Das vor gut 23 Jahren geflüsterte „Ich sehe tote Menschen“ hat sich genauso ins Gedächtnis der Kino- und Filmfans gebrannt wie M. Night Shyamalans Angewohnheit, seine Filme im letzten Akt mit einem ultimativen Twist zu versehen, der alles zuvor gesehene auf den Kopf stellt. Der Regisseur und Drehbuchautor, der sich munter durch die Diversität der Genres bewegt und diese zudem oft ungewöhnlich kombiniert, lässt selten mehr als zwei Jahre vergehen, um eine seiner Ideen auf die Leinwand zu bringen. Zwei Oscarnominierungen und 14 qualitativ durchwachsene Filme später ist dieser ungezügelte Tatendrang des unverkennbaren Filmemachers mitunter auch ein polarisierendes Glücksspiel für das Publikum. Ein Glücksspiel, das aber zumindest aufgrund der bewusst geschürten Mysterien keineswegs an Reiz verloren hat, egal wie man zu den bisherigen Werken Shyamalans steht. So auch wieder bei „Knock at the Cabin“. Basierend auf dem Roman „The Cabin at the End of the World“ von Paul G. Tremblay lockt Shyamalan mit einem Home Invasion Thriller, der ab 9.2. in den Kinos zu sehen ist.
von Madeleine Eger
Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) wollen mit ihrer 8 Jahre alten Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) in einer abgelegenen Hütte im Wald ein paar ruhige erholsame Tage verbringen. Während Wen damit beschäftigt ist Grashüpfer zu fangen, tauchen aus dem Nichts vier bedrohliche Fremde auf. Die kleine Familie verschanzt sich in der Hütte und versucht Leonard (Dave Bautista), Redmond (Rupert Grint), Sabrina (Nikka Amuka-Bird) und Adriane (Abby Quinn) davon zu überzeugen, zu verschwinden. Die allerdings geben sich unbeeindruckt und drohen schnell mit gewaltsamen Maßnahmen, sollte ihnen nicht geöffnet werde. Als die Truppe Eric und Andrew überwältigt und sie als Geiseln dazu zwingt ihrem Anliegen Gehör zu schenken, stellen sie das Paar vor eine folgenschwere Entscheidung. Um die Welt und die Menschheit vor der totalen Apokalypse zu bewahren, muss einer der drei geopfert werden. Und nur sie selbst können oder müssen entscheiden, wer das sein wird…
Nachdem der Vorspann ein gewisses Maß mysteriöser Unbehaglichkeit etablierte, beginnt „Knock at the Cabin“ gefühlt schon irgendwo mittendrin im Geschehen. Auf den Prolog, der wie sonst oft üblich die Familie vorstellt und eine harmonische Anreise und Vorfreude bebildert, verzichtet Shyamalan und baute diese Elemente stattdessen erst etwas später in Form von kleinen Rückblenden ein. So ist der Einstieg in den Thriller fast genauso unvermittelt wie die Begegnung mit den merkwürdigen Fremden, die dann plötzlich bewaffnet vor der Tür ihrer Auserwählten stehen. Das scheinbar wahllos zusammengewürfelte Quartett fackelt zwar nicht lang, schließlich steht die Apokalypse vor der Tür, trotzdem entschuldigen sie sich bei jeder Gelegenheit für ihr handeln oder das, was sie noch mit der Familie vorhaben. Ein interessantes, ambivalentes Verhalten, das Shyamalan mit seiner Entscheidung Dave Bautista und Ruper Grint gehörig gegen den erwartbaren Stereotypen zu besetzten, noch zusätzlich unterstreicht. Gerade Dave Bautista, der hier mit seinem Schauspiel einen kleinen Höhepunkt in seiner Karriere markiert, wirkt als freundlicher, aber nicht minder beängstigender Riese im Gespräch mit Wen nicht nur auf das kleine Mädchen bedrohlich, sondern auch auf uns.
Dann aber fällt den Eindringlingen nicht vielmehr ein, als genau in den richtigen Momenten zu den Nachrichten den Fernseher einzuschalten, um die Dringlichkeit der Entscheidung und deren Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Jegliches Blutvergießen oder radikalere Schockmomente, um die Geiseln endgültig dazu zu bringen, sich ihrem Schicksal zu ergeben, lässt der Regisseur außerhalb des Bildes oder im verschwommenen Hintergrund passieren. So verliert selbst die nahende Gewissheit, dass am Ort des Geschehens nicht nur eine Person ihr Leben lassen muss, an Spannung und Gewicht. Und auch wie es überhaupt dazu kam, dass nun ausgerechnet ein Grundschullehrer oder eine Krankenschwester als Überbringer der Prophezeiung losziehen mussten, bleibt ungewiss und spielt auch im Verlauf keine weitere Rolle. Am Anfang kann man noch etwas darüber rätseln, ob die vier nun kollektiv einer Psychose verfallen sind oder aus einem ominösen Kult stammen. Damit hätte sich vielleicht mehr Möglichkeiten für die Charaktere und deren Zerrissenheit im Angesicht des Untergangs eröffnet, diese nutzt Shyamalan jedoch nicht. Er verpasst seiner Gruppe und dem Endzeitszenario aus diversen Katastrophen (oder Plagen) einen gewissen religiösen Anstrich und entledigt sich damit weiterer oder tieferer Charakterbetrachtung.
Spannung und Tempo büßt der Film zusätzlich ein, wenn in erwähnten Rückblenden Eric und Andrews Beziehung sowie ihre Erlebnisse geschildert werden. Ohne das es die Situation verändern oder das Hadern des Paares emotionaler werden lassen würde, finden sich in den Ausschnitten relativ oberflächlich betrachtete charakterprägende Momente. Und das ist insgesamt das größte Problem von „Knock at the Cabin“. Es fehlt für die technisch stimmige Inszenierung und die stellenweise starken auf 16mm Film gebannten Bilder eine gewisse Entwicklung, eine spürbare Dringlichkeit und vielleicht ein bedeutungsvollerer Denkanstoß als nur „Was wäre ich bereit zu opfern?“

Fazit
Der Anfang des scheinbaren Home-Invasion-Horrors gestaltet sich zunächst noch als interessantes und atmosphärisches kleines Kammerspiel in einer einsamen dunklen Hütte am Ende der Welt. Mit dem ersten Blutvergießen (dem einzigen wirklichen Überraschungsmoment) entpuppt sich „Knock at the Cabin“ jedoch ziemlich schnell als unspektakuläres und charakterleeres Thrillerdrama, das sich vehement an trägen wie repetitiven Sequenzen klammert.
Rating
(54/100)
Bilder: (c) Universal Studios
Auch hier gilt: Ich warte auf Netflix / Prime 🙂