Es ist durchaus beachtlich wie leicht es manchen Menschen fällt andere zu manipulieren, kontrollieren und letztlich zu isolieren. Ob nun im privaten Rahmen oder innerhalb einer geschlossenen Struktur, beispielsweise in einer Sekte. Für Außenstehende teils unvorstellbar, und doch auf eine dunkle Art und Weise faszinierend. Kein Wunder also, dass sich auch etliche Filme mit dieser Thematik beschäftigen.

von Cliff Lina

Małgorzata Szumowskas „The Other Lamb“ wählt dafür einen sehr artifiziellen Weg und berichtet von einer Gruppe, die abgeschieden im Wald lebt und einem altertümlichen Gefüge frönt. Aufgeteilt in Ehefrauen und Kinder folgen alle den Worten des sogenannten Hirten, der der Gruppe vorsteht und für deren Wachstum sorgt –wenn ihr versteht was ich meine. Sämtliche Frauen hängen begeistert an den Lippen des Mannes, der die kommunenähnliche Ansammlung durch den Alltag führt, doch es regt sich Gegenwind. Insbesondere die junge Selah beginnt den Lebensstil zu hinterfragen, was unweigerlich zu Konsequenzen für sie und den Rest der Gruppe führt.

Was dabei sofort ins Auge fällt ist die wundervolle Bildgestaltung des Werkes. Das Zusammenspiel aus kontrastreichen Farben, groß aufgezogenen Kamerafahrten und der beinahe sinnlichen Darstellung der Natur sorgen oftmals für grandiose Momente, die man am liebsten pausieren und in ihnen versinken möchte. „Every frame a painting“ – selten traf diese Aussage mehr zu. Künstliche Aufbauschung werden die einen bemängeln, ein gut durchdachter Ansatz wird an dieser Stelle entgegnet, denn „The Other Lamb“ blendet uns mit seiner Optik und erschafft spielend eine Analogie zur erzählten Geschichte. Auch in dieser begegnen wir Individuen, die geblendet sind von der Führung ihres Hirten, der dem Zuschauer sofort suspekt vorkommt, in der Gemeinschaft aber vorerst nicht hinterfragt wird.

So schön der Film nach außen scheint, so dreckig ist das, was permanent unter der polierten Oberfläche schwelt. Szumowska schreckt nicht davor zurück sensible Themen zu umkreisen, welche sich von emotionalem Missbrauch bis hin zum angedeuteten Inzest erstrecken. Konkret benannt werden die Problematiken nie, alles ereignet sich eher in den Dialogen und Gesichtszügen. Generell erlaubt sich „The Other Lamb“ bis zum Ende undurchsichtig zu bleiben. Wie die Kommune entstanden ist, warum der Hirte so einen hohen Stellenwert genießt, wie die einzelnen Personen zur Gruppe gekommen sind – all diese Fragen bleiben unbeantwortet. Man muss sich mit der Ausgangslage arrangieren und sie unreflektiert als Startpunkt der Geschichte sehen, was angesichts der sofort aufgebauten atmosphärischen Dichte leichter fällt als in vergleichbaren Filmen.

Hilfreich sind dabei vor allem die guten Leistungen der Akteure, aus denen Protagonistin Raffey Cassidy noch einmal heraussticht. Der Film versteht sich darauf ihre jugendliche, unverbrauchte Schönheit immer wieder in Szene zu setzen – die im Laufe der Story immer weiter abnimmt, visualisiert durch einen zerzausten Haarkranz oder Flecken auf der eigentlich penibel sauberen Kleidung. Es sind die kleinen Dinge, die einen immer wieder aufhorchen lassen. Ihr Gegenpart, der von Michiel Huisman gespielte Hirte, mimt den unfehlbaren Anführer, der sich bei Fehltritten offen verständnisvoll zeigt, mit Fortlauf aber an Kontrolle verliert und seine Maske fallen lässt. Das Zusammenspiel der Zwei ist intensiv und zahlt auf genau die düstere Art der Faszination ein, die eingangs beschrieben wurde. Dass der Film stellenweise unter seiner zähen Erzählweise leidet und in Gänze vorhersehbar ist, wird so fast zur Makulatur.

Fazit

Malick meets Midsommar: Im dichten Geäst aus Atmosphäre und Geschichte präsentiert sich „The Other Lamb“ als wortkarges Arthouse-Drama von unvergleichlicher Schönheit und erzählt von einem sektenähnlichen Konstrukt in der Neuzeit. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Film aber ebenso sehr als Porträt emanzipiertem Aufbegehrens gegen das übermächtige Patriarchat, bei dem erzählerisch zwar nicht alles passt, das mit seiner Stilistik aber immer wieder grell durch die Baumwipfel scheinen kann und die Sinne seiner Zuschauerschaft gekonnt umschmeichelt. Ab dem 23.06. auf BluRay und DVD erhältlich!

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(68/100)

Bilder: ©Koch Films

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