Die Psychologie beschreibt ein Déjà-vu als sogenannte „Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes bereits in gleicher Weise erlebt zu haben“. Für manche reiner Zufall, für andere wiederum der unbestreitbare Beweis für die Reinkarnation. Ein streitbares Thema, doch eines kann wohl ohne Zweifel konstatiert werden: wir alle kennen das Gefühl und haben schon einmal in ein Gesicht geschaut, das uns auf seltsame Weise bekannt vor kommt.

von Cliff Brockerhoff

So ergeht es auch Maja, einer rumänischen Immigrantin, die den zweiten Weltkrieg samt tragischem Verlust ihrer Schwester miterleben musste, nun allerdings ein behütetes Leben in einem amerikanischen Vorort genießt. Dieses gerät aus den Fugen als sie einen Mann trifft, der einem ihrer Peiniger von einst zum verwechseln ähnlich sieht. Nur Zufall? Über Gesprächsfetzen erfahren wir davon, dass dies augenscheinlich nicht die erste Entwicklung dieser Art ist – doch der Auswuchs ist neu, denn Maja belässt es nicht bei der Verwunderung und entführt kurzerhand den Mann.

Soweit die Ausgangslage von „The secrets we keep“, der im deutschsprachigen Raum den Untertitel „Schatten der Vergangenheit“ trägt und damit schon auf die inhaltliche Ausrichtung schließen lässt. Denn trotz zeitlichem und örtlichem Abstand zur eigenen Vergangenheit kämpft die Protagonistin des Films, intensiv verkörpert von Noomi Rapace, mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, unter der nicht nur sie selber, sondern auch ihre Familie leiden muss. Mittels Therapie konnte die Erkrankung zwar eingedämmt werden, doch als Maja dem vermeintlichen Täter ein weiteres Mal gegenübersteht, reißen alte Wunden auf und führen uns durch eine wendungsreiche Story, die anfangs mit gehörigem pacing und einer guten Portion Spannung zu unterhalten weiß.

Der verständlicherweise nun eher irrational handelnden Kriegsüberlebenden wird ein klar denkender Gegenpol in Person des Ehemannes gegenübergestellt, der jedoch abwägen muss ob er seiner überzeugten Frau oder dem scheinbar unschuldigen Gefangenen Glauben schenkt. Der Film schafft so mit leichten Mitteln eine inhaltliche Varianz und gibt sich bewusst undurchsichtig. Das Szenario selber beschränkt sich innerhalb seiner gut anderthalb Stunden dabei auf das Haus der Familie, in dem sich der weitere Verlauf zuträgt. Nur selten wechselt die Handlung den Schauplatz, und nach einer starken ersten Stunde geht dem Film auch erzählerisch merklich die Luft aus. Zu oft werden bereits erörterte Aspekte wieder aufgegriffen, ohne zeitgleich einen Fortschritt zu kreieren. Viel Dialog und eher deplatziert wirkende Rückblenden begünstigen den Eindruck und sorgen dafür, dass sich die Laufzeit hinten raus tendenziell zu lang anfühlt.

Ein Kernproblem entwächst dabei auch aus der Protagonistin, die es sich, ohne damit die Vorgeschichte oder Gräueltaten abwerten zu wollen, zu bequem in der Opferrolle macht und so die Chance verschenkt zum emotionalen Fixpunkt zu werden. Anstelle einer Sympathieträgerin auf der Suche nach Gerechtigkeit verfällt Majas Charakter übermäßig oft in Selbstmitleid und stumpfen Hass, der irgendwann nicht mehr authentisch wirkt. Aufkeimende Verbundenheit wird durch den eintretenden Werteverfall verwässert bis nur noch eine lose Verbindung da ist, die die thematische Schwere nicht mehr schultern kann. Dafür entschädigt wird die Zuschauerschaft allerdings ganz am Ende, wenn der Film zu einem unerwartet fiesen Tiefschlag ansetzt, mit fast schon beschwingter Untermalung akustisch ausklingt und so einen letzten Reizpunkt setzt, der zum Nachdenken anregt.

Fazit

Passend zum Titel behält sich „The secrets we keep“ seine Geheimnisse lange bei und überzeugt bis zum Schluss mit kleineren Wendungen, gutem Schauspiel und einer stilsicheren Inszenierung. Inhaltlich gewinnt das Werk keinen Preis für Innovation, agiert innerhalb seines Metiers aber konsequent und hinterlässt seine Betrachter mit deutlich positiver Empfindung – mit einem weniger holprigen Drehbuch wäre aber noch mehr zu holen gewesen. Ab sofort im Kino!

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(62/100)

Bilder: ©LEONINE

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