Es ist wohl keine Übertreibung zu behaupten, dass Quentin Tarantino einer der wichtigsten Filmemacher der letzten 30 Jahre ist: In seinen bisher 9 Filmen entwickelte er einen unverkennbaren Stil, der sich durch geschliffene und ausufernde Dialoge, zahlreiche (Film-)Zitate und oft durch eruptive Gewalt auszeichnet, wenngleich er die gesamte Bandbreite des Genrekinos beackert. Die Dokumentation „QT8 – The First Eight“ von Tara Wood blickt auf sein bisheriges OEuvre und lässt regelmäßige Kollaborateure und seine Darsteller ausführlichst zu Wort kommen (der einzige Abwesende ist der Meister selbst). Der Film ist derzeit und noch bis inklusive 11.6. in der Arte-Mediathek gratis zu sehen (Link unten), eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen sollte, da „QT8“ nie einen regulären Kinostart hatte und sonst bei uns nur als DVD/BluRay zu erstehen ist.

von Christian Klosz

Die Tatsache, dass der Film nicht bei den großen Festivals lief und auch nicht im Kino, hat mit der Entstehung zu tun: Ursprünglich schon 2016 fertiggestellt, wurde die Doku damals von Tarantinos üblichem Produzenten Harvey Weinstein und dessen Produktionsfirma gekauft, auch in Cannes hätte „QT8“ laufen sollen. Dann kam der Weinstein-Skandal, #metoo, und der Kampf der Regisseurin um die Rückerlangung der Filmrechte, was erst 2018 gelang. Schließlich wurde das Werk im Oktober 2019 bei einem Spezialevent erstmals gezeigt und erschien im Dezember in den USA als VOD und bei uns als DVD/BluRay.

Das Thema „Weinstein“ wird über den Großteil der Filmlänge umgangen oder nur angedeutet, man merkt, dass das meiste in der Prä-#metoo-Ära gedreht wurde. Erst ganz am Schluss gibt es eine rund 5-minütige Sequenz, die im Detail auf die Connection Tarantino-Weinstein eingeht. Hier erfährt man auch, dass Tarantino offenbar schon lange über das Treiben des gefallenen Produzenten Bescheid gewusst hatte, sich aber nicht dazu geäußert oder jedenfalls keine Schritte dagegen unternommen hatte, was er im Nachhinein bereute: „I knew about it for a long time…I should have said something, but I didn’t“. Diese Sequenz wurde offensichtlich erst nach dem eigentlichen Film gedreht, wodurch der „Epilog“ im Gesamtkontext etwas wie ein Fremdkörper wirkt; es war aber für die Regisseurin wohl unumgänglich, das Thema doch zu adressieren.

Interessantes hört man auch von Jamie Foxx, Tarantinos Star in „Django Unchained“: „We live in a very politically correct society now, to almost everything, it almost chokes art a little bit“ darf der Mime zum Besten geben, eine Aussage, für die er sich heute wohl auf die Zunge beißen würde oder einen Shitstorm ernten. Im aktuellen Kontext ist auch bemerkenswert, dass alle interviewten Schauspieler (u.a. Foxx, Samuel L. Jackson) Tarantinos oft exzessiven Gebrauch des Wortes „Nigger“ in seinen Filmen und seine Bedienung an der schwarzen (Sub-)Kultur explizit gutheißen und verteidigen, während sich Foxx über Spike Lee lustig macht, der sich anno 2012 „Django“ eben deswegen nicht ansehen wollte.

Abgesehen von diesen politischen und gesellschaftlichen Implikationen ist „QT8“ eine großteils gelungene Doku, die einen guten chronologischen Überblick über Tarantinos Schaffen ermöglicht, auch von seinen Inspirationen erzählt und Einblicke in seine Arbeitsweise am Set bietet, von denen, die immer live dabei sind: Den Schauspielern und Schauspielerinnen, zu denen der Meister eine ganz besondere, intime und fast familiäre Beziehung pflegt. Bruce Dern, Christoph Waltz, Michael Madsen, Tim Roth, Zoe Bell, Samuel L. Jackson, Jamie Foxx sind nur einige Namen der illustren Gästeliste, die nicht mit Anekdoten geizt und klar macht, warum Tarantino ein derartiges Ausnahmestanding in Hollywood genießt: Wenn er ruft, kommen sie alle.

Christoph Waltz in „QT8“

Ergänzt wird das Ganze durch viele Ausschnitte aus Tarantinos Filmen (bis auf „Once upon a time…“, der erst danach fertiggestellt wurde), über deren Zustandekommen man auch weitere interessante Details aus erster Hand erfährt. Alles in allem bietet „QT8: The First Eight“ einen sehenswerter Blick „hinter die Kulissen“ und auf einen der wichtigsten Filmemacher der Gegenwart, der nach seinem nächsten, zehnten Film bekanntlich endgültig Schluss machen will. Empfohlen ist das nicht nur für Neugierige, die sich erstmals mit Tarantinos Werk vertraut machen wollen, sondern auch und noch mehr für Fanboys und – girls, denen „QT8“ besonders viel Freude bereiten dürfte.

Bewertung

8 von 10 Punkten (81/100)

„QT8“ ist derzeit und noch bis inkl. DO, 11.6. in der ARTE-Mediathek zu sehen.

Weiterlesen: „De Palma“ – eine sehenswerte Doku über New Hollywood-Ikone Brian de Palma von Noah Baumbach