Anlässlich der Oscar-Verleihung am kommenden Sonntag präsentiert Film plus Kritik in den kommenden Tagen mehrere Streaming-Programme, zusammengestellt von Chefredakteur Christian Klosz. Die betreffenden Filme sind derzeit allesamt auf einem der drei größten Streamingdienste Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ zu sehen und waren mindestens für einen Oscar nominiert.
Die Werke sind in mehrere(n) Streaming-“Programmen” unterteilt und zusammengefasst, die die thematische und inhaltliche Klammer bilden.
von Christian Klosz
Programm 2: Men & Women
Ein Problem, so alt wie die Menschheit: Das Zusammenleben von Mann & Frau. Reibung zwischen den Geschlechtern ist per se vorprogrammiert und intensiviert sich naturgegeben, wenn Liebe und Lust ins Spiel kommen. Man kann nicht miteinander – aber ohne einander auch nicht.
Die folgenden Werke sind ein kurzer Streifzug durch die Filmgeschichte und auch durch die Zeit, durch die entsprechenden Vorstellungen von zwischenmenschlichen Beziehungen, deren Licht- und Schattenseiten und dessen (filmische) Darstellung. (Man könnte natürlich auch die filmische Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen unter die Lupe nehmen; aufgrund des Umfangs der Liste und da dies bis vor 15, 20 Jahre so gut wie nicht stattgefunden hat konzentriert sich der Beitrag auf die Beziehungen zwischen Mann & Frau.)

Vom Winde verweht (1939) auf Amazon Prime Video
Oscars für Bester Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin (Vivien Leigh), Beste Nebendarstellerin (Hattie McDaniel), Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Kamera, Bester Schnitt, Bestes Szenenbild; Oscar-Nominierungen für Bester Hauptdarsteller (Clark Gable), Beste Nebendarstellerin (Olivia de Havilland), Bester Ton, Beste Filmmusik, Beste Spezialeffekte
Trotz der tendenziell rassistischen und unkritischen Darstellung der Sklaverei in den US-Südstaaten ist “Vom Winde verweht” rein filmisch betrachtet ein handwerkliches Kunststück, in dessen Zentrum sich eine Liebe entwickelt, die viele Stufen der Annäherung, Distanz, Enttäuschung durchleben muss, um schließlich sein zu können und zu dürfen: Wenngleich gewisse Darstellungsformen im Film unreif und einseitig sind, die Liebe zwischen Scarlett und Rhett ist erwachsen und für die damalige Zeit äußerst komplex und vielschichtig porträtiert.
Die Kunst zu lieben (1971) auf Amazon Prime Video / Arthaus+ Channel (Gratiszeitraum)
Oscar-Nominierung für Ann-Margret (Beste Nebendarstellerin)
Das erotische Coming-of-Age-Drama von Mike Nichols verursachte bei seiner Veröffentlichung einen handfesten Skandal: Kinobetreiber, die es spielten, mussten sich gar vor Gericht verantworten. Aufregen wird “Die Kunst zu lieben” 50 Jahre später wohl niemanden mehr, überzeugend ist der Film vor Allem ob seiner (auch heute) beeindruckend offenen und ehrlichen Annäherung an die Themen „Sexualität“ und „Liebe“ und deren Schnittstellen immer noch. -> Ausführlicher Text
Eine verhängnisvolle Affäre (1987) auf Amazon Prime Video / Paramount+ Channel (Gratiszeitraum)
Oscar-Nominierungen für Bester Film, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Hauptdarstellerin (Glenn Close), Beste Nebendarstellerin (Anne Archer), Bester Schnitt
„Was als psychologisch differenziert gezeichnete Studie um Verantwortung und Schuld beginnt, schlägt in einen dicht konstruierten Thriller um (…) ein packender Unterhaltungsfilm.“ (Lexikon des internationalen Films)
Harry & Sally (1989) auf Amazon Prime Video / MGM Channel (Gratiszeitraum)
Oscar-Nominierung für Bestes Drehbuch
„Eine von hervorragenden Darstellern, pointierten Dialogen und einer behutsam-zurückhaltenden Inszenierung geprägte Komödie, die mit fröhlichem Witz und viel Humor einen ebenso amüsanten wie hintergründig-besinnlichen Kosmos menschlichen Miteinanders entwirft.“ (Lexikon des internationalen Films)
Basic Instinct (1992) auf Amazon Prime Video / Filmlegenden Channel (Gratiszeitraum)
Oscar-Nominierungen für Besten Schnitt, Beste Filmmusik
Ebenso wie die überragende Sharon Stone als ultimative Femme Fatale Michael Douglas führt uns Regisseur Paul Verhoeven nicht nur mehrfach aufs Glatteis, sondern zertrümmert dasselbe schlussendlich mit dem inszenatorischen Eispickel, sodass das furiose Finale einem Fall ins Leere gleichkommt: “Basic Instinct” ist ein kluger, fieser und dabei höchst unterhaltsamer Thriller, der gekonnt mit Genre-Regeln spielt, sie bricht und pervertiert und der zu Unrecht in erster Linie wegen seiner ikonischen “trägt sie ein Höschen?”-Szene in Erinnerung geblieben ist. -> Ausführlicher Text
Zeiten des Aufruhrs (2008) auf Amazon Prime Video / Paramount+ Channel (Gratiszeitraum)
Oscar-Nominierungen für Bester Nebendarsteller (Michael Shannon), Bestes Szenebild, Bestes Kostümdesign
Während in dem mit dem gleichen Darsteller-Duo Kate Winslet und Leonardo DiCaprio besetzten “Titanic” die Liebe den Tod und die Tragödie besiegte, besiegt in “Zeiten des Aufruhrs” der Alltag mit all seinen Konventionen und Anforderungen als träge und ausgedehnte Tragödie die Liebe: Sam Mendes gelang ein kluger, reflektierter und hervorragend gespielter Film über Träume und deren Zerplatzen und die Wirkmacht sozialer Zwänge, aus denen es kein Entrinnen gibt. -> Ausführlicher Text
Marriage Story (2019) auf Netflix
Oscar für Beste Nebendarstellerin (Laura Dern); Oscar-Nominierungen als Bester Film, Bestes Originaldrehbuch, Bester Hauptdarsteller (Adam Driver), Beste Nebendarstellerin (Scarlett Johansson), Beste Filmmusik
“Noah Baumbachs kalkulierte Dramaturgie verleiht dem Narrativ eine exzellente Authentizität, deren Inszenierung absolut zeitgemäß ist. „Marriage Story“ ist die perfekte Mischung aus Tragik und Komik, die zu keiner Zeit aufgesetzt wirkt. Ein herausragender Film über das schmerzhaft Auseinanderbrechen einer Ehe.” (el) -> Kritik
-> Programm 1: Action & Distraction

Titelbild: Fotomontage (c) CK (Filmstill aus “Die Kunst zu lieben”) / Textbilder: imgbin bzw. (c) Netflix