Das Motiv der Mutterschaft wurde in Filmen bereits auf verschiedenste Art verflochten. Darren Aronofsky warf in „mother!“ einen zutiefst metaphorischen Blick auf Religion und Erde, Guillermo Del Toro hingegen schuf mit seiner Version in „Mama“ einen komplett eigenen Horror, und in Erotikfilmen wird die Kiste nochmal auf ganz spezielle Weise eingebaut – nähere Ausführungen dazu entnehmt ihr bitte einschlägig bekannten Seiten. Wir wollen in Richtung Netflix schauen, denn dort ballert sich seit heute Jennifer Lopez, ebenfalls in der Rolle einer Mutter, durch einen Actionfilm. Passender, wenn auch wenig kreativer Titel: „The Mother“.

von Cliff Lina

Verantwortlich für das Werk zeichnet sich die Neuseeländerin Niki Caro, die den meisten am ehesten durch ihre Regie bei der Realverfilmung von „Mulan“ bekannt sein sollte. Ältere Semester könnten ihre bisher erfolgreichste Arbeit namens „Whale Rider“ kennen, die anno 2002 nahezu durchweg positive Resonanzen erhielt. Genretechnisch ist „The Mother“ somit schon einmal von einem ganz anderen Schlag. Statt Disney-Märchen oder Blick auf neuseeländische Tradition erwartet uns knallharte Action inmitten malerischer Kulissen – so möchte man nach Sichtung des Trailers zumindest vermuten. Eigentlich ist die Action aber nur ein Baustein. Ein weiterer ist eine dramatische Familienkonstellation, die dem Film Tiefe verleihen soll. Aber der Reihe nach.

Lopez begegnet uns vom Start weg als toughe Profikillerin, die jedoch in ferner Vergangenheit einen verhängnisvollen Fehler beging und somit, schon vor der Geburt ihrer Tochter, das Leben des Nachwuchses nachhaltig gefährdete. Einziger Ausweg war die sofortige Abnabelung, doch als die Personen und Entscheidungen von einst sie einholen, steht plötzlich nicht mehr nur sie allein, sondern auch ihre Tochter im Fokus eiskalter Verbrecher. Die namenlose Mutter steht folglich vor einer weiteren, schweren Entscheidung: versucht sie das Leben von Zoey bloß zu schützen oder folgt sie ihren Instinkten und gibt ihr Wissen an die Tochter weiter, damit diese sich zukünftig selber gegen all das Übel verteidigen kann, das die Widersacher stellvertretend versinnbildlichen?

Genrekenner wissen bereits jetzt, dass die reine Storyebene wenig bis keine Überraschungen bietet. Geschichte und Charaktere sind zu generisch, Wendungen und Entwicklungen auf ein Minimum begrenzt um den Spektakel die Bühne zu überlassen. Schon die Anfangssequenz geizt nicht mit Durchschlagskraft und innerhalb der ersten Stunde wechseln die Schauplätze mindestens so oft wie die Outfits der Protagonistin. „The Mother“ überrascht dabei mit kreativen Ideen, die nie zu sehr ausgeschlachtet werden und sich spielerisch in die leichtfüßige Handlung einfügen. Ein flüssiges Erzähltempo, sehenswerte Schauspielleistungen und gekonnte Kampfeinlagen sorgen dafür, dass die Zuschauerschaft gar nicht dazu kommt irgendwas großartig zu hinterfragen, sodass der Film bis zur Hälfte überzeugen kann. Jennifer Lopez Figur versteht sich als Melange aus Tomb Raider und jeder x-beliebigen Assassine, die US-Amerikanerin selbst besticht mit körperlicher Topform – die das Drehbuch auch immer wieder, mehr oder minder unauffällig, einzuarbeiten weiß.

Die berühmte Kehrseite von J.Lo sorgte mit Sicherheit schon für einige, leuchtende Augen, die Kehrseite von „The Mother“ kommt dann allerdings in der zweiten Hälfte negativ zum Tragen, in der sich der Film plötzlich an einer Mischung aus Familiendrama und Coming-of-Age versucht, inklusive rebellischer Teenagerin, die die Tragweite der Gefahr immer wieder ausblendet und damit auch für uns affektiert erscheinen lässt. Nicht, dass die Konflikte nicht irgendwo nachvollziehbar sind und man einem Mädchen im Frühstadium der Pubertät subjektive Ängste nicht zugestehen würde – die Chemie zwischen Lopez und Lucy Paez krankt aber zusehends an inhaltlichen Schwächen. Die so ansehnliche Rasanz rückt im Fortlauf mehr und mehr in den Hintergrund, der gleichzeitige Aufbau einer emotionalen Bindung misslingt aber, auch wenn Caro versucht ihre Botschaft mit Symbolen zu verstärken, beispielsweise wenn sie Analogien in der Tierwelt sucht und diese regelmäßig aufgreift. Eine verständliche Entscheidung um dem qualitativen Abfall entgegenzuwirken, wenngleich sich der Film letztlich eher gen Ziellinie schleppt. Was sich der Kameramann bei der inflationären Nutzung seiner Tiefenunschärfe gedacht hat, lässt sich dagegen zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise nachvollziehen.

Fazit

Goldener Grundsatz: Solange die Logiklöcher nicht größer sind als Jennifer Lopez’ Gesäßmuskel, ist alles in Butter. Dementsprechend unterhaltsam ist “The Mother” und bietet durchaus einige kernige Actionsequenzen auf abwechslungsreichem Terrain, wobei Lopez selbst die größte Überraschung ist. Ihre Besetzung funktioniert tatsächlich, auch wenn die ganze emotionale Kompetente der Mutterschaft viel zu stiefmütterlich behandelt wird und lediglich Klischees aufweist. Tendenziell jedoch knapp über dem Mittelmaß.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(60/100)

Bilder: ©Netflix