Die Oscarverleihung im März 1998 war keine allzu glorreiche Veranstaltung für Filme, die nicht “Titanic” hießen. Ganze vierzehn Mal war der Film nominiert und konnte insgesamt elf Mal die Kategorie für sich behaupten. Dem gegenüber war Curtis Hansons Noir-Thriller “L.A. Confidential” neunmal nominiert, galt als Favorit und konnte in den Kategorien für die beste Ausstattung und die beste weibliche Nebenrolle die Trophäe für sich beanspruchen. Meistens jedoch musste er sich anderen Beiträgen und vor allem dem Katastrophenfilm von James Cameron geschlagen geben. Nun aber den Film als einen Verlierer abzustempeln, wäre nicht nur fragwürdig, sondern im höchsten Maße falsch.

von Richard Potrykus

“L.A. Confidential” ist und bleibt ein enorm guter Film, war wirtschaftlich erfolgreich und ist nach wie vor in vielen Filmsammlungen verteten. Wer keine physische Kopie dieses modernen Klassikers besitzt, sollte diese also schnellstmöglich nachholen oder sich wenigstens bei Disney+ registrieren, denn dort ist der Film seit Kurzem als Stream verfügbar.

“L.A. Confidential” spielt in Los Angeles des Jahres 1953. Der berüchtigte Gangsterboss Mickey Cohen, den es übrigens wirklich gegeben hat, hält die Stadt fest im Griff, kann dann aber durch einen Kniff aus dem Verkehr gezogen werden. In der Folge versuchen immer wieder neue Kriminelle die Oberhand in der Unterwelt zu erlangen.

L A Confidential
Filmplakat „LA Confidential“

Derweil will es der junge und ehrgeizige Polizist Ed Exley (Guy Pierce) seinem verstorbenen hochdekorierten Vater gleichtun und in einer durch und durch korrupten Stadt für Ordnung sorgen. Dabei tritt er so ziemlich jedem anderen Polizeibeamten auf die Füße, der wünscht, die Dinge blieben so, wie sie waren. Als es dann aber in einem Café zu einer Schießerei kommt und sich auch ein Polizist unter den Toten befindet, sieht Exley seine große Chance gekommen.

Zusammen mit Sergeant Jack Vincennes (Kevin Spacey) und Office Wendell “Bud” White (Russell Crowe) nimmt er die Ermittlungen auf und gerät schon bald in einen undurchsichtigen Strudel aus Bestechungen, Gewalt und Prostitution.

“L.A. Confidential” ist nicht nur ein guter Film Noir, sondern auch ein herausragender L.A. Noir, jenes Subgenre des Noir-Films, welches sich neben den kalifornischen Schauplätzen vor allem durch eine Vielzahl an Figuren und wirre Handlungsverläufe auszeichnet, die an einem Punkt beginnen und am Ende irgendwo ankommen, nur nicht dort, wo man es erwartet hätte. Und so steht Hansons Film in direkter Traditionen zu den Bogart-Thrillern der 1940er Jahre, aber auch zu Roman Polanskis “Chinatown” (1974), der mit den Konventionen des klassischen Hollywoods brach und die ohnehin schon düstere Stimmung der Bogart-Filme durch Tabubrüche in Sachen Gewalt und Sexualität übertraf.

“L.A. Confidential” ist nicht gezielt brutaler als es “Chinatown” war. Es wäre auch nicht notwendig gewesen, hier den Versuch eines Übertrumpfens zu unternehmen. Stattdessen nimmt sich der Film die Klassiker von einst zum Vorbild, kombiniert sie mit den Möglichkeiten, die durch Filme wie “Chinatown” zur Verfügung stehen, und inszeniert einen Abgesang auf die vergangenen Zeiten der Traumfabrik und ihre Abgründe.

Dabei ist der Film erstklassig besetzt. Neben den erwähnten Schauspielern befinden sich noch Kim Basinger, Danny DeVito, David Russell Strathairn und James Cromwell im Cast. Jerry Goldsmith (“Das Omen”) liefert den Score und Dante Spinotti (“Heat”) steht hinter der Kamera.

Auf mehreren Ebenen verwebt Hanson nicht allein die durchaus romantisierte Unterwelt in Los Angeles mit der einen oder anderen Intrige. Tagesaktuelle Konflikte wie Polizeikorruption und -gewalt finden sich genauso in der Erzählung wie Gewalt gegen Frauen und Rassismus. Gleichsam sind nicht alle Figuren zweifelsfrei einzuordnen. Unverzichtbar seit den 1940er Jahren gibt es natürlich auch in “L.A. Confidential” mit Lynn Bracken (Basinger) eine Femme Fatale, eine weibliche Rolle, die Helden verführen kann und bei der nicht klar ist, auf wessen Seite sie eigentlich steht. Aber auch der oder die Held(en) gleichen nicht den strahlend weißen Helden von einst. In “L.A. Confidential” gibt es keine edlen Sheriffs, die immer und unverrückbar auf der Seite des Gesetzes stehen, moralisch integer und nie schwankend. Stattdessen haben sie Skrupel und hadern mit der Begrenztheit polizeilicher Mittel und den Konflikten, die entstehen, wenn das Übel und die möglichen Sanktionen keine Balance zu bilden scheinen.

Was indes tief im klassischen Hollywood verwurzelt ist, ist definitiv die Beleuchtung. In Polanskis “Chinatown”, einem Film der Ära des New Hollywood, gibt es eine Abkehr vom klassischen Studiosystem. Gedreht wird auf der Straße und an echten Schauplätzen. Der Ton ist rau und das Bild schmutzig. “L.A. Confidential” ist da anders. Wann immer es geht, ist die Szenerie auffallend gut ausgeleuchtet, sind die Figuren wunderschön und edel gezeichnet. Frisuren und Make-Up sitzen perfekt und in den richtigen Momenten gibt es ein Blitzlicht, eine Schlagzeile und Sid Hudgens’ (DeVito) Stimme aus dem Off, der mit seinem subversiven Boulevardblatt, dem “Hush Hush Magazine”, all die schmutzigen Geheimnisse ans Tageslicht bringen möchte, die von anderen Charakteren mit viel Mühe vergraben wurden.

Auf intelligente Art macht sich „L.A. Confidential“ selbst auch immer wieder zur Schlagzeile und präsentiert Schlagworte, wenn er dem Publikum Hinweise und Ideen hinwirft, die zur Lösung des Falls beitragen könnten. So gibt es das “Nite Owl” Café, das bereits erwähnte Magazin “Hush Hush”. Sergeant Vincennes verdient sich als Berater der TV-Serie “Badge of Honor” hier und da etwas dazu. Es gibt eine mysteriöse Figur namens Rollo Tomasi und schließlich noch einen geheimen und streng exklusiven Club namens “Fleur de Lis”. Immer wieder werden diese Begriffe und Phrasen erwähnt. Ähnlich wie Mantras werden sie wiederholt und bilden so nach und nach Verknüpfungen zwischen den einzelnen Indizien und Fährten.

Am Ende zahlt sich dann aber alles aus. Der Showdown ist enorm stark und dicht inszeniert. All die Anspannung, die sich über zwei Stunden Laufzeit angesammelt hat, löst sich und bringt die ersehnten Antworten.

Fazit

“L.A. Confidential” ist ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Film. Er ist packend und intensiv aufgebaut, hält viele Informationen und noch mehr Handlung bereit und schafft es, jeder Figur die angemessene Bedeutung zu geben. Keine Begegnung ist überflüssig und jede einzelne trägt zu einem Gesamtbild bei, welches zudem einwandfrei in Szene gesetzt wird. Der Film ist zurecht ein Klassiker, den es sich lohnt, nicht nur einmal, sondern mehrfach anzuschauen.

(97/100)

Weitere Texte von Richard Potrykus auf seinem Blog Celluloid Papers.

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