Wackelige Kameraführung, unbekannte Schauspieler, kaum erkennbare Bilder – all das macht einen typischen Film des Found-Footage-Subgenres aus. Eine Horrorkategorie, die eher am Rande des Mainstreams zu lungern scheint und auch bei Fans abwegiger Kinoerlebnisse nicht allzu viel Aufmerksamkeit genießt. Dabei hält es sich schon wesentlich länger als andere Gattungen: Die POV-Kamera bietet mit ihrer Ästhetik viel Möglichkeiten für effektive Jump-Scares und sorgt für eine Intimität zwischen dem Gezeigten und dem Zuschauer, die Schockmomente beinah garantiert, insofern es sich nicht um ein besonders misslungenes Beispiel handelt; hinzu kommen niedrige Budgets, bedingt durch das Anheuern von weniger bekannten Schauspielern und die Verwendung eines minimalistischen Setups. Somit eignen sich Found-Footage und Mockumentary Streifen bestens für kleinere Kinoerfolge, vor allem kurz vor Halloween, was die Langlebigkeit des Genres teilweise erklärt.
Wer diesbezüglich skeptisch ist, sollte sich die Horrorlandschaft der letzten Jahre näher anschauen: Letztes Jahr durften sich Kinobesucher über den siebten Teil der „Paranormal Activity“-Franchise freuen, Netflix sicherte sich im Sommer die Rechte zu „Incantation“ – dem bislang kommerziell erfolgreichsten Horrorfilm aus Taiwan – und neue Entwicklungen der Technik brachten „Screenlife“-Filme wie „Host“, „Spree“, „Deadstream“ und viele andere hervor. Fast jedes Jahr werden Werke in diesem Stil veröffentlicht, einige davon extremst erfolgreich, und dennoch wird über das Genre selbst relativ wenig diskutiert. Dieser Beitrag soll das ändern, und das Interesse der Leser mit sieben Empfehlungen wecken, die Neugierige zu Fans des Genres machen sollen. Vorher aber ein kurzer Überblick zu dessen Entwicklung:
Die meisten Horrorhistoriker sind sich einig, dass Ruggero Deodatos berüchtigter Film „Cannibal Holocaust“ aus dem Jahr 1980 der Erste war, der das Element gefundener Videoaufzeichnungen verwendet, auch wenn sich hierüber streiten lässt. Zum globalen Phänomen wurde der Found-Footage-Look erst 1999 mit „The Blair Witch Project“, der mit seiner Marketingstrategie unter Verwendung des Internets die Art veränderte, wie Produktionsfirmen für neue Projekte warben. Mit „Paranormal Activity“ schaffte es der Look in den Mainstream des 21. Jahrhunderts und durch neue technische Entwicklungen erhielt er mit „Unfriended“ ein weitreichendes Update in Form von Screenlife-Filmen. Für diejenigen, die sich etwas mehr mit diesem Genre vertraut machen wollen, sind hier sieben Filmtipps jenseits der bekannteren Titel, die man als Found-Footage-Novize eventuell noch nicht kennt:
- The Borderlands (2013)
Eigentlich ist die Prämisse ganz einfach: In der Kirche einer abgelegenen Dorfgemeinde spukt es und der Vatikan schickt ein kleines Team hin, um sich die Sache genauer anzusehen – und dabei alles zu filmen. Als Slow-Burn baut „The Borderlands“ seinen immer ominöseren Ton zwar etwas langsam, aber dafür mit Bedacht auf. Und auch wenn die erste Hälfte teils etwas schleppend vorankommt, lohnt es sich das Tempo durchzuhalten, denn das Ende wird einen garantiert nicht mehr so schnell loslassen. Diesen Film gibt es auf Amazon Prime.

- The Houses October Built (2014)
Auf Amazon Prime zu finden mit dem alternativen – allerdings weniger poetischen – Titel „Halloween House“, ist dieses Beispiel im Grunde ein typischer Found-Footage-Streifen. Doch was ihn so besonders macht ist das Setting: Eine Gruppe von Freunden filmt eine Doku über „Haunted House Attractions“ und fährt in ihrem Wohnmobil dafür quer durch die Vereinigten Staaten. Doch manche dieser Spuk-Shows nehmen ihre Aufgabe etwas zu ernst und schon bald merken sie, dass die Gefahr nicht mehr gespielt ist. Tatsächlich war der Film ursprünglich als eben solch eine Doku geplant und die Handlung wird immer wieder mit echten Interviews ergänzt, was dem Ganzen einen Hauch Authentizität gibt. Wer bislang noch nicht in Halloween-Stimmung gekommen ist braucht sich nur „The Houses October Built“ anzusehen und schon greift man nach dem nächsten Kürbis zum Schnitzen – oder verlässt bis November nicht mehr das Haus.
- Hell House LLC (2015)
Ähnlich wie beim vorherigen Beispiel geht es auch hier um eine „Haunted House Tour“, die in einer Tragödie endet. Jahre nachdem einige Besucher bei einem Unfall gestorben sind, dreht eine kleine Crew eine Dokumentation über den Vorfall und erfährt am eigenen Leib, dass die Tode kein Ergebnis eines traurigen Zufalls waren. Was dieser Film besser macht als sein vorhin erwähntes Gegenstück ist der Aufbau der Handlung: Die Geschichte fügt sich natürlicher zusammen und man kann ihr besser folgen, wodurch „Hell House LLC“ trotz des Stils eher wie eine kohärente Narrative wirkt. Das Ende ist nicht ganz so spektakulär, aber dafür Stimmen die Schockmomente und man springt sicherlich ein paar Mal aus dem Sessel. Momentan ist „Hell House LLC“ als VOD auf iTunes.
- One Cut of the Dead (2017)
Als Low-Budget-Juwel aus Japan ist “One Cut of the Dead” eine Horrorkomödie, die auch den größten Griesgram zum Schmunzeln bringen wird. Der ambitionierte Regisseur Higurashi will unbedingt einen Zombie-Film machen, doch während der Dreharbeiten tauchen plötzlich echte lebende Tote auf. Entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen, nutzt Higurashi diese unkonventionellen Statisten, um seinem Projekt ein wenig realen Horror zu verleihen – doch die restliche Crew kommt nur beschwerlich mit den neuen Teammitgliedern zurecht und bald muss sich jeder entscheiden was wichtiger ist: Einen guten Film zu drehen oder zu überleben. Wer sich nicht für den B-Movie-Look zu schade ist wird viel Spaß mit diesem ganz besonderen Found-Footage-Werk haben und sollte es sich zu Halloween auf Amazon Prime anschauen.
- Gonjiam: Haunted Asylum (2018)
In den letzten Jahren ist die südkoreanische Popkultur immer mehr in den Westen gelangt und ist mittlerweile fester Bestandteil unseres Mainstreams. Somit darf dieser besondere Found-Footage-Film auf keiner Liste fehlen: Das Genre erhält hier ein visuelles Update, da es sich um die Crew einer Web Series handelt, die ihre Erlebnisse in einer verlassenen Psychiatrie mit mehreren Kameras pro Person live streamt. Die Atmosphäre ist von Anfang an unheimlich, die Effekte gelungen und auch wenn die Charaktere selbst hier und da etwas eindimensional wirken ist „Gonjiam“ perfekt für jeden, der sich dieses Halloween so richtig gruseln will. Wenn man sich beeilt, kann man noch rechtzeitig eine DVD oder BluRay auf Amazon bestellen.

- Lake Mungo (2008)
Von manchen beschrieben als einer der traurigsten Horrofilme aller Zeiten: „Lake Mungo“ ist ein Mockumentary-Film über die Geschichte einer Familie, die ihre Tochter Alice auf tragische Weise verliert. Anders als andere Werke dieser Art nimmt die Handlung mehrere unerwartete Wendungen, die jedoch alle zum Thema der Trauer und des Verlustes beitragen – anfangs eine typische Dokumentation, schlägt die Story plötzlich die Richtung einer paranormalen Geistergeschichte ein, bevor sie schließlich in einem Finale endet, das wahrhaftig durch Mark und Bein geht. Wer ohne viel Action schnell gelangweilt ist sollte vermutlich die Finger von „Lake Mungo“ lassen, doch wer offen für ein wenig Slow-Burn ist kann sich auf Amazon Prime von diesem bedrückenden Film erschüttern lassen.
- The Poughkeepsie Tapes (2007)
Abgehärtete Horrorfans können auch auf Amazon „The Poughkeepsie Tapes“ auf DVD oder Blu-Ray bestellen und versuchen anschließend nachts allein auf die Straße zu gehen. Dieser unbarmherzige Film ist das Resultat der Kombination von Torture-Porn und Found-Footage, die in den frühen 2000ern stattfand und uns unter anderem die berüchtigte „August Underground“-Reihe bescherte. Allerdings ist unser siebter Filmtipp weitaus interessanter: Eine Mischung aus Mockumentary und Pseudo-Snuff-Film erzählt die Handlung von der Jagd nach einem Serientäter, der seine grausamen Morde filmt; eben diese Tapes werden von der Polizei gefunden und bearbeitet, alles in der Hoffnung, das jüngste Opfer namens Cheryl aus den Fängen dieses Psychopaten zu befreien. Die kurzen Einblicke in die Taten des Killers sind verstörend genug, doch der wahre Horror zeigt sich erst nachdem Cheryl gefunden wird. Definitiv nichts für schwache Nerven.

Blair Witch war neu und so hat man diese “Ich – Perspektive” gern angenommen.
Heute schalte ich jeden Film ab, der so anfängt. Das nervt mich total ab.