Zwei junge Menschen treffen einander nach 10 Jahren in einem Pariser Nachtclub wieder. Sie will eigentlich nur jedes Wochenende Feiern. Er dagegen wartet auf „Etwas“. Der Beginn einer Nachtclub-Fabel: “Das Tier im Dschungel” startet heute in den österreichischen Kinos.

von Christoph Brodnjak

Die französisch-österreichische Koproduktion unter der Regie von Patric Chiha basiert eigentlich auf einer Kurzgeschichte von Henry James aus 1903. Handeln tut der Film aber Ende der 1970er in Paris. Zumindest beginnt er hier. Denn die Handlung streckt sich hier über Jahre und Jahrzehnte. Die 25-jährige May (Anais Demoustier) ist die klassische Nachtschwärmerin. Eines Abend geht sie mit ihren Freunden in einen neu eröffneten Club, den „Club ohne Namen“. Die Schlange ist lang, eingelassen wird nur, wer von der geheimnisvollen Türsteherin in schwarzer Kutte (Beatrice Dalle) persönlich auserwählt wird. Sie ist es auch, die via Voice Over durch die Handlung des Films führt. In diesem Club trifft May auf John (Tom Mercier, “Synonymes”). Sie hat ihn vor 10 Jahren auf ein Bier eingeladen, er erinnert sich nicht mehr an sie. Sie erinnert sich aber sehr gut, vor allem, dass er sie damals in sein Geheimnis eingeweiht hat. Er wartet auf „etwas“, etwas Großes, Absolutes. Erst dann kann er wirklich zu Leben beginnen. Nichts Religiöses oder dergleichen, stellt er aber klar. „L‘amour?“ fragt May. „Nein.“, sagt John, das wäre zu banal.

May beschließt, John auf seinem „Abenteuer“ zu folgen. Jeden Samstag treffen sie sich im selben Club wieder. Außerhalb haben sie keinen Kontakt. Tanzen tut er nicht. Eigentlich hat May einen Freund, er kommt auch manchmal mit ihren Freunden mit in den Club, aber auch davon bekommt man nicht viel mit. Der Club ohne Namen ist Hauptschauplatz des Geschehens, nur selten verlässt der Film diesen Ort, und obwohl die Charaktere nur einmal die Woche hierhin kommen und dazwischen wohl ein normales geregeltes Leben führen, fühlt es sich so an, als ob sich ihr gesamtes Leben innerhalb dieser vier Wände abspielen würde und die Welt da draußen gar nicht existiert.

So vergehen Jahre in diesem Club. Es ist eine Art Trance, begleitet von Lichteffekten und Technomusik. May und John leben in einer Art Traumwelt, aber doch mit einem Fuß in der Realität; es vergehen Jahre und Jahrzehnte, die Berliner Mauer fällt, AIDS rafft etliche Clubgänger dahin, der Club, die Musik und die Leute verändern sich. Nur die Türsteherin und der Klomann sind die einzige Konstanten. Und May und John.

Das Leben der Charaktere in “Das Tier im Dschungel” ist ein Trancezustand. Und das vermittelt auch die Sprache des Films. Über lange Strecken hinweg beobachtet man lediglich das Geschehen im Club, die Menschen, die ihn besuchen, von der Boheme der 1970er bis hin zur Technoszene Mitte der 1990er Jahre. Man verliert sich in der Welt der Lichteffekte und der Bässe. Damit einher geht dementsprechend eine eher dünne Handlung. Der Film lebt von der Stimmung, dem Vibe, und fließt so dahin, manchmal merkt man gar nicht, dass gerade 10 Jahre vergangen sind. Auf diegetischer Ebene. Zwar hätte man die Vorlage – eine Kurzgeschichte – sicher genauso gut als Kurzfilm übersetzen können, die Form des Langfilms erlaubt es aber, in der Stimmung des Werks langsam eingeköchelt zu werden.

Fazit

Das Wort „Fabel“ zu Beginn war nicht zufällig gewählt. Die Geschichte hinter “Das Tier im Dschungel” als solche ist relativ simpel und dennoch vage, mit mystisch anmutenden Elementen und Figuren. Dies ist kein Film für Fans von knackiger Handlung und vielen Dialogen, sondern ein Werk, auf das man sich einlassen muss. Und bereit dazu sein, es den Charakteren gleichzutun und einfach nur zu beobachten und die Musik zu spüren. Ach ja: Technomusik sollte man auch mögen. Ab 15.9. im Kino (Ö)

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

65/100

Bilder: (c) Elsa Okazaki