Zu Zeiten von „binge-watching“ und nahezu täglich auftauchenden Neuerscheinungen fällt es zunehmend schwer den Überblick zu behalten. Die Masse sucht dabei nach zwangloser Bespaßung, möglichst unterhaltsam, leicht verdaulich, knallbunt oder zumindest krachend laut. Sich hier als Neuling auf Anhieb zu behaupten fällt schwer, und gerade skandinavisch unterkühlte Produktionen gehen oft unter oder stoßen auf wenig Anklang. Doch „Katla“ hat ein Ass im Ärmel.
von Cliff Brockerhoff
Vorweg: bei Netflix neuestem Geniestreich handelt es sich nicht um eine skandinavische, sondern um die erste isländische Fabrikation aus eigenem Hause. Stilistisch bewegt sich diese aber unverkennbar auf eisigem Terrain, nicht zuletzt aufgrund der natürlichen Begebenheiten des Landes. Doch worum geht’s? Und wie haben es Baltasar Kormákur und Sigurjón Kjartansson trotz Sperrigkeit geschafft einen kleinen Hype um ihre eigenwillige Kreation zu entfachen?

Das zu beantworten ist aufgrund der Spoilergefahr gar nicht mal so einfach, aber eines sei gesagt: „Katla“ erinnert gerade zu Beginn zuweilen stark an eine der beliebtesten Serien, die Netflix bisher ins Portfolio aufgenommen hat, streicht aber die überbordende Komplexität, sodass die willige Zuschauerschaft nicht mit Zettel und Stift bewaffnet vor dem Fernseher sitzen muss um dem Geschehen folgen zu können. Anspruchsvoll ist die Serie trotzdem, erzählerisch wie thematisch. Im Grunde wirft uns „Katla“ ohne Exposition mitten in die isländische Einöde. Der Ausbruch des namensgebenden Vulkan hat die meisten Menschen in der näheren Umgebung vertrieben, doch einige Einwohner halten stand, untersuchen das Naturspektakel und stoßen dabei auf eine besorgniserregende Entdeckung, denn der subglaziale Feuerberg fördert nicht nur jede Menge Asche zutage, sondern scheinbar auch lebensechte Doppelgänger.
Mehr soll an dieser Stelle gar nicht verraten werden, denn die Faszination der Serie speist sich vor allem aus der Unvorhersehbarkeit, den unheilvollen Ereignissen und plötzlichen Wendungen. Die verschiedenen Charaktere innerhalb der Handlung spiegeln, bewusst oder unbewusst, die Zuschauertypen. Wo sich der Eine der Angelegenheit möglichst rational nähert und faktenbasierte Ergebnisse zur Begründung heranzieht, lässt sich der Andere wiederum lieber von spirituell angehauchten Theorien begeistern und vermutet ein kosmisches Wunder. Ist alles nur Zufall? Bewahrheitet sich womöglich eine jahrelange Sage? Alles scheint möglich und nichts wird kategorisch ausgeschlossen – was dem Spannungslevel und der Ambiguität absolut zugutekommt. Aber Achtung, „Katla“ ist kein beschwingter Rätselspaß für die ganze Familie, sondern zweifelsohne dem mysteriös angehauchten Dramagerne zugehörig.
Dafür sorgen nicht nur die traurigen Soundkonstrukte und die wundervoll melancholischen Bilder, die mittels ausgeblichener Farbpalette ihre ganz eigene Stimmung hervorrufen, nein – es sind mehr und mehr auch die sich entfaltenden Storyelemente, die facettenreiche Abgründe aufreißen, erkunden und sich als emotionaler Ankerpunkt erweisen. Beinahe wirkt es so als lege sich der Ascheregen nicht nur auf die Dächer der Stadt, sondern irgendwie auch auf die Gemüter der Betrachter. Der eher unbekannte, aber nicht minder talentierte Cast der Serie tut sein Übriges, denn nach anfänglicher Distanz erfahren wir wohldosiert von mehr Details aus den Leben der Bewohner, von ihren inneren Dämonen und den persönlichen Gräben, in die wir mit hinabsteigen. Diese bringen dunkle Geheimnisse ans Licht, die sich erst ganz am Ende mit der dargebotenen Handlung ineinanderfügen. Zu diesem Zeitpunkt hat einen die Serie aber bereits vollends gefangen genommen und bietet neugewonnenen Fans sogar Hoffnung auf eine Fortsetzung – die allerdings nicht zwingend notwendig erscheint. Das Ende ist nämlich erfreulich umfangreich und beantwortet nahezu alle offenen Fragen.

Fazit
„Katla“ bricht nur selten aus seiner stoischen Erzählweise aus, fesselt dafür aber umso mehr mit einer gelungenen Mischung aus rauer Tristesse und den berührenden Einzelschicksalen der Protagonisten. Tendenziell eher für Ästheten geeignet, durch seine stringente Chronologie und der thematischen Nähe zu anderen Serienhighlights kann die isländische Produktion jedoch auch ausgeschlossenen Serienjunkies empfohlen werden, die sich gerne von bezaubernden Bildern und einer intimen Geschichte umgarnen lassen.
Bewertung
(82/100)
Bilder: ©Netflix
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Ich liebe isländische Krimi- und/oder Mystery – Serien.
Die liegt schon in meiner Watchlist. Ab Freitag hab ich frei, dann wird geschaut.