Seit Anfang Mai verweigern die Mitglieder der WGA (Writers Guild of America – US-Autorengewerkschaft) die Arbeit und legen damit etliche Produktionen wie Late Night Shows, Preisverleihungen, Serien und auch Filmprojekte lahm. Seit Mitte Juli beteiligt sich auch die Organisation SAG-AFTRA (Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists – Schauspielergewerkschaft) an dem massiven Streik, den es in der Traumfabrik so zuletzt 1960 gab: Hollywood steht still. Grund hierfür sind Unstimmigkeiten in den Vertragsverhandlungen mit der AMPTP (Alliance of Motion Picture and Television Producers), bei denen es unter anderem um Streaming und den Einsatz von KI-Technologien geht. Aber was genau wird verlangt und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Zuschauer? Wir versuchen, die Hintergründe zu beleuchten.

Von Natascha Jurácsik

Was passt den Autoren nicht?

Im April fanden Verhandlungen zwischen den Autoren und Schriftstellern Hollywoods – repräsentiert von der WGA – und der AMPTP, welche die größten Film- und Fernsehstudios vertritt, statt, doch als es um die Neuregulierung der Kompensation durch Streaming-Plattformen und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Schreibprozessen ging, erreichten beide Seiten schnell eine Sackgasse; als Resultat stimmte die WGA für einen Streik, der erste seit 2007-2008.

Das Problem der Autoren, die an Produktionen für Streaming-Plattformen arbeiten, lässt sich an zwei Schlagwörtern festmachen: dem sogenannten „Writers‘ Room“ und den „residuals“ bzw. Restzahlungen. Ersteren Begriff darf man gerne wörtlich nehmen, denn es handelt sich schlicht und einfach um den Raum, in dem Schriftsteller und Produzenten erst die Geschichte und dann ein fertiges Drehbuch für eine Serie ausarbeiten. Bei Projekten fürs Fernsehen sieht dies in etwa so aus: Autoren werden für ca. 6-8 Wochen unter Vertrag genommen, um eine Staffel von ungefähr 20-26 Folgen zu erstellen, welche dann produziert wird, natürlich in ihrer Anwesenheit. Jedes Mal, wenn eine Folge, die ein Autor verfasst hat, im Fernsehen gezeigt wird, erhält dieser eine Restzahlung, was für einen Großteil der WGA-Mitglieder einen Betrag ausmacht, der sie in der Zeit zwischen Jobs über Wasser hält, bis sie bei einem neuen Projekt unter Vertrag genommen werden.

Streaming-Anbieter haben dieses Konzept allerdings stark umgestaltet: Eine durchschnittliche Netflix-Produktion beispielsweise hat nur 5-15 Folgen pro Staffel, was bedeutet, dass ein Vertrag für einen Autor nicht viel länger als 2-3 Wochen läuft; wer nicht binnen einer Woche einen neuen Job findet, muss den Gürtel eine Zeit lang eventuell sehr viel enger schnallen. Zusätzlich sind solche Plattformen stark darauf bedacht den „Writers‘ Room“ einer Serie zu reduzieren und sogenannte „Mini Rooms“ einzuführen. Dies bedeutet weniger Stellen pro Produktion und mehr Arbeit für die angestellten Autoren, trotz geringerer Sicherheit. In diesem Falle wären die Restzahlungen echte Lebensretter, um den Schriftstellern mehr Zeit zu verschaffen, bis sie einen neuen Vertrag unterzeichnen können, doch auch auf diese finanzielle Hilfe können sie sich nicht verlassen, da „residuals“ bei Streaming-Projekten meist ganz wegfallen.

Im Falle der Künstlichen Intelligenz mussten die Autoren einen weiteren Schlag seitens der AMPTP verkraften, denn diese will erlauben, dass solche Programme mit dem geistigen Eigentum der Kreativen gefüttert werden, um dann selbstständig neue Drehbücher zu erstellen, ohne dabei die Schriftsteller für die Verwendung ihrer Arbeit zu kompensieren. In einer Branche, die für die meisten ohnehin ein hartes Leben darstellt, ist es leicht nachvollziehbar, dass die WGA für ihre 11.500 Mitglieder gegen Netflix, Amazon, Disney & Co. für ihre Rechte einstehen will.

Was hat das mit den Schauspielern zu tun?

Einiges, denn die angesprochenen Unstimmigkeiten mit den Studios bezüglich Streaming und KI betreffen auch die weltweit 160.000 Mitglieder von SAG-AFTRA. Wer nun denkt „Verdienen diese Hollywoodschauspieler nicht genug Geld?“ sollte nicht vergessen, dass diese erfolgreichsten Darsteller nur einen kleinen Bruchteil aller Entertainer vor der Kamera ausmachen und der Rest bei weitem nicht so viel erhält. Auch hier sind die meisten auf Jobs mit längerer Vertragslaufzeit, wie Serien, angewiesen und überbrücken die Zwischenzeit mit den Restzahlungen ihrer vorherigen Arbeit.


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Im Streaming-Segment entstanden hier ähnliche Probleme wie die Anliegen der WGA sie zeigen: Kürzere Staffeln bedeuten kürzere Verträge und somit weniger Sicherheit. Obendrein fallen die so wichtigen „residuals“, wie vorhin erklärt, auch für Darsteller aus, wodurch sich ihre Trockenzeit zwischen Projekten nicht nur verlängert, sondern auch noch ihr finanzielles Auffangnetz wegfällt. Vielen Schauspielern bleibt nichts anderes übrig, als nebenbei anderen Arbeiten nachzugehen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. So kommt es inzwischen schonmal vor, dass ein bekanntes Gesicht aus der Lieblingsserie auf Netflix den Kaffee in LA ausschenkt.

Die urheberrechtlichen Streitigkeiten, die durch die Verwendung neuer Technologien entstehen, konfrontieren die Angestellten innerhalb der Branche mit einer makabren Zukunftsaussicht: Die AMPTP schlug vor, Gesichter von Schauspielern einzuscannen, damit sie bei einem längeren Projekt ohne Anwesenheit des Darstellers mithilfe von KI verwendet werden können. Die finanzielle Kompensation hierfür ist nur halb geklärt und überaus fragwürdig. Im Interesse des grenzenlosen Profits streben die großen Studios allem Anschein nach eine dystopische Lösung an, die sich Aldous Huxley nicht besser hätte ausdenken können.

Müssen Streaming-Anbieter Geld sparen, wo sie können?

Auf die Ausgaben zu achten ist wohl im Sinne jedes Unternehmens, doch eine stark vereinfachte Antwort auf diese Frage wäre wohl: nein. Erst kürzlich stellte Netflix weitgehend das Teilen eines Accountpasswortes ein, zum Ärger vieler Konsumenten. Das Ergebnis hat sich für die Plattform zumindest kurzfristig gelohnt, denn seit dem Schritt schoss die Zahl der Neu-Abonnenten steil in die Höhe – die neue Strategie, welche die User-Freundlichkeit in den Hintergrund rückt, ist offensichtlich profitabel. Geld scheint also nicht das Problem zu sein, wobei Netflix als Beispiel den Status einer Vielzahl an erfolgreichen Anbietern verdeutlichen soll und kein Einzelfall ist. Das gewonnene Einkommen wird jedoch nicht im Sinne eines angenehmen Arbeitsumfeldes investiert; stattdessen werden „Writers‘ Rooms“ und Schauspieler ebenfalls zu Möglichkeiten für Budgetkürzungen, nicht um unnötige Kosten zu sparen, sondern um noch mehr Geld zu machen, das in die üppigen Taschen der Wenigen fließt.

Was bedeutet das für die Zuschauer?

Im Moment dürfte das Ausmaß des Stillstandes in Hollywood noch nicht allzu spürbar sein, was sich im Laufe des Sommers vermutlich langsam ändern wird. Programme auf Wochenbasis wie Late Night Shows leiden zwar jetzt schon unter den Ausfällen, doch diese sind hier im deutschsprachigen Europa ohnehin nicht sehr verbreitet. Wirklich ernst wird es eher ab Herbst, wenn die Menge an bereits vor dem Streik fertiggestellten Drehbüchern und Produktionen erschöpft ist. Unter anderem werden Fans wohl länger auf neue Staffeln von „Big Mouth“, „Andor“ „The Boys“, „Cobra Kai“ und zahlreichen weiteren Serien warten müssen. Einen Überblick über betroffene Produktionen gibt es hier.

Doch auch die Kinos sind betroffen, denn schon jetzt verzögert sich die Arbeit an geplanten Filmen wie dem neuen „Blade“, dem neuen „Spider-Man“, „Superman: Legacy“, „Deadpool 3“, „Beetlejuice 2“ und den neuen Teilen der „Avatar“-Reihe. Sollten die Verhandlungen zwischen der WGA, SAG-AFTRA und der AMPTP weiterhin stillstehen, könnte dies ein harter Winter für internationale Zuschauer werden. Projekte außerhalb der USA sind momentan noch nicht betroffen, worüber sich „House of the Dragon“-Fans freuen dürften.

Trotz dieser Unannehmlichkeiten sollte man nicht vergessen, dass beide Streiks zur Verbesserung der Branche dienen und – zumindest im Geiste – unterstützt werden sollten.

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Bildquelle: Openverse

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