„Unverfilmbar“, so betiteln immer noch viele die einflussreichen, oft zeitlosen Werke von Autor H.P. Lovecraft, der das Horrorgenre mit seinen Erzählungen bis heute maßgeblich prägt. Dabei sind seine Geschichten tief im Fantastischen und der Science Fiction verankert und beschreiben vielfach schwer (be-)greifbare, namen- und formlose Schrecken. So ist es auch in der 1927 erschienen Kurzgeschichte „Die Farbe aus dem All“, die nun unter der Regie von Richard Stanley verfilmt in gleißendem Magenta über die Kinoleinwände (oder die Heimkinobildschirme) flackert.
von Madeleine Eger
Für die Hauptrolle konnte Stanley Superstar Nicolas Cage gewinnen, der nach seiner gefeierten Darstellung in „Mandy“ schauspielerisch (als Hobbyfarmer Nathan) erneut aus dem Vollen schöpfen darf und zeigt, wie empfindlich der menschliche Geist tatsächlich ist und dass es, selbst in der vermeintlichen Provinzidylle, zum Verfall und Wahnsinn oft nur ein kleiner Schritt ist.
Aber zuerst einen Schritt zurück: Worum geht es eigentlich in „Die Farbe aus dem All“? Auf einer abgelegenen Farm wollen ebenjener Nathan und Theresa (Joely Richardson) nach jahrelangem Großstadtleben mit ihren Kindern Lavinia, Benny und Jack (Madeleine Arthur, Brendan Meyer und Julian Hilliard) einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Während sich Theresa noch von ihrer Brustkrebsoperation erholen soll, widmet sich Nathan voller Hingabe seinen wertvollen Alpakas und dem Obst- und Gemüseanbau. Lavinia hingegen kann sich kaum mit dem neuen Leben arrangieren und entdeckt zusehends die dunkle Magie und Hexerei für sich. Kurz nach einem von ihr ausgeführten Ritual, welches sie auch aus ihrer misslichen Lage befreien soll, kracht ein Meteorit in den Garten der Familie Gardners. Erst wachsen nur seltsame Blumen, doch dann sind Stimmen aus dem Brunnen zu hören, elektronische Geräte funktionieren nicht mehr, selbst der Lauf der Zeit unterliegt plötzlich nicht mehr den irdischen Gesetzen. Der Stein aus dem All scheint jedoch nicht nur die Umgebung, sondern auch die Familie zu infizieren, gar aufs Schlimmste zu verändern, bis die Apokalypse in Arkham unausweichlich wird.
Für das Endzeit-Szenario im ländlichen New England nutzt Stanley zunächst einen sehr ruhigen Einstieg, der die ersten Zeilen von Lovecrafts Kurzgeschichte zitiert und zusammen mit der Kamerafahrt durch nebelverhangene, gespenstisch leere Wälder den Film bedrohlich mystisch, zugleich aber auch märchenhaft unschuldig wirken lässt. Noch ist nichts zu spüren von dem Grauen, das die Familie befallen wird, und das den Zuschauer mitnehmen wird auf einen farbintensiven, fast psychedelischen Trip.
Bis es jedoch soweit ist und „Die Farbe aus dem All“ so richtig den Sehnerv beanspruchen darf, vergeht phasenweise etwas viel Zeit. Stanley baut anfänglich zu gemächlich Spannung und Intensität auf, die erst ab etwa der Hälfte des Films wirklich zur Geltung kommt, dann aber tatsächlich kaum mehr zu stoppen ist und letztendlich in eine Tour de Force des kosmischen Horrors mündet. Nicholas Cage spielt dabei den besorgten Vater, der den Familienzusammenhalt gefährdet sieht und zusehends die Kontrolle über sich verliert, so brillant, dass einige unvorhersehbare Wutausbrüche nicht nur für den ein oder anderen humorvollen Moment sorgen, sondern auch gar nicht mehr so abwegig und skurril erscheinen, als man zunächst vermuten könnte.

Auch wenn Cage unbestritten das Highlight des Films ist, so kann „Die Farbe aus dem All“ auch auf audiovisueller Ebene überzeugen. Gestalterisch erinnert das Werk dabei mehrfach an Alex Garlands 2018 erschienen Netflixfilm „Annihilation“, wobei die handgemachten Effekte und die Maske weitaus mehr überzeugen und gerade in der zweiten Hälfte für einige schaurige Bodyhorror- Momente sorgen: Für Joely Richardson wird Familienzusammenhalt und das Mutter-sein noch einmal eine sehr verstörenden körperliche Erfahrung werden, die den Zuschauer zu erschüttern vermag.
Aber nicht nur optisch fordert Stanley sein Publikum heraus, auch die Soundgestaltung sowie der Soundtrack von Colin Stetson, der bereits für Ari Asters Mystery-Horrordrama „Hereditary“ die passende musikalische Untermalung kreierte, lässt dem Zuschauer keine Verschnaufpause. Fremdartig, bedrohlich und beklemmend dröhnt es aus den Lautsprechern und die Komposition ist dabei bis zum Schluss ebenso wenig greifbar und unerklärlich wie die Farbe aus dem All selbst.
Fazit
Die Filmadaption von H.P. Lovecrafts „Color out of Space“ überzeugt nicht nur mit einem grandios aufspielendem Ensemble-Cast, sondern auch als eine exzellente, polychrome und metaphysische Seherfahrung, die, kombiniert mit geheimnisvoller Akustik, schlussendlich nicht nur Nicolas Cage-Fans begeistert, sondern jedes SciFi-Horror-Herz höherschlagen lässt.
Bewertung
(80/100)