„After the Hunt“ als möglicherweise erster post-metoo-Film, der den Status Quo ergebnisoffen reflektiert: Ein eher ungewöhnliches Sujet für Luca Guadagnino („Suspiria“), kontrovers rezipiert und seit 16.10.2025 auch bei uns im Kino. Ab 20.11.2025 ist der Film – nur 1 Monat nach dem Kinostart – exklusiv auf Amazon Prime Video (Abo) zu sehen. Unsere Kritik:

von Christian Klosz

Alma Imhoff (Julia Roberts) gilt am Philosophie-Department in Yale als Koryphäe: Die Professorin hat sich ihren Platz in einer männlich dominierten Umgebung erkämpft, die „Glasdecke durchbrochen“, viele ihre jungen, weiblichen Studentinnen sehen sie als Vorbild. So auch Maggie Resnick (Ayo Edebiri), PhD-Anwärterin aus reichem Hause, für die Alma so etwas wie ihre Mentorin geworden ist. Regelmäßig treffen sie und andere Yale-Kollegen sich bei Alma zuhause zum intellektuellen Austausch, bei dem auch der Alkohol fließt.

Eines Abends nach einem solchen Treffen begleitet Almas Forschungspartner Hank Gibson (Andrew Garfield) Maggie nach Hause. Dort vergewaltigt Hank sie – das zumindest erzählt Maggie in Tränen aufgelöst am Tag Alma. Als sie Hank konfrontiert, streitet er alles ab, Maggie würde sich an ihm rächen wollen, weil er öffentlich machen wollte, dass ihre Doktorarbeit voller Plagiate sei. Der Schaden ist da aber bereits angerichtet: Der Beschuldigte verliert seinen Job in Yale, seine akademische Karriere in Scherben.

Indes ist Alma hin- und hergerissen: Zum einen will sie Maggie glauben, aber Hank, mit dem sie eine lange Geschichte teilt, hält sie eigentlich nicht für einen Vergewaltiger. Zudem drängt eine eigene, vergrabende Geschichte aus ihrer Jugend mit Vehemenz an die Oberfläche, die ihre Reaktion auf den Fall beeinflussen könnte.

„After the Hunt“ (2025) als unbequeme metoo-Reflexion

„After the hunt“ kann man am besten als „post-metoo-Film“ bezeichnen (schon den Titel kann man als provokativen Verweis darauf lesen), der eine Bestandsaufnahme und Sortierung vornehmen will. Allein das macht ihn interessant, weil er Fragen aufwirft, anstatt absolute Antworten zu geben, reflektiert, anstatt eindeutig Position zu beziehen. Der Film ist so eine „sanfte Provokation“, die subtil arbeitet und einen Gutteil der Interpretation dem Publikum überlässt. Man kann ihn nüchtern bezeichnen, oder abgeklärt, man kann das auch kritisieren – aber langweilig ist „After the Hunt“ keineswegs.

Das Drama ist auch ein eher wenig schmeichelhaftes Porträt der akademischen Welt, deren Vertreter als opportunistisch gezeichnet werden: In Seminaren philosophieren sie über Hegel, Nietzsche und Moral, in ihrem Privatleben nehmen sie es mit derselben nicht so genau. Es gibt keine(n) Held(in) der Geschichte, und wirklich sympathisch erscheint keine der Figuren. Andererseits verfällt „After the Hunt“ aber auch nicht in plumpen Populismus, der sich reflexhaft gegen „woke Eliten“ richten würde. Auch hier geht der Film subtil vor und regt zum Nachdenken an.

after the hunt

Manches ist schwer fassbar und wer nach eindeutigen Aussagen sucht, wird nicht fündig. Am konkretesten wird Luca Guadagninos Film in seiner Darstellung des Generationenkonflikts: Alma steht für die Feministinnen erster Stunde, die sich alles erkämpfen mussten, nun aber selbst in privilegierten Positionen Macht erlangt haben – und sich „patriarchale Strukturen“ teilweise zu eigen machten, um in ihrer Karriere weiterzukommen.

Das ist zumindest der Vorwurf der jungen Generation, für die Maggie steht, die hinter vielem stets die Reproduktion alter Vorurteile und Strukturen sieht. Was wiederum Alma auf die Palme bringt: „Not everything is supposed to make you feel comfortable“ gibt sie ihrer Schülerin mit auf den Weg, die immer und überall einen „safe space“ erwartet.

Fazit

„After the Hunt“ ist definitiv kein Film für jedermann/-frau, ist beizeiten doch etwas zäh und eine Herausforderung für das Publikum. Andererseits setzt der Film, inszenatorisch sehr überzeugend umgesetzt, damit einen erfrischenden Kontrapunkt zur unerträglichen Social Media-Logik der ambivalenzlosen Eindeutigkeit, die die Illusion vermittelt, dass es für alles immer und sofort klare und einfache Antworten gibt und zu geben hat. Darüber hinaus liefert Julia Roberts eine sehr überzeugende Leistung ab, auch wenn damit für die anderen Akteure wenig Raum bleibt.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

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