden Streik in Hollywood gegenüber erklären, auch wenn diese eindeutig fehlgeleitet ist. Fakt ist, dass sich Disney an die neue Medienlandschaft anpassen und dringend qualitativ etwas anspruchsvollere Produktionen in Gang setzen sollte, um die hier zusammengefassten Schwierigkeiten mehr oder weniger heil zu überstehen und enttäuschte Fans wieder für sich zu gewinnen. Sonst heißt es vielleicht wirklich bald aus die Maus.

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