Nach dem Bekanntwerden massiver Vorwürfe gegen die Leitung des Max-Reinhardt-Seminars in Wien und eines “offenen Briefs” der Studierenden mit konkreten Anschuldigungen meldete sich nun die Person, die im Zentrum der Kritik steht, zu Wort: Maria Happel, ihres Zeichens bekannte Burg-Schauspielerin und Institutschefin von Österreichs wichtigster Ausbildungsstätte für Schauspieler. Nach Eingeständnis oder Verständnis klingen ihre Äußerungen allerdings nicht – im Gegenteil.
von Christian Klosz
Im APA-Interview äußerte Happel zum einen Zweifel an der Anzahl der Personen, die sie gegen sich aufgebracht haben soll. Bekanntlich hatten 2/3 der Studierenden des Instituts den offenen Brief, der die sofortige Absetzung Happels fordert, unterschrieben. “Ich weiß, dass von dieser ‘großen Mehrheit’ nicht alle befragt wurden” so Happel. Der Protest sei für sie “absolut unerwartet” gekommen, sie sei im Vorfeld des Briefes nicht von Studierenden mit den Vorwürfen konfrontiert worden. In den Vorwürfen will sich Happel nicht wiedererkennen: “Man wird über Nacht zu einem Täter gemacht.” Sie wolle jedenfalls Leiterin des Instituts bleiben.
Die ebenfalls im Raum stehenden Anschuldigungen, man habe auf Vorwürfe von Übergriffen am Institut nicht angemessen reagiert, wies Happel zurück: Man habe die Causa “diskret und vorbildlich gelöst”. Zu dem ihr zur Last gelegten, rüden Umgangston meinte sie, dass sie nur ein einziges Mal laut geworden wäre, als technisches Personal Zutritt zu den Institutsräumlichkeiten bekommen hätte, ohne das zuvor mit ihr abzustimmen. Die Vorwürfe betreffen auch Happels Stellvertreterin am Institut, Annett Matzke, die – so ist im offenen Brief zu lesen – mehrfach Studierende zum Weinen gebracht haben soll. Happels bestreitet das nicht, ihre Rechtfertigung dafür ist aber zumindest verstörend: Laut ihrem Statement sei das “Teil der Ausbildung”, da Gefühle die “Ware” des Seminars seien. Und weiter: “Ich glaube, dass man einen Teil der Menschen in Ausbildungsstätten wie der unseren nicht immer gut behandeln kann. Wir arbeiten mit Grenzen, die auch überschritten werden.” Man stelle sich vor, das wäre die Rechtfertigung anderer Beschuldigten in den #metoo-Fällen der letzten Jahre gewesen.
Trotzdem will Maria Happel Teil eines größeren Reformprozesses sein: “Es ist ein Generationenkonflikt. Und es ist ein schwieriges Miteinander. Die Studierenden sollen mich mitnehmen, anstatt mich rauszuschubsen.” Dazu sollen auch externe Helfer und Berater zum Einsatz kommen.
Schließlich sieht sich Happel auch als Opfer und fordert in ihrem Statement einen safe space für sich selbst ein: “Wo ist mein Schutzraum? Gilt der nur für Menschen, die ab dem Jahr 2000 geboren sind? Ich möchte auch einen haben, und der wurde nicht gewährleistet.”
Die aktuellen Vorgänge und Diskussionen sind auch als ein weiteres Ringen der österreichischen Film- und Schauspielbranche um den “richtigen” Umgang und Zugang in der post-#metoo-Ära zu deuten. Schlossen sich zu Beginn noch, oft mit für die Branche typischer, großer Geste, alle Seiten den Forderungen nach mehr Gerechtigkeit und gegen Übergriffe jeglicher Art an, differenzierte sich das Bild in den letzten beiden Jahren zunehmend. Erst kam es zum Bruch im österreichischen Regieverband, wo vielen, vor allen weiblichen Filmemacherinnen die Schritte Richtung Gleichberechtigung und gegen aus ihrer Sicht vor allem patriarchalen Machtmissbrauch nicht weit genug gingen. Der Fall Teichtmeister offenbarte dann blinde Flecken der (Selbst)Wahrnehmung der Branche, traf er doch auch eine Regisseurin, die sich zuvor wiederholt besonders mit ihrem Einsatz gegen Missstände hervorgetan hatte.
Der aktuelle Fall belegt, dass die simplifizierende Darstellung, die die Branche selbst jahrelang kultiviert hatte – männliche Täter, weibliche Opfer – zu kurz greift. Immerhin betreffen die Vorwürfe hier ausschließlich Frauen. Auch ist es ein weiterer Fall, wo ehemalige “Idole” und Vorkämpfer(innen) der Branche nun als Beschuldigte am Pranger stehen. Es mag ein “Generationenkonflikt” sein über die Frage, welche “Grenzüberschreitungen” in künstlerischen Prozessen tolerabel sind. Oder eine “Gegenreformation”, in der eine “alte Garde” ihre Überzeugungen vertreten und ihr Revier abstecken will. Vermutlich allerdings geht es am Ende in erster Linie um Machtstrukturen und davon geprägte Beziehungen aller Art, die es von allen Seiten und ganz grundsätzlich zu hinterfragen gilt.
Wir nehmen gerne Informationen, Hinweise, persönliche Schilderungen und Statements von Studierenden, aber auch der Uni-Leitung entgegen und würden diese ggf. als Beitrag zu einem konstruktiven Diskurs öffentlich machen: Mail an filmpluskritik@hotmail.com.
Titelbild: Maria Happel in “Dennstein & Schwarz – Pro bono, was sonst!“, am DO, 08.06.2023, 23:10 in ORF2 – (c) ORF/Film 27/Andrea Mayer-Rinner