Der aufgeweckte Grashüpfer Kit spielt für sein Leben gern Gitarre und ist als Bandleader einer Grillen-Band für die unbekümmerte Unterhaltung im Insektenreich zuständig. Ganz in der Nähe lebt Ameise Antoinette, die Erbin des Ameisenhaufens. In ihrem Volk ist Musik verboten und das Leben ist von Disziplin und harter Arbeit geprägt. Eine zufällige Begegnung lässt aus den beiden gegensätzlichen Krabbeltieren aber dennoch guten Freunde werden, die schließlich sogar Gefühle füreinander entwickeln. Anstatt sich nach ihrem Ameisenuni-Abschluss um erste Aufträge als Architektin zu kümmern, lebt Antoinette im Exil bei den Grillen, wo der Alltag ganz anders aussieht als bei sich zu Hause.

von Christian Klosz

Antoinette versucht aber auch den hedonistischen Grillen, allesamt Lebenskünstler, die in den Tag hinein leben, die Gefahren des bevorstehenden Winters bewusst zu machen. Allerdings stoßen ihre Warnungen nur auf taube Ohren, an den Winter „glaubt“ man hier einfach nicht. Als Antoinette schließlich von einer übereifrigen Ameise ausfindig gemacht und in den Ameisenbau zurückgebracht wird, starten Kit und seine Freunde eine waghalsige Rettungsaktion.

„Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut“ ist ein Animationsfilm aus Kroatien, der auf einer von Aesops Fabeln beruht, die sich mit dem Gegensatzpaar „Rationalismus“ und „Hedonismus“ befasst. Diese Neuadaption erzählt ebenso wie das Original von fleißigen, genau und strukturiert arbeitenden Ameisen, in deren durchgeplanten Leben „Spaß“ keinen Platz hat. Und von lebenslustigen Grillen und Grashüpfern, die im Moment leben und nicht an morgen denken. Der Film gestaltet den ursprünglichen Stoff durchaus klug aus und verleiht ihm eine gewisse Aktualität.

Handwerklich kann „Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut“ da aber nicht mithalten: Auch wenn die computergenerierten Animationen nicht lieblos gestaltet sind, befinden sie sich auf dem technischen Niveau der 1990er. Das mag an geringen finanziellen Mitteln oder eingeschränkten Möglichkeiten in der kroatischen Filmbranche liegen, gibt dem Film aber einen schwer anachronistischen Touch, nicht immer zu seinem Vorteil. Auf formaler Ebene muss man dem Film zugute halten, dass er einen ordentlichen Soundtrack vorweisen kann. Und auch eine recht überzeugende, deutsche Synchronisation, bekanntlich nicht immer der Fall.

Das Herzstück bleibt selbstredend die Neubearbeitung von Aesops Fabelstoff, die als gelungen bezeichnet werden kann. „Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut“ kann mit einer überraschenden Tiefgründigkeit und „Weisheit“ aufwarten, mit geradezu philosophischen Anklängen, die ihn auch für ein älteres Publikum interessant machen, nicht nur für die Zielgruppe Kinder/Jugendliche.

Universell gesellschaftskritisch könnte man diesen Film auch nennen, dabei stets reflektiert und sich der aktuellen Implikationen bewusst, die „apollinische“ und „dionysische“ Lebensentwürfe mit sich bringen: Die Grillen werden als lebenslustige Freigeister dargestellt, die nicht an Regeln oder feste Strukturen glauben. Oder nur das als wahr annehmen, was direkt sichtbar und greifbar ist oder ihnen zum Vorteil verhilft. Ein vor/un-aufgeklärtes Weltbild könnte man das auch nennen. Der Nachteil: Kultivierung von Aberglauben und „magischem Denken“, gerade im Umgang mit unangenehmen Themen wie dem nahenden Winter… Dieser würde Planung und Vorausschau erfordern. Das passt nichts ins Konzept. Da sagen die Grillen einfach, sie „glauben“ nicht an den Winter. Die Warnungen von Antoinette werden in den Wind geschlagen. Aktuelle Parallelen ließen sich hier etwa zur Klimawandel- oder Corona-Leugnung ziehen.

Auf der anderen Seite lernt Antoinette durch ihren „Ausbruch“ aus dem starren Ameisen-System ihre wahre Bestimmung und Leidenschaft, die Musik, kennen und lieben. Aufseiten der Ameisen wiederum werden die Schattenseiten einer auf reine Rationalität und Produktivität getrimmten Ideologie gezeigt, die nicht nur in Starrheit und Tristesse liegen, sondern auch in übersteigerter Hybris (symbolisiert durch die geradezu größenwahnsinnigen architektonischen Visionen von Antoinettes ehemaligem Kommilitonen). Die Antwort, so legt „Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut“ nahe, liegt irgendwo dazwischen: Es gibt nicht den EINEN richtigen Weg, jedes Extrem birgt Gefahren. Und für ein geglücktes Leben braucht es sowohl Lebenslust und Freiheit, als auch Verstand und feste Strukturen.

Fazit:

„Kit & Antoinette und der magische Himbeerhut“ ist ein überraschend tiefgründiger Animationsfilm, der aufgrund seines philosophischen Inhalts für Erwachsene wie für Kinder empfohlen ist. Wenngleich technisch nur zweitklassig umgesetzt ist der Film allein wegen seiner Message sehenswert.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(66/100)

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Bild: © Kinostar