Es begab sich im Jahr 1959, da brachte eine gewisse Firma Mattel mit einer einzelnen Idee Kinderaugen generationenübergreifend zum Leuchten und Teenagerherzen kollektiv zum Pochen. Mit der stereotypen „Barbie“ war ein Spielzeug geboren, das auch noch Jahrzehnte später in den Kinderzimmern dieser Welt zu Hause sein und Mädchen gleichzeitig bei der Vorstellung helfen sollte sich in der komplizierten Welt ganz einfach zu all dem entwickeln zu können, was ihnen vorschwebt. Doch die Realität sieht anders aus, und wenn im knallharten Patriarchat die butterweiche Orangenhaut zum Vorschein kommt, muss auch das blonde Püppchen der Wahrheit ins Auge sehen.

von Cliff Lina

So ergeht es auch unserer Protagonistin in „Barbie“, die nach Tagen voller Sonnenschein plötzlich mit Selbstzweifeln und regnerischen Gedanken zu kämpfen hat. Der einzige Ausweg ist ein Ausflug, raus aus dem pastellfarbenen Barbieland, rein in die hektischen Häuserschluchten unserer urbanen Welt. Doch Barbie ist nicht allein: Stets an ihrer Seite weilt Ken, der die Schönheit gerne zu seiner Übergangs-Fernbeziehungs-Freundin machen möchte – eigentlich aber gar nicht weiß was das genau bedeutet. Ein Abenteuer voller Gags und Gesang beginnt.

Und es beginnt verheißungsvoll. Die künstlichen Kulissen des bonbonfarbenen Barbielands wirken plastisch und voller Leben, die Charaktere schrullig und ihr Miteinander genauso künstlich wie ihr gesamtes Leben. Margot Robbie erweist sich mit dem leeren Blick und dem perfekten Körper schnell als ideale Besetzung für die Rolle der Barbara Millicent Roberts, auch wenn ihre äußerliche Perfektion uns etwaige Zweifel schnell anzweifeln lässt. Ein bewusst gewähltes Paradoxon, das der Film dazu nutzt die Fassade bröckeln zu lassen und schnell klarzumachen, dass die strahlendste Haut nicht vor dunklen Gedanken schützt. Generell wechselt Regisseurin Greta Gerwig bereits im ersten Drittel die Stimmung und positioniert ihre Figuren in immer anders gelagerten Situationen. Diese sind nie fernab einer gewissen Komik, zeigen jedoch die Hauptintention des quietschbunten Treibens: wie erwartet soll „Barbie“ kein reines Vergnügen sein, sondern eine klar adressierte Satire, die den Machos, Geschäftsführern und Ehemännern dieser Welt die Zornesröte ins Gesicht treiben soll. Doch gelingt das?

Nein. Wo der Film anfangs noch gekonnt mit Klischees spielt und insbesondere von seinem Ensemble profitiert, geht der Handlung vor allem im Mittelteil die Luft aus. Mehr als eine bloße Konstatierung des Ist-Zustands fällt dem Drehbuch nicht ein, immer wieder unterbrochen von einer unnötigen Mutter-Tochter-Dramatik und einem überdrehten Will Ferrell, der nur schwer zu ertragen ist. Der sich entpuppende Geschlechterkampf besticht zwar mit eindrucksvollen Bildern und einer Liebe fürs Detail, das gesprochene Wort bleibt aber viel zu selten nachhaltig im Ohr. Männer dominieren die Welt, Frauen müssen perfekt aussehen und ohne sie sind Männer eh total verloren. Das mag alles irgendwo stimmen, und dass die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft immer noch nicht den Stellenwert genießt, den sie verdient, steht außer Frage. Die bloße Benennung dieser Baustellen macht jedoch noch keinen intelligenten Film. Es fehlt an ernstzunehmendem Lösungsansätzen, an einer kritischen Auseinandersetzung oder zumindest an scharfzüngigen Attacken. Alles wirkt glattpoliert und zu ängstlich, um den nächsten Schritt zu gehen. Ist „Barbie“ nun also nur eine seichte Komödie ohne jeglichen Mehrwert? Im Grund ja, aber so wirklich vorwerfen kann man es dem Werk nicht.

Zugegeben, das Publikum, das die Botschaft des Films als Gewinn empfinden könnte, gehört zweifelsfrei nicht zur Zielgruppe. Doch handwerklich und auf seinen reinen Unterhaltungswert komprimiert, reden wir über einen überdurchschnittlich guten Film. Die Spielfreude ist groß, die Optik ist einzigartig und der Erzählfluss ist rund. Wer zudem die spezielle Art von Humor schätzt, kann sich auf einige Lacher einstellen, und wer es eher etwas subtiler mag, bleibt zumindest vor allzu großen cringe Momenten verschont. Die liefert, wenn überhaupt, Superstar Ryan Gosling, der sich schnell als eigentliches Highlight herauskristallisiert. Nicht nur, weil er die unangenehmen Szenen mit so überzeugender Leichtigkeit spielt, dass sie beinahe wieder lustig sind, sondern vor allem aufgrund der Tatsache, dass er endlich das abrufen darf wozu er imstande ist. Es wirkt als habe der Kanadier, der mit seinen wasserstoffblonden Haaren und dem Körper an „The place beyond the pines“ erinnert, die letzten Jahre sämtliche Mimik aufgespart um sie nun in „Barbie“ herausbrechen zu lassen. Für die einen womöglich der größte Kritikfaktor am Film, an dieser Stelle allerdings als größter Pluspunkt benannt.

Fazit

Zwischen Schönheitsidealen und Selbstzweifeln ist Greta Gerwigs schrilles Spielzeug Spektakel ein Film für Nostalgiker und auch für die, die die Puppe eher für anatomische Untersuchungen missbraucht haben. Ein schräges Werk voller emotionaler Vielfalt und mit einem Ryan Gosling in Höchstform, doch für einen Sprung auf den diesjährigen Filmthron bietet der Film, trotz hohem Unterhaltungswert, nicht kenough. Nicht weil „Barbie“ langweilig oder gar schlecht wäre, aber er ist eben auch so bissig wie eine Stute auf dem Sterbebett. 

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(71/100)

Bilder: (c) Warner Bros.