In dieser österreichischen Dokumentation entführt der gebürtige deutsche Regisseur Philipp Jedicke in den Underground der jungen Wiener Musik- und Künstlerszene. Mit dabei sind Künstler wie Der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens (Titelbild) oder Stefanie Sargnagel.
von Christoph Brodnjak
Jedicke begleitet in seinem Film eine Handvoll Künstler auf ihrem Weg, dabei vermischt sich oft Privates mit der Arbeit an neuen Projekten. Es handelt sich bei “Vienna Calling” aber um keine klassische Musikdoku, in der eine bestimmte Person von vorn bis hinten porträtiert und genau unter die Lupe genommen wird. Auch wird nichts erklärt oder gar mit Namen vorgestellt. Die Zuseher wissen also entweder schon vorher, um welchen Künstler es sich in diversen Szenen handelt, oder sie lernen eben mal neue Musik kennen. Das ganze erinnert mehr an eine Folge der „Alltagsgschichten“, die behandelten Personen plaudern miteinander oder unverfänglich mit der Kamera, dazwischen gibt es Stimmungsbilder von Wien oder von diversen Lokale. Ab und an wird die Handlung – wenn man es so nennen will – von Konzerten oder Musikvideos der betreffenden Künstler unterbrochen. Beziehungsweise werden sie hineingewoben, mit inszenierten Übergangen zwischen Dokumentation und Musik.
Ganz allgemein wirken viele Momente speziell in Szene gesetzt oder inszeniert – was sowieso bei jeder Dokumentation der Fall ist, hier aber besonders auffällt. “Vienna Calling” ist sich dessen aber auch bewusst und lässt die Zuseher immer wieder hinter die Kulissen des Drehs blicken. Gegen Ende spricht das Jedicke sogar direkt an, dass er speziell für das deutsche Publikum Wien zu einer Art „Disneyland“ umfunktioniert und in Szene gesetzt hat. Ob das auch so pointiert rüberkommt, wie erhofft, sei dahingestellt.
Inszenierung hin oder her: “Vienna Calling” bleibt es ein stimmiger Blick auf und in die Welt der „jungen“ Wiener Szene. Aus Wiener Lokalsicht ist es auch spannend zu beobachten, welche Ecken der Stadt gewählt und gefilmt wurden. Man kann sich sein eigenes Spiel daraus machen, alle Schauplätze zu erkennen und richtig zu verorten. Da der Film über mehrere Jahre gedreht wurde, fungiert er auch als eine Art Zeitkapsel der jüngeren Vergangenheit. Man erinnert sich anhand der Bilder an Zeiten, in denen man noch im Lokal hat rauchen dürfen, oder an die Peepshow Konzerte am Anfang der Corona-Pandemie.
Die alte Generation des Austropop kommt hier übrigens gar nicht vor, es wird maximal die „Blume aus dem Gemeindebau“ beim gemütlichen Zusammensitzen der Jungen angestimmt. Wobei jung auch nicht mehr ganz stimmt, so jung ist der Nino aus Wien auch nicht mehr. Was er aber auch selbst weiß – findet er doch auch schon weiße Haare. Der Name des Films – „Vienna Calling“ – hat natürlich doch Bezug zur „alten“ Generation, und wird entsprechend gewürdigt. So lässt sich der Nino die Haare von Falcos ehemaligen Friseur schneiden – ehe er den Telefonhörer abhebt und ins nächste Musikvideo übergeht.
Fazit
Sehr Kurzweilig, ist der Film ein sehr unverfänglicher Blick in die Wiener Musikszene, von kleineren über etwas größere Bekanntheiten. Die Atmosphäre in “Vienna Calling” mag zwar eine inszenierte sein, aber trotzdem eine, die man gerne in sich aufnimmt. Allzu tiefgründig wird die Doku allerdings nie, was aber scheinbar auch niemals der Anspruch war. Sollte man die präsentierten Künstler vorher nicht gekannt haben, bleibt einem nichts anderes übrig, als anhand der Lieder selbst nach ihnen zu suchen und dadurch Neues zu entdecken. Seit 25.8. im Kino (Ö)
Bewertung
65/100
Bild: © Filmladen Filmverleih