Des Menschen bester Freund ist auch auf der Kinoleinwand schon lange beliebt – nun fängt der französische Regisseur Luc Besson („Das Fünfte Element“, „Léon der Profi“) die besondere Freundschaft zwischen einem einsamen Jungen und seinem treuen Hunden mit der Kamera ein. Doch so familienfreundlich die Prämisse auch zu sein scheint, „Dogman“ ist definitiv kein Film für Kinder. Oder Zuschauer mit einer Abneigung gegen Gewalt.

Von Natascha Jurácsik

Douglas (Caleb Landry Jones) wird als Kind Opfer von grausamer häuslicher Gewalt und leidet unter der Tyrannei seines Vaters und älteren Bruders. Eines Tages kommt es so weit, dass sie ihn in einen Hundezwinger sperren, wo er einige Zeit wie ein Tier leben muss. Da entsteht zwischen ihm und seinen vierbeinigen Zellengenossen eine innige Beziehung, die Douglas sein Leben lang begleiten wird. Als erwachsener Mann nutzt er sein Talent als Hundeflüsterer für Gutes – auch wenn er sich damit eindeutig in moralischen und legalen Grauzonen befindet.

So interessant die Handlung von “Dogman” auch ist, wäre das Endprodukt mit einem anderen Protagonisten vermutlich nicht halb so unterhaltsam. Douglas‘ Charakterentwicklung folgt zwar einem altbekannten Schema, das bei fast allen Anti-Helden zu finden ist, aber als Hauptfigur ist er dennoch nuanciert und trotz seiner Fehler vom ersten Moment an sympathisch. Sein stiller Charme und die Fähigkeit, seine Weltanschauung so zu erläutern, dass man ihm in gewissen Punkten zustimmen muss, sorgen dafür, dass man in jeder seiner Szenen nicht die Augen von ihm lassen kann. Dennoch legt der Dogman ein auffallendes Quantum an Menschlichkeit an den Tag, wodurch er nicht nur realistisch wirkt, sondern jegliche Empathie des Publikums für sich gewinnt.

Ebenfalls erfrischend ist seine Darstellung als Drag Queen, die von Besson überraschend geschmackvoll gestaltet wird: Douglas und sein Talent mithilfe von Perücken und Schminke in andere Rollen zu schlüpfen werden hier weder als Perversion noch als Pointe homophober Witze repräsentiert. Natürlich stellt sich hier allerdings die Frage, ob dies nicht die Chance gewesen wäre, eine echte Drag Queen für den Part zu casten – es wäre auf alle Fälle die ideale Gelegenheit gewesen. Andererseits ist Jones‘ Performance hervorragend und er scheint sich sehr gut in die Figur hineinversetzt zu haben.

Doch nicht nur der Anti-Held der Geschichte ist gelungen: Visuell vereint „Dogman“ die Exploitation-Streifen der 70er mit der neongetränkten Ästhetik von 80er Jahre Horrorfilmen. Das Set-Design ist mit viel Detail erstellt und wirkt zeitlos. Die Kostüme sind teils exzentrisch und haben einen hohen Wiedererkennungswert, ohne karnevalesk zu wirken. Und die Atmosphäre hält das Gleichgewicht zwischen grellen Farbwelten und düsteren Eindrücken von einsamen Gassen und blutbespritzten Wänden. Die Kamera wechselt hin und her zwischen emotionalen Nahaufnahmen von Douglas‘ komplexer Mimik und stilisierten Actionszenen mit dynamischer Bewegung und ikonischen Einstellungen. Dabei fängt die Linse nie mehr als drei bis vier Figuren gleichzeitig ein, Großaufnahmen bleiben ganz aus – hierdurch erlangt die Handlung von “Dogman” eine gewisse Intimität, die dem Publikum das Gefühl gibt, Einblicke in eine Welt zu erhalten, zu der es sonst keinen Zugang hat.

Auch beim Drehbuch lassen sich die Einflüsse von Neo-Noir Streifen aus den 70ern erkennen: “Dogman” öffnet mit dem Ende und die Handlung springt in ihrer Chronologie zwischen verschiedenen Zeitabschnitten hin und her, wodurch Spannung aufgebaut wird, ohne jedoch zu verwirren. Das Resultat ist eine Mischung aus Crime-Drama, Unterhaltungsthriller und eingehende Charakterstudie und zieht das Publikum sofort in den Bann. Wer allerdings sehr an Realismus hängt wird wohl enttäuscht sein, da man die eigenen Erwartungen vor allem bei den Action-Szenen an die innere Logik des Films anpassen muss. Wen die Frage „Ist das wirklich möglich?“ eher wenig interessiert und wer sich ganz auf das Leinwandspektakel einlässt, wird hingegen belohnt.

Fazit

Spannende Momente, jede Menge Hunde und ein Protagonist, der an die queeren Horror-Ikonen der 80er erinnert – „Dogman“ ist ein gelungener Genre-Schatz von Luc Besson, der sowohl Tier- als auch Filmfans mit seinem Charme begeistern dürfte.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(70/100)

Kinostart: 12.10.

Bildquelle: (c) Polyfilm