In den letzten Jahren zeigte sich ein Trend im Biopic-Genre, der sich durch die Entfernung vom Anspruch allumfassender Erzählungen des Lebens einer realen Person auszeichnete. Stattdessen häuften sich Filme, die sich einem kurzen, aber zentralen Lebensabschnitt widmeten, um diesen genauer zu beleuchten. So ist auch Julian Schnabels Biopic über Vincent van Gogh angelegt: Gegenstand sind ausschließlich die späteren Jahre im Leben des von Depressionen gequälten Malers. Van Gogh, hier gespielt von Willem Dafoe, zieht sich nach Arles im Süden Frankreichs zurück, wo er ein künstlerisches Hoch erlebt, bevor er im Alter von 37 Jahren verstirbt.
von Paul Kunz
In „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ wird die Filmhandlung jedoch bald zur Nebensache. Es geht weniger um Erzählung, als um die Vermittlung einer Gefühlswelt und das Eintauchen in die Psyche van Goghs. Und so driftet der Film eigenartig schwerelos, ohne Momentum oder Ziel umher. Ein wenig fühlt man sich bei all dem an Terrence Malick erinnert: Es gibt kaum eine Möglichkeit, jemals in einer Szene Fuß zu fassen, stattdessen verharrt der Film in einem Zustand suchender Unruhe.

Dieser Umstand ist nicht zuletzt der aufsehenerregenden Kameraarbeit von Benoît Delhomme geschuldet. Mal schwingt die Kamera wild umher, jedem Reiz folgend, dabei planlos und wie von Launen getrieben, mal schwebt sie andächtig durch die südfranzösische Natur, verzerrt und bricht das Bild, verfärbt es und erweckt dadurch Seheindrücke, die den Film visuell in die Nähe der Werke van Goghs rücken.
Solch visuellen Exzesse sind auf alle Fälle aufregend, die Kehrseite liegt in der Irritation und der Ermüdung, die sich nur allzu bald einstellt. Zwar sind das Gefühle, die der Film zweifellos hervorzurufen beabsichtigt, doch letzten Endes verhindert der bizarre Stil den Aufbau jener Nähe, die er herstellen möchte und hält stattdessen auf Distanz. So entsteht nicht der Eindruck künstlerischer Aufrichtigkeit im Dienst der Handlung, sondern der von Exzentrik als Selbstzweck.
Das ist besonders auffällig, da Willem Dafoe van Gogh mit einem Grad an Sensibilität spielt, der es dem Publikum auch ohne die visuellen Spielereien ermöglichen würde, den konfusen Geisteszustand des Künstlers nachzuempfinden. Dafoes hervorragende Performance hätte das Zentrum des Films sein können, im Endprodukt droht sie aber in all der Bildgewalt zu ertrinken. Neben ihm sind Oscar Issac als Maler-Kollege Paul Gaguin, vor allem aber Mads Mikkelsen als verständnissuchender Priester hervorzuheben. Mikkelsens Rolle ist zwar verschwindend klein, seine Präsenz bereichert den Film aber dennoch ungemein und beschert ihm einen seiner stärkeren Momente.

Fazit:
„Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ ist ein äußerst spezieller Film. In seiner Bildsprache ist er beeindruckend und anders, letzten Endes bleibt die Motivation für sämtliche Extravaganz aber eine oberflächliche und so fehlt es dem Film an Aufrichtigkeit und Tiefgang. Den findet man hauptsächlich in Willem Dafoes Performance. Ab 19.4. im Kino.
Bewertung:
6 von 10 Punkten
Bilder: © Filmladen Filmverleih