Durch das sogenannte comic relief sorgen Filmemacher vorzugsweise in Horrorfilmen gerne einmal für einen gewissen Kontrast. Genauer gesagt sind das die Momente, in denen mittels komödiantischer Akzente die düstere Stimmung aufgebrochen wird – sei es durch Situationskomik oder bewusst humoristische Dialoge. Der Zuschauer soll so für einen Augenblick aus seiner Anspannung erlöst werden. Wer sich gerne mal wieder von genau dieser Tension übermannen lassen möchte, könnte sein Glück in „Antlers“ finden.

von Cliff Brockerhoff

Mittels Marketing wird das Werk als neues Erzeugnis von Großmeister Guillermo del Toro angepriesen. Ein genauer Blick verrät aber schnell, dass der Mexikaner lediglich als Produzent fungiert, jedoch sein Geld sicherlich auch nur in die Filme investiert, denen er das Potenzial zutraut die Masse zu begeistern, was „Antlers“ tatsächlich auch lange Zeit schafft. Von einer durchweg düsteren Stimmung durchzogen erzählt der Film von Kindheitstraumata, Missbrauch und Vergangenheitsbewältigung. Ohne einzigen Moment der Freude oder Zuversicht.

Die Story führt uns dabei in einen Ort, der trister nicht sein könnte. Nebelschwaden bedecken eine amerikanische Kleinstadt, in der die Sonne nicht zu existieren scheint. Eine Atmosphäre, die sich auf die Bewohner überträgt, denn auch sie strahlen nur selten bis überhaupt nicht. Zentraler Charakter ist der zwölfjährige Lucas, der seine Mutter bereits verloren hat und nun nach einem Zwischenfall auch noch mit einem schwerkranken Vater umgehen muss, der sich zur Sicherheit von Lucas und seinem kleinen Bruder Aiden in einem verriegelten Raum verschanzt hat und auf Besserung hofft. Die Verhaltensweisen von Lucas rufen derweil seine Lehrerin auf den Plan, die ihrerseits erst kürzlich nach Oregon zurückgekehrt ist, nachdem ihr übergriffiger Vater das Zeitliche gesegnet hat. Zusammen mit ihrem Bruder Paul will sie der Familie helfen, stößt dabei aber nicht nur an ihre eigenen, sondern auch an die Grenzen der Realität.

„Antlers“ erinnert mit seiner Herangehensweise öfter mal an „Der Babadook“, auch wenn der Vergleich ob der Fokussierung hinkt. Wo der australische Vertreter eher auf seine bodenständigen Drama-Elemente setzte, schielt sein amerikanisches Pendant hinten raus immer mehr in die übernatürliche Richtung, bis er sich gar zu einem waschechten Monster-Horrorfilm entwickelt. Die sehr guten Leistungen seiner Kinderdarsteller und die verkopfte Intonierung, samt ihrer Metaphorik, haben beide Werke aber durchaus gemein. Regisseur Scott Cooper gelingt es immer wieder das persönliche Schicksal der Familie in einen größeren, allgemeingültigen Bezug zu setzen, indem er das Leiden der Einzelnen mit der Gesamtsituation der traurig anmutenden Stadt verknüpft. Die einzelnen Lebenssituationen führen im Laufe der Zeit zueinander, ergänzen und verstärken sich. Umrahmt von einer verwaschenen Optik und zahlreichen Nahaufnahmen seiner Protagonisten bietet sich dem Zuschauer ein Abbild des blanken Schreckens, ein bebildertes Beklemmungsgefühl, in das er sich durch Rückblicke und eingestreute Erklärungen einfühlen kann.

Leider vergisst der Film dabei vor allem zum Ende hin die einzelnen Elemente zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzuführen. Ab dem Zeitpunkt, an dem sich die Story komplett entblättert, verliert das Narrativ den Faden, leistet sich erkennbare Logiklöcher und kann all seine angeschnittenen Themen nicht zu einer zufriedenstellenden Auflösung führen. Wo einzelne Punkte aus der vorherigen Erzählung gut und sinnvoll aufgegriffen werden, verbleiben einige ohne Erklärung und werden phasenweise sogar ignoriert. Dass irritiert an einigen Stellen, geht aber mitunter auch in der märchenhaften Visualisierung unter. Besonders Keri Russell in der Rolle der aufopferungsvollen Lehrerin funktioniert exzellent und ist in der Lage durch geschicktes Mienenspiel ihr Inneres nach außen zu kehren. Gerade im Zusammenspiel mit dem jungen Jeremy T. Thomas ergeben sich zahlreiche intensive Momente, die gut, aber nicht gänzlich über das tendenziell schwache Ende hinwegtäuschen können.

Fazit

Betrachtet man die einzelnen Komponenten von „Antlers“ für sich, besitzt der Film massig Potenzial, welches er auch in eine durchgehend düstere Atmosphäre mit sogartiger Wirkung ummünzt. Leider harmonieren die Subtexte im Kollektiv aber nur bedingt, sodass vieles zu holprig, respektive erzwungen wirkt. Nichtsdestotrotz ein spannendes Werk mit schauriger Optik und gut platzieren Schockmomenten, das sich gekonnt von der Masse abhebt und es immerhin geschafft hat ein verhältnismäßig junges Publikum an Halloween über die gesamte Laufzeit zum Schweigen zu bringen.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(64/100)

Bilder: ©Searchlight Pictures

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