Wie weit würdest du gehen um dein Leben und das deiner Familie zu schützen? Eine Frage, die wir uns zum Glück selber nur in den seltensten Fällen stellen müssen, die aber in vielen Gebieten der Erde noch immer zum Alltag gehört. Ein Alltag, geprägt von Krieg, Tod und der ständigen Angst. Ein Alltag, dem Bol und Rial in letzter Sekunde entkommen sind, und den sie nun in Großbritannien gänzlich anders gestalten wollen. Doch der Verlust der Tochter lastet schwer auf dem sudanesischen Ehepaar, und trotz gutem Start in das neue Leben will die Vergangenheit nicht loslassen.
Anstelle eines glücklichen Blickes in die Zukunft hängen beide an den Ereignissen vergangener Tage. Geplagt von Alpträumen, Angstzuständen und der Befürchtung in ihrer neuen Heimat nicht akzeptiert zu werden, fällt es beiden zunehmend schwerer sich mit der Situation zu arrangieren. Als sich zu den argwöhnischen Nachbarn außerhalb des Eigenheims auch noch ein Schrecken innerhalb der eigenen vier Wände auftut, stehen der ehemalige Bankangestellte und seine Frau vor der folgenschweren Aufgabe, sich den eigenen Dämonen zu stellen.

Nüchtern betrachtet mutet „His House“ also wie eine Mischung aus Horrorfilm und sozialkritischem Drama an, erinnert so nicht ganz zufällig an die Werke aus der Feder von Jordan Peele, ist letztlich aber tatsächlich viel mehr als eine bloße Kopie. Das liegt vor allem am Mute des Regisseurs Remi Weekes, der bei seinem Erstlingswerk nicht vor der Ambition zurückschreckt klassische Horrorelemente mit einer gehörigen Prise Schwermut zu versehen. Wo Peele zeitweise ins Schwarzhumorige abdriftet, ist „His House“ zu keinem Zeitpunkt leichtfüßig unterwegs und konfrontiert den Betrachter mit der nüchternen Realität einer britischen Kleinstadt, in der das Leben beinahe so trist wirkt wie die farblosen Häuserfassaden.
Der einzige Weg diesem Szenario zu entkommen führt unweigerlich über den Zusammenhalt, doch auch der erleidet im Fortlauf der Geschichte immer größere Schäden, sodass nicht nur die Wände des eigenen Hauses tiefe Löcher aufweisen, nachdem Bol den flüsternden Stimmen mit einem Hammer hinterherjagt. Elementare Gruseleffekte treffen auf inhaltlich beladene Metaphorik, allesamt verpackt in einem Film, der es schafft seine Thematiken ohne moralischen Fingerzeig zu erörtern. Im Fokus steht so also nicht die immer wiederkehrende Diskussion um Rassismus, Ausgrenzung oder Integration, vielmehr beschäftigt sich Weekes mit dem Seelenheil seiner Protagonisten und nutzt aufgezählte Komponenten lediglich zur Unterstützung. Kulturelle Tradition trifft auf zwischenmenschliche Gefühle, unterfüttert von einer absolut beachtlichen Leistung des Cast und einer beengten Atmosphäre, die sich mühelos auf den Zuschauer überträgt.
Das einzige Problem, das der Film mit sich herumschleppt, ist die schiere Ausweglosigkeit, die gerade im zweiten Drittel zu einer Art narrativem Stillstand führt. Der Graben zwischen Bol und Rial scheint unüberbrückbar, und nach einer gewissen Zeit weisen auch die horrorlastigen Sequenzen eine Monotonie auf, die den Zuschauer zu verlieren droht. Doch just als das Werk sich beinahe doch in Klischees und der damit einhergehenden Mittelmäßigkeit verliert, wartet „His House“ mit einem ziemlich fiesen, weil emotional forderndem Twist auf, der das bereits Gesehene in gänzlich anderem Licht erscheinen lässt. Ein gefühlsmäßiger Tiefschlag, der sich bis dato zwar erahnen, in seiner Vehemenz aber nicht bestimmen ließ und dem Langspielfilm-Debüt den Schlusspunkt verleiht, an dem es einem Jordan Peele zum Beispiel in „Get out“ damals noch fehlte.

Fazit
Wer bei „His House“ einen schematisch konstruierten 08/15 Horrorfilm erwartet, sollte spätestens an dieser Stelle nach anderen Inspirationen suchen. Während seiner anderthalb Stunden mangelt es dem Werk zwar stellenweise an der nötigen Geschwindigkeit, wiegt seine Schwächen aber mit guten Performances und inhaltlicher Varianz auf. Die schmerzhaft dargebotene Geschichte passt dabei in den heutigen Zeitgeist, verbindet Flüchtlingsdrama mit Gruselfilm und erweist sich so als äußerst interessanter Genrebeitrag, der leise anklingt und umso lauter nachhallt.
Bewertung
(72/100)
Bilder: ©Netflix
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